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Automatisierung im Cockpit
"Am Ende muss der Mensch die Situation lösen"

"Das Fliegen ist sicherer geworden" lautet eine Aussage einer Studie, die ein Versicherungskonzern vor wenigen Monaten veröffentlicht hat. Zwei Todesfälle kämen auf 100 Millionen Flugpassagiere, so das Ergebnis. Doch es gibt auch neue Risiken: Cyberattacken, immer mehr Drohnen - und der zunehmende Einsatz von Automatisierungstechniken.

Von Johannes Kulms |
    Zwei Piloten arbeiten am 05.06.2014 auf dem Flughafen in Hamburg im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A380.
    Die Technik im Cockpit nimmt immer weiter zu. (dpa / picture-alliance / Daniel Reinhardt)
    Rund 70 Prozent aller tödlichen Unfälle in der Passagier-Luftfahrt seien auf menschliches Versagen zurückzuführen. Dabei würde die Müdigkeit von Piloten eine wichtige Rolle spielen, heißt es in einer Studie der Allianz, die Anfang Dezember veröffentlicht wurde.
    Das automatisierte Cockpit habe die Sicherheit im Flugverkehr verbessert. Doch berge genau dies auch eine Gefahr: Nämlich die, dass sich die Piloten zu sehr auf die Automatisierungstechnik verließen, warnt der Versicherungskonzern.
    Für die Luftfahrtbranche sei dies keine neue Erkenntnis, sagt Elmar Giemulla. Er ist Professor für Luftverkehrsrecht an der Technischen Universität Berlin. Auch der technologische Fortschritt könne nicht ausschließen, dass es während eines Flugs zu Probleme kommen könne – und der Mensch am Ende die Situation lösen müsse.
    Piloten auf lebensbedrohliche Situation schulen
    "Und da ist es zum Teil so, dass den beiden Menschen im Cockpit, den Piloten, derart wenig Raum gelassen wird, zwischen dem Versagen der Technik und dem Unfall. Dass sie in der Situation, in der sie stecken, dann auch in Panik geraten, lebensbedrohliche Situation, erst mal sich zwingen müssen, rationell zu denken und zu analysieren und die richtigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen."
    Die Allianz fordert in ihrer Studie Änderungen bei den Pilotentrainings. Diese müssten mehr auf das Problem der Passivität eingehen, dass Piloten bei zu viel Automatisierung im Cockpit drohe.
    Ähnlich sieht es auch die Pilotenvereinigung Cockpit. Der Kontrollverlust im Flug – der loss of control – werde inzwischen überproportional oft als Unfallursache identifiziert. Dies sei ein Indiz für nicht ausreichendes Training der involvierten Piloten, heißt es auf der Homepage von Cockpit.
    Luftverkehrsrechtler Elmar Giemulla sagt, dass die Pilotenausbildung auf der Schnittstelle zur Technik ständig weiterverfeinert werden müsse:
    "Hier gibt es keine Nulllinie, die einfach so ist und einfach so bleibt, sondern mit dem Fortschreiten der Technik, mit dem Verändern der Technik, mit der Perfektionierung der Technik muss natürlich jeweils der Mensch angepasst werden mit seinem Wissen, mit seinem Können. Das heißt, hier müssen ständig immer sich weiterentwickelnde, parallel zur Technik sich weiterentwickelnde Schulungs- und Trainingsmaßnahmen durchgeführt werden."
    "Es gibt keine Zukunft ohne Opfer"
    "Je komplexer das Flugzeug, desto mehr Training brauchen die Piloten" – diese Erkenntnis hat sich auch bei der Lufthansa durchgesetzt. Schon länger habe man beim Training aufgestockt, heißt es aus Konzernkreisen. Und diesen Handlungsbedarf hätten alle wichtigen Airlines erkannt - nun werde gegengesteuert.
    Luftfahrtexperte Giemulla glaubt: Bald in der Zukunft werde es überhaupt keine Menschen mehr in den Cockpits gebe, die ein ziviles Flugzeug steuerten. Dadurch würde die Luftfahrt auch sicherer.
    "Trotzdem ist völlig sicher: Auch diese Technik wird versagen und es wird keine Zukunft ohne Opfer sein."