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Bayern
Warum die CSU-Basis nichts mehr stoppt

CSU-Chef Seehofer und Kanzlerin Merkel sind gegenwärtig ein Partei-Paar in einer tiefen Krise. Der eine attackierte die andere, die sich nichts anmerken lässt. Und was sagt die CSU-Basis in Bayern? Merkel-Plakate sind hier Ladenhüter für die Wahl 2017.

    Die Spitzen der Koalition geben am 14.4.2016 im Kanzleramt Auskunft über die Ergebnisse des Gipfels aus der Nacht.
    Merkel und CSU-Chef Seehofer stehen gegenwärtig sehr weit auseinander. (afp)
    Mittagsläuten in Bilderbuch-Bayern. Das Dörfchen Krün am Alpenrand war beim G7-Gipfel vor genau einem Jahr Weißwurscht-Gastgeber von Obama und Merkel. Zwischen den beiden Weltenlenkern saß, mit Gamsbart und Lederhosen, CSU-Bürgermeister Thomas Schwarzenberger.
    "Ja, natürlich wird man drauf angesprochen. Viele Stammgäste, Urlaubsgäste, die nach Krün kommen, sagen: ‚'Wir haben Sie im Fernsehen gesehen, Herr Bürgermeister!' "
    Darauf ist Schwarzenberger sichtlich stolz. Aber wer ihn auf die Kanzlerin anspricht, die Obama erst nach Krün gebracht hat, der erlebt einen grimmigen Bürgermeister. Von Willkommenskultur für Angela Merkel keine Spur mehr.
    "Der Empfang heute, 2016, wäre nicht so freundlich, als er damals im Juni 2015 war. Ich würde ihr sagen, dass wir die Botschaft hätten aussenden müssen, dass wir nicht unendlich aufnehmen können. Das hat die Frau Merkel bis jetzt leider nicht deutlich genug gemacht."
    Starke Ablehnung gegen die Kanzlerin
    Und sollte sie das bis zur Bundestagswahl 2017 nicht tun, fürchtet Schwarzenberger, wird in der Krüner CSU kaum jemand sein Kreuz für Merkel machen. Anderswo reagiert die christsoziale Basis noch emotionaler. Im oberfränkischen Hof etwa hört der örtliche CSU-Landtagsabgeordnete Alexander König wenig charmante Sätze über die CDU-Chefin.
    "Also schon mehr als ein Parteifreund hat zu mir gesagt: Mit Merkel-Plakaten brauchst Du mir zur Wahl überhaupt nicht zu kommen. Das sitzt sehr tief bei den Leuten – eine Grundhaltung, die sagt: Wir sind nicht mehr bereit, für die Kanzlerin Plakate zu kleben oder Wahlkampf zu machen."

