Freitag, 29. März 2024

Archiv


Bankenproblem und zu hohe Staatsausgaben

Zypern habe zwei große Probleme, sagt Hubert Faustmann, Dozent an der Universität Nikosia. Der Schuldenschnitt für Griechenland habe die zypriotischen Banken hart getroffen, da diese dort massiv investiert hatten. Hinzu kämen zu hohe Staatsausgaben durch einen aufgeblähten Beamtenapparat.

Hubert Faustmann im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 22.12.2012
    Jürgen Zurheide: Zypern braucht Hilfe, 17,5 Milliarden Euro. Als Gesamtbetrag bei der Euro-Rettung ist es sicherlich verschmerzbar, wenn man sich allerdings die Relationen klarmacht, dann heißt es: Genau so hoch wie die Wirtschaftsleistung in Zypern in einem Jahr, so viel Geld will dieses Land haben. Und da gibt es eine Menge kritischer Nachfragen. Zunächst einmal: In welcher Lage ist Zypern beziehungsweise braucht man das viele Geld?
    Wir wollen jetzt nachfragen: Wie steht es eigentlich um Zypern? Und dieses Gespräch wollen wir führen mit Hubert Faustmann, er ist Dozent für Internationale Beziehungen an der University of Nicosia und arbeitet für die Friedrich-Ebert-Stiftung in dem Land. Zunächst einmal einen schönen guten Morgen, Herr Faustmann!

    Hubert Faustmann: Ja, schönen guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Faustmann, zunächst einmal: Warum ist Zypern eigentlich in einer so schwierigen Lage? Hier heißt es immer, die haben zu viele griechische Papiere gekauft. Reicht das als Erklärung?

    Faustmann: Das ist ein bisschen zu einfach. Es ist schon ... Die Hauptursache dafür, dass es jetzt Zypern so schlecht geht, ist der Umstand, dass die zypriotischen Banken ganz massiv in Griechenland investiert hatten und dann von diesem Schuldenschnitt in Griechenland voll erwischt wurden. Da ist auch der größte Batzen des Geldbedarfs, etwa 10 oder 17 Milliarden Euro, die Zypern benötigt, werden gebraucht, um da die zypriotischen Banken vor dem Absturz zu retten. Aber es gibt noch ein zweites Problem, und das ist das der überbordenden Staatsausgaben, die es auch auf Zypern gab. Also, ein aufgeblähter Beamtenapparat und Staatsausgaben, die sich mit den Einnahmen nur sehr bedingt in Deckung bringen lassen. Also, Zypern hat zwei Probleme, aber das Bankenproblem hat das zweite Problem noch mal deutlich verschärft.

    Zurheide: Und wenn wir über die Banken reden, das ist das andere, ich habe es vorhin angesprochen, dann heißt es immer, na ja, der Bankensektor insgesamt ist auch zu groß für die Volkswirtschaft. Wie groß ist er denn?

    Faustmann: Es gibt Schätzungen, dass die ganzen Finanzdienstleistungen, nicht nur der Bankensektor, bis zu 60 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen. Die Zahl würde ich jetzt nicht unbedingt verbürgen, aber es ist eine Rieseneinnahmequelle für diese Insel. Das war ein Segen, solange es gut ging, und ist dann ein Fluch, wenn es, wie es jetzt gerade passiert, eben schief läuft.

    Zurheide: Und nur um auf einen anderen Wirtschaftszweig einzugehen, der Tourismus, das ist das, was wir auch wissen. Wie bedeutend ist der im Lande?

    Faustmann: Das ist der zweitgrößte Wirtschaftszweig nach den Finanzdienstleistungen. Also, das sind die zwei Säulen. Und dann gibt es noch kleinere Geschichten, die eben ... die Bildungsinstitute, die Investitionen bringen. Aber was Zypern nicht mehr hat oder so gut wie nicht hat, ist produzierendes Gewerbe. Es gibt noch die Landwirtschaft, die eine gewisse Rolle spielt.

    Zurheide: Kommen wir dann noch mal auf den Bankensektor zurück, da gibt es eine BND-Studie, die bisher nicht veröffentlicht ist, aber soweit wir das wissen, heißt es da, wird besonders gewarnt auch vor dem Einfluss der russischen Mafia. Einige Oligarchen sollen ihr Geld hingebracht haben, mehr als die Wirtschaftsleistung, rund 20 Milliarden Euro sollen das sein. Ist das spürbar, ist das realistisch aus Ihrer Sicht?

