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Anhörung Jeff Sessions
"Man muss diese Sache als Teil des Polit-Theaters sehen"

US-Justizminister Jeff Sessions sei vorgeschickt worden, um die Luft aus der Russlandaffäre zu nehmen, sagte John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, im Dlf. Dies sei ihm aber nicht gelungen. Bei der Anhörung im US-Senat handele es sich um "Polit-Theater". Mit einem Amtsenthebungsverfahren habe es wenig zu tun.

John Kornblum im Gespräch mit Sarah Zerback |
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, aufgenommen am 09.10.2016 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "Friedensgespräche abgebrochen - Ist Aleppo verloren?"
    "Dass die Russen sich eingemischt haben, scheint allen klar zu sein", sagte John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. (picture alliance/dpa - Karlheinz Schindler)
    Die rhetorische Taktik des Justizministers bei seiner Anhörung im US-Senat sei normal für jemanden, der nichts sagen wolle, sagte Kornblum. Ungewöhnlich sei aber die Wortwahl Sessions' gewesen. Damit habe er seine Loyalität gegenüber Trump klar gestellt.
    Von einem Amtsenthebungsverfahren, wie es in Europa diskutiert werde, sei man mit dieser Anhörung aber noch weit entfernt. Die Frage, was hat der Präsident gewusst habe und wann er es gewusst habe, sei entscheidend. Dass einige Wahlkampfmitarbeiter Trumps vielleicht mit Russen gesprochen hätten, sei nicht kriminell, sagte John Kornblum. Nur wenn es Beweise gebe, dass Trump darüber voll informiert wurde, könnte es ihn zu Fall bringen.

