Dienstag, 19. März 2024

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Arslan: Innenministerium sollte Leitung der Islamkonferenz abgeben

Bülent Arslan vom Deutsch-Türkischen Forum der CDU in Nordrhein-Westfalen wirft dem Innenministerium mangelnde integrative Erfolge im Rahmen der Islamkonferenz vor. Es habe nicht geschafft, die Menschen zusammenzubringen und Ängste abzubauen, sagt Arslan - und fordert, die Leitung an die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer zu übertragen.

Das Gespräch führte Peter Kapern | 19.04.2012
    Peter Kapern: Es gibt an der Integration der hier geborenen oder der nach Deutschland eingewanderten Muslime Vieles zu verbessern. Dies in Angriff zu nehmen, das soll die Aufgabe der Islamkonferenz sein, die Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen hat, als er noch Bundesinnenminister war. Diese Islamkonferenz tagt derzeit in Berlin ein weiteres Mal und wieder einmal wird von den eingeladenen Muslimen eine Art Treueschwur zum Deutschsein gefordert, quasi als Eintrittsbillet zu den Beratungen. Sie sollen sich demonstrativ von jener kleinen radikalen Minderheit der Salafisten distanzieren, die mit ihrer "Koran umsonst"-Aktion in deutschen Fußgängerzonen den Puls der überzeugten Abendländler in die Höhe getrieben haben. So forderte es vor der Konferenz zum Beispiel Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann.

    O-Ton Uwe Schünemann: "Wir haben es ja erlebt, nicht jeder Salafist ist ein Terrorist. Aber all diejenigen, die terroristisch in Aktion getreten sind, kommen aus dem salafistischen Umfeld, und insofern muss man auf jeden Fall hier Aufklärung betreiben. Ich will kein Verbot oder so etwas diskutieren, sondern ich will, dass die Muslimenverbände sich an die Spitze der Bewegung stellen, dass sie in ihren Moscheen auch gerade junge Menschen davor bewahren, dass sie in diese extremistischen Gruppierungen abdriften."

    Kapern: Uwe Schünemann, der Innenminister von Niedersachsen, heute Früh im Deutschlandfunk. – Mitgehört hat Bülent Arslan, der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU Nordrhein-Westfalens. Guten Tag, Herr Arslan.

    Bülent Arslan: Guten Tag, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Arslan, aus Ihrer Partei kommt pünktlich zur Islamkonferenz mal wieder eine neue Wegweisung: Der Islam gehört jetzt doch nicht zu Deutschland. Das hat der Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, in einem Interview der "Passauer Neuen Presse" gesagt. Was sagen Sie dazu?

    Arslan: Also ich halte nichts von solchen spitzfindigen Aussagen. Früher war der Satz, "Ist Deutschland ein Einwanderungsland oder kein Einwanderungsland?", so ein ideologisch besetzter Satz und leider entwickelt sich jetzt die Frage, ist der Islam Teil Deutschlands, auch in diese Richtung. Fakt ist: Es leben Muslime hier. Damit ist der Islam in Deutschland. Auch wenn es so schwer ist, das zu akzeptieren: Die Zukunft Deutschlands sieht so aus, dass der Islam hier dauerhaft einen Bestand haben wird.

    Kapern: Nun sagt aber der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, kein Teil Deutschlands ist, weil er nicht Teil unserer Tradition und unserer Identität sei. Ist das ein vergangenheitsorientiertes Deutschlandbild, das er da pflegt, oder was lesen Sie aus diesen Worten heraus?

    Arslan: Nein. Es ist ja richtig, sich natürlich mit der Tradition Deutschlands zu befassen, und da hat der Islam weitgehend keinen Platz gehabt. Dieser Teil der Aussage ist richtig. Nur wenn wir in die Zukunft schauen, wird er einen Platz haben, und deswegen muss man bei solchen Sätzen immer auch die Wirkung mit berücksichtigen. Und die Wirkung dieses Satzes ist einfach eine ausgrenzende und das führt einfach dazu, dass die Angst zwischen Muslimen und Christen in Deutschland weiter steigt, und ich halte gerade die Islamkonferenz, habe sie immer für eine entscheidende Möglichkeit gehalten, diese Angst zu überwinden, und mit solchen Sätzen geschieht genau das Gegenteil.

    Kapern: Warum sagt Volker Kauder so etwas?

    Arslan: Er sagt das natürlich, weil er weiß, dass in der Bevölkerung ein Großteil der Menschen eben diese Angst hat, und ich habe da auch Verständnis dafür, dass Menschen, die ihre Heimat anders in Erinnerung haben, Menschen, die aus irgendwelchen Gründen Angst vor dem Islam haben, dass man diese Ängste ernst nehmen muss. Es bringt überhaupt nichts, das wegzuwischen.

    Kapern: Muss man sie dann auch bestärken in dieser Angst und ihnen recht geben mit einer Angst?