    Faustmann: Realistisch ist es schon. Also, der russische Einfluss auf Zypern ist sehr deutlich spürbar, vor allen Dingen wenn Sie nach Limassol gehen, das ist eine zypriotische Hafenstadt, da gibt es eine große russische Gemeinde und die Russen haben Zypern auch als Touristenzielort entdeckt, das sind mittlerweile die zweitgrößte Touristengruppe, die haben da eine eigene, ja, eigene Kultur entwickelt und es leben mittlerweile sehr viele auf Zypern. Also, der Einfluss russischen Geldes auf Zypern ist sehr groß. Das ist nicht alles Mafia, viele nutzen Zypern einfach als Steueroase, weil sie eben zehn Prozent Körperschaftssteuern haben, aber das ist schon ein ganz erklecklicher Wirtschaftsfaktor.

    Zurheide: Und die Russen, die dort sich ansiedeln zum Teil, nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch die zypriotische Staatsangehörigkeit haben, die haben dann Bewegungsfreiheit in der Europäischen Union. Das stört den einen oder anderen, sind das wirklich viele oder sind das einige Ausnahmefälle aus Ihrer Sicht?

    Faustmann: Ich denke, das sind Ausnahmefälle. Also, das sind keine großen Zahlen, aber wer natürlich mit dem entsprechenden Geld nach Zypern reinkommt, wird es nicht allzu schwer haben, dann über kurz oder lang auch eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. Aber da reden wir über die ganz Reichen!

    Zurheide: Wenn wir jetzt über eine Strategie nachdenken, wie denn Zypern auf die Beine kommen kann, da wird ja auf der einen Seite dann verlangt, dass gerade dieser Bankeneinfluss begrenzt wird, dass auch die möglichen Mafia-Kontakte begrenzt werden. Für wie realistisch halten Sie, dass die Zyprioten das voranbringen, bevor dann überhaupt diese Hilfsgelder fließen können?

    Faustmann: Das ist ein bisschen schwieriger, weil dieser Bankensektor eigentlich, gerade was die Bank of Cyprus, das ist die größte Bank auf Zypern, anbelangt, eigentlich sehr, sehr gesund ist. Also, wenn es diesen griechischen Schuldenschnitt nicht gegeben hätte, ging es den Banken wohl relativ gut. Das heißt, das könnte auch für die Zukunft Zyperns immer noch und sollte auch ein wichtiger Einnahmezweig bleiben, weil die auch viel – allerdings in Osteuropa und vor allen Dingen in der Ukraine, in Russland – investiert haben, dort aber sehr, sehr gute Geschäfte machen, mit all den Problemen, die damit verbunden sind.

    Das Zweite ist, wie gesagt: Russisches Geld ist nicht nur Mafiageld, das sollte man nicht verkürzen und verknappen. Das sind auch erfolgreiche Unternehmer, die da investieren, wobei man natürlich, wenn man über Russland spricht, schon einen relativ großen Prozentsatz dubioser reicher Zeitgenossen hat, aber das ist ein bisschen zu einfach.

    Es ist schon so, dass Zypern ein Dienstleistungszentrum sein muss, um überleben zu können. Die Insel ist zu klein, das ist mit 900.000 eigentlich eine mittelgroße Stadt, um produzieren zu können als Insel, also, als Produktionsstandort fällt es aus. Das wird immer, die Insel wird sich immer über Dienstleistungen finanzieren müssen. Ob da der Finanzsektor zu groß geworden ist, darüber kann man gut diskutieren. Wie gesagt, solange es gut ging, war die Bank of Cyprus ein Segen, und nach den Wirtschaftsfachleuten, mit denen ich gesprochen habe: Wenn diese Bank eben nicht untergeht, steht die durchaus auf nicht ungesunden Füßen, wenn diese Finanzkrise mal um ist. Aber umgekehrt gilt natürlich auch, dass die Banken, die mehr Geld umsetzen als das Bruttosozialprodukt eines Landes, einfach keine sehr gesunde Grundstruktur darstellen.

    Zurheide: Und die möglichen Auflagen, die dann von der Europäischen Union, respektive vom Internationalen Währungsfonds gemacht werden, erkennt man an, dass man da was ändern muss an den Strukturen, müsste?

    Faustmann: Also, es wird innenpolitisch sehr stark an Strukturen geändert, an dem, was auf Zypern falsch gelaufen ist, der aufgeblähte Beamtenapparat, die Gehälter werden massiv heruntergefahren. Inwieweit im Finanzsektor radikale Reformen durchführen werden, das ist noch unklar. Bis jetzt hat sich da wenig getan, einfach auch, weil es für Zypern so wichtig ist, Steueroase zu sein. Und die Insel weiß, dass sie ohne diese Einnahmen untergehen wird. Da haben wir einfach ein Grundproblem, dass man sich die Frage stellen muss, die sich auch bei Irland gestellt hat, inwieweit man Zypern in begrenztem Maß mit diesen Einnahmen leben lässt und sie gleichzeitig dazu zwingt, trotzdem etwas unattraktiver als Finanzstandort zu werden. Oder ob man – und das ist die große Gefahr – an Zypern ein Exempel statuiert und die Insel untergehen lässt.