    Das Interview in voller Länge:
    Sarah Zerback: Eine erschreckende, verabscheuungswürdige Lüge, niederträchtig und falsch. So reagierte US-Justizminister Jeff Sessions am Abend auf die Vorwürfe, er habe im Wahlkampf geheime Absprachen mit der russischen Regierung getroffen.
    So weit der damalige Wahlkampfstratege und jetzige Justizminister auf Fragen der US-Senatoren. Er reagierte mit absoluter Loyalität gegenüber dem Präsidenten. Ob der damit aus der Schusslinie ist, ist gleich unser Thema mit dem ehemaligen US-Botschafter in Deutschland, mit John Kornblum. Guten Morgen!
    John Kornblum: Guten Morgen!
    Sessions wurde vorgeschickt, um die Luft aus der Sache zu nehmen
    Zerback: Empörung über die Vorwürfe. Absolute Loyalität gegenüber dem US-Präsidenten. Haben Sie da etwas anderes erwartet?
    Kornblum: Nein. Ich habe nichts anderes erwartet. Man muss besonders diese Sache als einen Teil des Polit-Theaters sehen, das jetzt in Washington vor sich geht. Im Mittelpunkt dieses Theaters ist der Präsident, sein Gemüt, seine Persönlichkeit und auch seine Sprunghaftigkeit. Und Jeff Sessions wurde bestimmt vorgeschickt, um zu versuchen, das alles ein bisschen zu beruhigen und dem Präsidenten seine Loyalität auszusprechen und irgendwie zu versuchen, die Luft aus der ganzen Sache zu nehmen. Das, glaube ich, hat er nicht geschafft.
    Loyalität gegenüber Trump mit Worten wie "entsetzlich" und "abscheulich"
    Zerback: Sie sagen, er wurde vorgeschickt. Jetzt hat er ja gesagt, er weiß von nichts, kann sich da auch an wichtige Details nicht erinnern, nachdem er ja nachweislich schon einmal unter Eid gelogen hat. Wie glaubwürdig war er also dieses Mal?
    Kornblum: Ich glaube, nicht sehr glaubwürdig. Aber diese Taktik ist natürlich eine, die man auch in anderen Ländern kennt. Wenn ein Politiker nichts sagen will, sagt er entweder, ich darf das nicht sagen, weil es vertraulich ist, oder ich erinnere mich nicht daran. Das ist eine ziemlich normale Taktik. Wichtig ist hier nicht so sehr, was er gesagt hat – die Tatsachen sind mehr oder weniger klar –, sondern die Art, die Tatsache, dass zum Beispiel Ausdrücke wie "entsetzlich" und "abscheulich" benutzt hat. Das war voller Emotionen, und ich glaube, sein Ziel war, seinem Präsidenten klarzustellen, dass er auf seiner Seite stand.
    Zerback: Nun gab es ja trotzdem diese eine Stelle, an der Jeff Sessions sich zur Entlassung Comeys geäußert hat und gesagt hat, da müsse er nun die Worte von Trump einfach mal so stehen lassen. Ist da in Ihren Ohren ein Hauch von Kritik zu erkennen?
    Kornblum: Vielleicht. Man hört auch aus der Presse, dass die Kritik Sessions an Trump intern ziemlich stark gewesen ist, und dass er sogar überlegt hat, ob er zurücktreten sollte oder nicht. Ein Hauch von Kritik ist immer da, aber die Persönlichkeit von Trump ist so kompliziert, dass die Kritik auch aus seinem eigenen Weißen Haus ständig kommt. Ich glaube, so sollten wir die Sache sehen: Es handelt sich eigentlich um eine Person, um den Präsidenten, ob er beständig genug ist, Präsident zu sein, und ob er tatsächlich sich irgendwie mit den Russen in Verbindung gesetzt hat, die er noch nicht zugegeben hat.
    "Es ist keine rechtliche Verhandlung"
    Zerback: Sie haben gerade von Rücktritt gesprochen. Für einige Demokraten ist ja allein schon diese erste Lüge ein Grund gewesen, zurückzutreten. Jetzt nach diesem Auftritt gestern, glauben Sie, kann sich Sessions da weiterhin im Amt halten, hat er da jetzt die volle Rückendeckung des Präsidenten?
    Kornblum: Erstens das, und zweitens, wie ich schon vorher gesagt habe, man soll die ganze Sache hier ein bisschen als Theater sehen. Es ist keine rechtliche Verhandlung, es ist keine Sache vor einem Gericht. Es ist ein Hin und Her zwischen drei Gruppen: Zwischen den Demokraten, dem Präsidenten, und in der Mitte sind die Republikaner, und ich würde auch dazu sagen, die Mitglieder des Kabinetts des Präsidenten. Die müssen irgendwie versuchen, den Eindruck von Objektivität zu geben. Und sie wollen auch natürlich, dass der Präsident unterstützt wird. Aber es ist auch für die Republikaner zunehmend schwierig, das zu tun. Ein nächstes Kapitel wird es bestimmt geben. Aber weil es sehr oft in Europa diskutiert wird: Das hier hat wirklich sehr wenig zu tun mit irgendeinem Amtsenthebungsverfahren. Es hat eher damit zu tun, dass die Demokraten den Präsidenten schwächen wollen.
    "Dass die Russen sich eingemischt haben, scheint allen klar zu sein"
    Zerback: Wenn Sie das jetzt, wenn das tatsächlich ein solches Theater war, wie Sie das beschreiben, welche Rolle die Russen bei dieser Wahl in den USA gespielt haben, ist das dann nach diesen beiden Anhörungen jetzt auch nur ein Stück klarer?
    Kornblum: Sessions selbst, das hat auch ihr Korrespondent gesagt, Sessions selbst hat gesagt, es sieht so aus. Ich glaube, die Tatsache, dass die Russen sich eingemischt haben, ist von allen vielleicht außer Trump klar. Die Tatsache, dass Russland massive Angriffe auch auf andere Länder macht, ist ziemlich klar. Die Frage ist, ob Trump seine Mitarbeiter, seine Umgebung irgendwie mit den Russen zusammengearbeitet haben, um Hillary Clinton zu schaden. Da gibt es bis jetzt keinen Beweis. Trump lehnt das natürlich sehr ab, Sessions hat sogar sehr starke Wörter benutzt, um das abzulehnen. Das wird natürlich für Gesprächsstoff sorgen im Sommer, wo man sowieso sehr gern so was hat, aber auch nachher im Herbst. Das ist die große Frage. Dass die Russen sich eingemischt haben, scheint allen ziemlich klar zu sein.
    Zerback: Glauben Sie denn daran, dass es tatsächlich Mitschnitte der Gespräche mit James Comey gibt? Das hat Trump ja angedeutet. Der zuständige Sicherheitsdienst, der Secret Service hat jetzt gesagt, solche Mitschnitte gibt es nicht. Ist das damit vom Tisch?
    Kornblum: Ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht nicht. Da kommen wir wieder auf den Punkt: Die Persönlichkeit des Präsidenten. Der Präsident ist in New York City aufgewachsen, in der Immobilienbranche, wo man wirklich mit harten Bandagen kämpft. Und solche Bedrohungen zu machen, jemanden irgendwie einzuschüchtern und zu sagen, du musst aufpassen, vielleicht habe ich einen Mitschnitt von diesem Gespräch, ist eher eine normale Taktik, die ein Mensch wie Trump benutzt. Ich persönlich, wenn Sie mich direkt fragen, glaube nicht, dass es Mitschnitte gibt. Aber interessant ist nur, wie er auch solche möglichen Entwicklungen benutzt, um Menschen einzuschüchtern.
    "Nur ein Schritt in einem Prozess"
    Zerback: Unterm Strich – was von diesen ganzen Vorwürfen, die aktuell ja auch gegen ihn, gegen seine Wahlkampfmannschaft im Raum steht, was davon könnte ihm denn tatsächlich politisch das Genick brechen? Oder ist es da die schiere Masse auch der Skandale und Vorwürfe?
    Kornblum: Wie gesagt, das hier ist nur ein Schritt in einem Prozess, der bestimmt noch mehrere Schritte haben wird. Es hat auch diese Woche Meinungen, Gerüchte gegeben, dass der Präsident schon unzufrieden war mit Robert Mueller, dem Sonderbeauftragten für die Sache. Dann wurde sehr schnell gesagt, nein, er ist nicht unzufrieden, er wird ihn nicht entlassen. Wir müssen sehen, das ist auch gutes Fernsehen sozusagen, wir werden das über die nächsten Monate sehen. Vielleicht kommt irgendwas raus, vielleicht nicht. Der Prüfstein, der immer benutzt wird, geht doch zurück zu Watergate mit Nixon. Was hat der Präsident gewusst, und wann hat er es gewusst? Dass einige Wahlkampfmitarbeiter vielleicht mit Russen gesprochen haben, das ist nicht kriminell. Wenn da aber eine Taktik war, von der der Präsident voll informiert wurde, und dass er sogar für das vielleicht korrigiert hatte, das ist dann natürlich eine sehr große Sache, und das könnte den Präsidenten tatsächlich zu Fall bringen.
    Zerback: Sagt der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen!
    Kornblum: Ich bedanke mich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.