    Arslan: Das ist, glaube ich, das Entscheidende und da haben gerade Spitzenpolitiker eine große Verantwortung. Sie sollten diese Angst ernst nehmen, aber sie sollten Wege finden, die Menschen zu überzeugen, dass diese Angst unberechtigt ist, und das passiert eben nicht, wenn man ständig über diesen Satz diskutiert.

    Kapern: Jetzt haben wir aber noch nicht geklärt, warum Volker Kauder so was wohl derzeit sagt.

    Arslan: Nein, noch mal! Der Hintergrund ist einfach, weil er weiß, dass in der Bevölkerung diese Ängste vorhanden sind, und als Politiker muss man diese Ängste aufgreifen. Ich würde das auch nicht als einfachen Populismus bezeichnen. Aber er muss einfach wissen, wenn er diese Angst aufgreift, was für Wirkungen er insbesondere in der muslimischen Bevölkerung entstehen lässt, und diese Wirkung ist einfach, dass die Menschen das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, dass dieses Gefühl verstärkt wird.

    Kapern: Herr Arslan, nun steht Deutschland ja vor wichtigen Landtagswahlen, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein, und bis zur nächsten Bundestagswahl ist es auch nicht mehr so furchtbar weit. Gibt es in Ihrer Partei möglicherweise so was wie eine wahlkampfbedingte Xenophobie?

    Arslan: Nein, das gibt es nicht, und spätestens seit der Hessen-Wahl von vor einigen Jahren wissen wir, dass derartige Initiativen auch beim Wähler überhaupt nicht ankommen, sondern im Gegenteil: Die Wähler suchen gerade in der jetzigen Zeit in einer pluralen Gesellschaft Politiker, die die Kraft haben, die Gesellschaft zusammenzuführen. Und deswegen glaube ich nicht, dass da irgendwelche wahltaktischen Hintergründe eine Rolle spielen, und wenn ja, werden sie überhaupt nichts bringen. Wir müssen eher die Strategie wählen, dass wir Menschen zusammenführen und insbesondere bei dem Wählerkreis der Menschen mit Migrationshintergrund stärker punkten. Gerade da haben wir einen Aufholbedarf als Union.

    Kapern: Das kann aber so schlecht gelingen.

    Arslan: Nein. Sie müssen ja auf der anderen Seite sehen, was wir auf der anderen Seite tun. Die Islamkonferenz, über die wir reden, die ist ja eine Initiative der CDU, und deswegen sollten wir versuchen, eher mit diesen Überlegungen zu punkten. Oder nehmen Sie den Integrationsgipfel, den Nationalen Integrationsplan. Das sind ja alles Initiativen von Angela Merkel und ihrer Bundesregierung und das müssen wir auch stärker vermarkten, um dafür zu sorgen, dass mehr Menschen mit Migrationswurzeln auch die CDU wählen.

    Kapern: Nun gibt es ja im Rahmen der Islamkonferenz auch durchaus Unmut unter den muslimischen Teilnehmern, denen immer wieder abverlangt wird, sich zu distanzieren von Gewalt, von Extremisten, von kleinsten radikalen Minderheiten. Können Sie diesen Unmut nachvollziehen?

    Arslan: Wissen Sie, die Islamkonferenz hat an erster Stelle die Funktion, die Menschen zusammenzuführen, die Angst zu überwinden und auch emotionale Wirkungen zu entfalten, und das hat sie nicht geschafft und ich glaube, sie hat es nicht geschafft, weil diese Konferenz insbesondere dem Innenministerium zugeordnet ist. Deswegen meine ich, sollte man mal überlegen, ob man nicht sagt, wir nehmen das jetzt raus aus dem Innenministerium und die Leitung der Islamkonferenz übergeben wir dem Bundeskanzleramt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die zuständige Staatsministerin, Frau Böhmer, eine ganz andere Dialogkraft auch in Richtung muslimischer Verbände hätte.

    Kapern: Hat die Islamkonferenz bisher überhaupt irgendetwas Positives bewirkt?

    Arslan: Sie hat insbesondere bewirkt, dass wir uns als Gesellschaft mit diesen Themen stärker befassen. Aber sie hat eben nicht bewirkt, dass diese Kluft zwischen den Religionsgemeinschaften überwunden wurde, sondern im Gegenteil: Teilweise ist wahrscheinlich die Polarisierung verstärkt worden. Und das kann aus meiner Sicht nur überwunden werden, wenn die Leitung der Konferenz anders organisiert wird. Es ist ja völlig klar, wenn das Innenministerium sich mit diesem Thema befasst, dass ein sehr starker sicherheitspolitischer Aspekt da eine Rolle spielt, und das muss man aus meiner Sicht ändern.

    Kapern: Bülent Arslan war das, der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der NRW-CDU. Herr Arslan, danke, dass Sie sich heute Mittag Zeit für uns genommen haben.

    Arslan: Danka auch.

    Kapern: Auf Wiederhören!

    Arslan: Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) stellte am Donnerstag (12.01.2012) den zweiten Bericht "Integration in Deutschland" der Bundesregierung vor,
    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)