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"Auch Ägypten ist ja gegen Hamas"

Nach Einschätzung des EU-Außenpolitikers Elmar Brok spielt Ägypten eine Schlüsselrolle für einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen. Entscheidendes Kriegsziel Israels sei es, den Waffenschmuggel durch Tunnel an der Grenze zwischen Ägypten und Gaza zu unterbinden. Wichtig sei es deshalb, mit Ägypten entsprechende Kontrollen zu vereinbaren, sagte der CDU-Politiker, der sich zurzeit in Israel befindet.

Elmar Brok im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Papier ist bekanntlich geduldig, auch das Papier, auf dem UNO-Resolutionen gedruckt werden. Ob und wann sie nach ihrer Verabschiedung umgesetzt werden, ist manchmal ungewiss - auch im aktuellen Fall, in dem der Sicherheitsrat der UNO Israel dazu aufgefordert hat, sich aus dem Gaza-Streifen zurückzuziehen. Allerdings - vielleicht ist es bereits ein Erfolg, dass sich der Sicherheitsrat nach langen, zähen Beratungen überhaupt auf eine Resolution hat verständigen können.

    Ungeachtet dieser UNO-Resolution will Israel die Militärinitiative, die Offensive im Gaza-Streifen fortsetzen. So wurde am Mittag bekannt. Auch Deutschland will vermitteln im Konflikt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat angekündigt, er werde sich in der Region für einen dauerhaften Waffenstillstand einsetzen. In Jerusalem erreichen wir jetzt den EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU), der zu Gesprächen dort hingereist ist. Guten Tag, Herr Brok!

    Elmar Brok: Guten Tag!

    Schütte: Herr Brok, mit wem haben Sie heute Vormittag aus der israelischen Regierung sprechen können?

    Brok: Heute haben wir mit Experten gesprochen. Gestern haben wir mit Staatspräsident Peres und Kabinettsmitgliedern, Mitgliedern des Sicherheitskabinetts gesprochen. Jetzt komme ich gerade aus der Westbank, wo ich ein Gespräch mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Fayad geführt habe.

    Schütte: Eine Einigung im israelischen Kabinett ist ja da. Das haben wir gerade gehört. Trotzdem hat es zuvor offensichtlich Unstimmigkeiten in der israelischen Regierung gegeben. Was haben Sie mitbekommen von dieser Gemengelage?

    Brok: Nun, es ist ja eine schwierige Situation, weil militärische Erfolge nur möglich sind aufgrund der Verhaltensmuster der Hamas, die sich hinter Zivilisten verstecken, dass die es auch mit Opfern von Zivilisten zu tun haben, und das ist natürlich politisch eine schwere Situation, gerade in der Außendarstellung für Israel. Deswegen ist, glaube ich, auch Israel daran interessiert, dass es schnell einen Waffenstillstand bekommt, aber dieser Waffenstillstand hat die Bedingung, dass das entscheidende Kriegsziel erreicht wird, nämlich dass die notwendige Kontrolle an der Grenze zwischen Ägypten und Gaza erfolgt, dass nicht über Tunnel weiterer Waffenschmuggel stattfindet. Aus diesem Grunde ist eine klare Positionierung Ägyptens, diese Kontrollen durchzuführen, möglicherweise mit internationaler Unterstützung, von entscheidender Bedeutung für Israel.

    Schütte: Israel setzt also erst einmal die Offensive fort, ungeachtet der Resolution, die es ja im Sicherheitsrat gegeben hat. Welchen Eindruck hat diese Resolution in Israel hinterlassen?

    Brok: Israel sagt, ohne dass entscheidende Bedingungen, nämlich dass keine Raketen mehr nach Gaza rein kommen, die auf israelische Städte geschossen werden, können wir dieses aus vielen Gründen der Sicherheit nicht machen. Ich war selbst in Sderot, der Ort, der am meisten mit zu leiden hat, wo eine ganze Stadt im Luftschutzkeller sitzt. Ich habe selbst den Einschlag einer Rakete miterlebt, so dass man das auch aus innenpolitischen Gründen durchaus verstehen kann. Deswegen ist es, glaube ich, notwendig, dass jetzt aller internationaler Druck entsteht, die Europäische Union, die Amerikaner und andere mit Ägypten übereinkommen, dass hier die Kontrollen erfolgen, so dass dann sehr, sehr schnell über das Wochenende oder Anfang der kommenden Woche der Waffenstillstand zu Stande kommt.

    Schütte: Ägypten, das ist sozusagen die eine Seite. Welche Rolle spielt zum anderen der Palästinenser-Präsident Abbas in den Überlegungen der israelischen Regierung?

    Brok: Sie wissen, dass sie eine dauerhafte friedliche Lösung nur mit ihm erreichen können, weil er für eine Zwei-Staaten-Regelung ist und die Existenzrechte des Staates Israel anerkennt, was bei Hamas nicht der Fall ist. Deswegen wird ihnen zunehmend bewusst, dass sie auch eine Lösung finden müssen, die Abbas mit einbezieht. Denn wenn [der Eindruck] entsteht bei jungen Palästinensern, dass die Hamas die glorreichen Kämpfer sind und dass auf der anderen Seite Abbas in keiner Weise involviert ist, dann haben wir ein Riesenproblem der Glaubwürdigkeit der gemäßigten Palästinenser, und aus diesem Grunde hoffe ich, dass Abbas eine Rolle spielt, um dieses nicht entstehen zu lassen.

    Schütte: Herr Brok, Sie haben eben davon gesprochen, dass es möglicherweise schon Bewegung geben wird, dass vielleicht am Wochenende, Anfang kommender Woche ein dauerhafter Waffenstillstand eintreten könnte. Sind das realistische Aussichten?

    Brok: Wenn ich die Interessenlagen aller Seiten sehe, ja. Vielleicht hat am wenigsten Interesse die Hamas daran, aber auch Ägypten ist ja gegen Hamas, diese sehr stark von Iran kontrollierte Organisation, auch wegen der Muslim-Bruderschaften, die innerhalb Ägyptens große Probleme bringen. Deswegen ist eigentlich ein Stück Interessenidentität auch vorhanden, um auf diese Art und Weise den Waffenstillstand zu beseitigen, und ich hoffe, dass das ausreicht und dass die Probleme, die dann noch bestehen, auch die Probleme, die mit Souveränität und Stolz zu tun haben, überwunden werden können. Es hat technische Gespräche zwischen Israel und Ägypten bereits in Kairo in den letzten Tagen gegeben. Es gibt Kontakte zur Hamas hin, die natürlich inoffiziell dabei eine Rolle spielen, und ich hoffe, dass auf dieser Grundlage das schnell zu Stande kommt, denn die jetzige Kriegsführung wird immer schwieriger und wird immer zunehmend auch Zivilpersonen mit einbeziehen, und das möchte eigentlich jeder verhindern.

    Schütte: Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok von der CDU macht sich derzeit in der Region ein Bild von der Situation. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Brok: Ich danke auch. Auf Wiederhören!