    Zurheide: Jetzt haben wir über die Teilung noch gar nicht gesprochen, sie behindert natürlich diese Entwicklung. Oder sagen Sie, es ist eigentlich kein Hauptfaktor mehr, oder ist es politisch eher behindernd?

    Faustmann: Also, mit der Wirtschafts- und Finanzkrise hat es jetzt wenig zu tun. Es ist natürlich schon so, dass auch eine Wiedervereinigung die Insel und vor allen Dingen den reicheren Süden teuer zu stehen käme. Also, das ... Eine Wiedervereinigung zum jetzigen Zeitpunkt wäre quasi schon deswegen ungünstig, weil dann noch weitere Unkosten auf die Insel zukommen, die sie nicht stemmen kann. Aber dieses politische Problem läuft, was jetzt die Wirtschafts- und Finanzkrise anbelangt, sehr, sehr im Hintergrund ab. Es gibt natürlich eine Überschneidung, weil, was man bei Zypern mit diskutieren sollte, ist, dass dieses Schuldnerland eine wirtschaftliche Perspektive hat, weil es große Gasvorkommen vor der Küste Zyperns gibt, die in sechs bis acht Jahren, wenn alles gut geht, wirklich große Summen einbringen werden und damit Zypern zu einem Schuldnerland machen, das seine Schulden irgendwann auch mal zurückzahlen wird.

    Zurheide: Wie realistisch ist diese Perspektive? Da hätte ich genau nach gefragt, diese Vorkommen, die da sind: Ist das ein Hoffnungswert oder sagen Sie, das ist schon mehr als das, man muss – in Anführungsstrichen – nur die Zeit dieser sechs bis acht Jahre überwinden, die Sie gerade angesprochen haben?

    Faustmann: Also, die Antwort ist irgendwo dazwischen. Es sind große Funde bei Probebohrungen gemacht worden, man weiß, dass da sehr, sehr viel draußen ist. Es wird jetzt im nächsten Jahr noch weitere Probebohrungen geben, weil bis jetzt nur in einem der, ich glaube, 14 oder 15 Blöcke Probebohrungen gemacht wurden, eben mit großen Funden. Aber jeder weiß, dass auch in der ganzen Region riesige Vorkommen vermutet werden und wohl auch da sind. Also, man kann realistisch davon ausgehen, dass da große Milliardeneinnahmen Zypern bevorstehen, vorausgesetzt, es lässt sich wirtschaftlich ausbeuten. Da steht noch ein Fragezeichen hinten dran, und da überlagert sich es mit dem Zypern-Problem, weil die Zyprioten wahrscheinlich für eine Verflüssigungsanlage optieren werden. Und wenn man Gas verflüssigt, wird es teuer und es kann beim Export schwieriger werden. Ideal wäre es, über eine Pipeline über die Türkei die Europäische Union mit billigem und verlässlichem Gas zu versorgen, das wäre das Attraktive für die Europäische Union. Aber das ist ohne eine Lösung des Zypernproblems nicht möglich.

    Zurheide: Genau, und dann müssen beide Seiten des Landes, müssten zusammenarbeiten. Und dann kommen die Türken ins Spiel. Sehen Sie da eine Perspektive oder könnte das möglicherweise der Katalysator sein, um dann die politischen Probleme zu lösen?

    Faustmann: Das ist, was man hofft! Aber leider ist derzeit weder auf türkischer, noch auf türkisch-zypriotischer Seite, noch auf griechisch-zypriotischer Seite das Interesse sehr groß gewesen. Das wird sich jetzt in den nächsten Jahren dramatisch ändern. Bis jetzt ist es eher ein Konfliktpunkt, weil sich die drei Seiten – die Türkei hängt da ganz tief mit drin – eben nicht einigen können momentan. Aber der Druck liegt auf der griechisch-zypriotischen Seite da auch sehr stark, was zu tun. Wenn es dann noch gelingt, die Türken und die türkischen Zyprioten mit ins Boot zu bekommen und auch bei denen mehr Lösungsbereitschaft auszulösen, dann könnte das der Königsweg sein, der dieses ganze Problem auflösen kann, vorausgesetzt, die Gläubiger haben sechs bis acht Jahre Zeit.

    Zurheide: Danke schön! Das war Hubert Faustmann von der University of Nicosia, das Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.