    Dabei war die Kanzlerin bei der bayerischen Unionsschwester immer besonders beliebt – wie ein guter, wenn auch entfernter Verwandter in Berlin. Jetzt sei bei vielen CSUlern der Eindruck entstanden, sagt König, man habe Merkel gar nicht richtig gekannt.
    "Und dabei geht’s keineswegs nur um das Flüchtlingsthema. Die Menschen haben auch ein Gespür dafür, dass jeder Cent, der nach Griechenland überwiesen wurde, nicht zurückkommt. Sie bewegt vor allem das Thema Geld: Sie spüren, dass mit ihrem Geld etwas passiert – und sie machen auch dafür Frau Merkel verantwortlich."
    In München, im steinernen Saal des bayerischen Landtags, ist Horst Seehofer derzeit eher wieder auf Merkel-Annäherungskurs. Dem CSU-Chef bläst Gegenwind aus den eigenen Reihen ins Gesicht: Alois Glück, quasi das katholische Gewissen der Partei, warnt Seehofer, die Mitte preiszugeben. Und dann auch noch die neueste Wahlumfrage, die die CSU in Bayern bei nur noch 40 Prozent sieht. Schadet Seehofers Anti-Merkel-Kurs etwa der Partei? Ach was, sagt der CSU-Chef. Das sei doch nur eine Forsa-Umfrage des Fantasie-Demoskopen Manfred Güllner.
    Unions-Klausur: Nicht einfach, aber guter Wille ist da
    "Herr Güllner gibt – völlig unabhängig von der CSU – jede Woche ein politisches Manifest ab. Die Schlussfolgerung, die er aus den Zahlen für die Politik zieht, sind überwiegend eigenartig."
    Soll heißen: Die Umfrage ist gesteuert. Etwa aus dem Kanzleramt? Seehofer schweigt. Der Ministerpräsident will jetzt erst mal in Ruhe das Schwesterntreffen Mitte Juni in Potsdam vorbereiten.
    "Wir laufen jetzt auf diese Klausur mit der CDU zu. Es wird nicht einfach, aber es ist von gutem Willen geprägt. Wir wollen beide nicht, dass wir uns da jetzt in einen Käfig einsperren. Sondern es wird – wie immer, wenn Menschen zusammensitzen, auch gruppendynamische Prozesse geben. Das wächst dann."
    Die Frage ist: Wachsen die gruppendynamischen Prozesse in die richtige Richtung? Oder wächst da auseinander, was nicht mehr zusammengehört? Wenn Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) der CSU vorwirft, sie reite…
    "Attacken gegen Merkel"
    Dann braucht es schon viel Klebstoff, um das zerbrochene Porzellan zu kitten. Der diplomierte Paar(tei)-Therapeut Seehofer fordert deshalb Geduld:
    "Normalerweise braucht man zur Bewältigung von Problemen so lang, wie man gebraucht hat, um in sie hineinzukommen. Das wird keine Sache auf Knopfdruck, keine Sache von Tagen oder Monaten."
    Begonnen haben die Probleme am 4.September 2015. Das würde bedeuten, CDU und CSU vertragen sich frühestens im Frühjahr 2017. Bis dahin spürt Seehofer den Atem seines innerparteilichen Widersachers Markus Söder im Nacken. Der bayerische Finanzminister unterstützt seinen Chef - vordergründig.
    "Wenn in einer Partnerschaft sich einer wegbewegt aus dem Zentrum der Partnerschaft, und der andere will drüber reden, will drüber sprechen – und sagt: "Lasst uns doch mal reden" – aber es wird nicht reagiert, dann werden die Diskussionen nicht verstummen, sondern eher noch deutlicher."
    Mit seinen Eheberatungs-Tipps befeuert Söder den Unionsstreit. Er weiß genau, dass es für Seehofer immer schwieriger wird, die Geister loszuwerden, die er rief. Wenn Merkel sich nicht bewegt, leidet zwar ihre Beliebtheit bei der CSU. Wenn aber Seehofer die Kanzlerin nicht zu bewegen vermag, leidet seine Glaubwürdigkeit an der Basis. Vor allem, wenn er keine Konsequenzen zieht. Aber welche? Einen neuen Kreuther Trennungsbeschluss? Alexander König schüttelt den Kopf.
    "Also, um es deutlich zu sagen: 1976 ist keine Option. Wir sind eine bayerische Partei mit bundespolitischem Anspruch. Das bleibt auch so. Was darüber hinaus die CDU macht – ist nicht mein Thema als CSU-Mitglied."
    König, der Landtagsabgeordnete aus Oberfranken, weiß jedenfalls schon, wen er zur Bundestagswahl 2017 plakatieren wird. Die Kanzlerin wird es eher nicht sein.
    "Das kann ich Ihnen schon sagen: Bei der letzten Kreisvorstandssitzung haben wir gesagt, wir brauchen bloß Hans-Peter-Friedrich-Plakate. Das ist nämlich unser Bundestags-Abgeordneter. Andere brauchen wir nicht."
    Hans-Peter Friedrich war mal CSU-Innenminister im Kabinett Merkel. Heute ist er in Berlin einer der schärfsten Kritiker des Asylkurses der Kanzlerin.