Freitag, 19. April 2024

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Innenpolitischer Unionssprecher Mayer
"Man wird CDU und CSU nicht auseinanderdividieren können"

Angela Merkel und Horst Seehofer zerstritten? Die Vorsitzenden von CDU und CSU seien sich menschlich wie inhaltlich näher, als "gewünscht oder kolportiert" werde, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, im DLF. Auch in der Debatte um die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck erwartet der CSU-Politiker Einigkeit.

Stephan Mayer im Gespräch mit Sandra Schulz | 06.06.2016
    Stephan Mayer, Sprecher der Arbeitsgruppe Inneres der Unions-Bundestagsfraktion (CSU), aufgenommen am 26.05.2016 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
    Stephan Mayer, CSU (picture alliance/dpa - Karlheinz Schindler)
    Trotz inhaltlicher Differenzen bei Themen wie Flüchtlingspolitik und Erbschaftssteuer überwiege die Menge gemeinsamer Positionen bei CDU und CSU, so Mayer. Sollte Angela Merkel auch bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr als Spitzenkandidatin für die Union ins Rennen gehen wollen, sei es keine Frage, dass sie dabei von der CSU unterstützt werde. Beide Parteien ließen sich nicht "auseinanderdividieren".
    Mayer sprach sich im Deutschlandfunk für einen gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition für das Amt des Bundespräsidenten aus. Gerade in der jetzigen Zeit sei es wichtig, jemanden zu finden, der breite Teile der Gesellschaft vertrete und integrativ wirke. Es wäre ein flasches Signal, könnten sich Union und SPD nicht auf einen Kandidaten einigen.
    Medienberichten zufolge hat sich Bundespräsident Gauck gegen eine zweite Amtszeit entschlossen. Er soll eventuell noch heute seine Entscheidung öffentlich machen. SPD-Chef Gabriel hatte gefordert, mit einer Debatte über einen möglichen Nachfolger bis dahin zu warten.

    Das Interview in voller Länge:
    O-Ton Joachim Gauck: "Es wird eine schwere Entscheidung sein und ich werde vielleicht dann auch nicht so glücklich aus der Wäsche gucken, sondern wenn ich sie dann getroffen habe, wird sich vielleicht ein paar Wochen oder auch länger so ganz geheim die Frage einschleichen, oh, war das jetzt richtig."
    Sandra Schulz: … hat Bundespräsident Joachim Gauck im April hier bei uns im Deutschlandfunk im "Interview der Woche" gesagt und eine Entscheidung für den Frühsommer angekündigt. Wir halten fest: Heute ist der 6. Juni, klarer Fall von Frühsommer, und seit dem Wochenende gibt es Medienberichte, Joachim Gauck habe sich entschieden gegen eine zweite Amtszeit als Bundespräsident
    Mitgehört hat Stephan Mayer, CSU-Vorstandsmitglied und im Bundestag innenpolitischer Sprecher. Guten Morgen!
    Stephan Mayer: Guten Morgen, Frau Schulz. Grüß Gott!
    "Die CDU und die CSU streiten gemeinsam für die richtige Sache"
    Schulz: Horst Seehofer nennt die Versöhnung jetzt Chefsache. Heißt das denn, dass künftig die Attacken aus Bayern - so hat das ja Finanzminister Wolfgang Schäuble genannt - jetzt unterbleiben werden?
    Mayer: Es wird mit Sicherheit auch in Zukunft so sein, dass man sich auch intensiv über Inhalte austauscht. Aber eines ist gewiss: Die CDU und die CSU streiten gemeinsam für die richtige Sache und wir werden auch weiterhin gemeinsam marschieren. Da bin ich mir sehr sicher. Und ich gehe auch davon aus, dass spätestens nach dem Strategietreffen Ende Juni hier auch gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht wird, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Schwesterparteien bei weitem überwiegen gegenüber den Punkten, bei denen es Dissens gibt. Dissens gab es immer mal, wenn zwei immer nur die gleiche Meinung haben, ist einer langfristig überflüssig. Ich glaube, es wäre vermessen zu erwarten, dass es immer einen absoluten hundertprozentigen Gleichklang der Haltungen und der Positionen zwischen den beiden Schwesterparteien gibt. Aber eines ist klar und da soll auch keiner falsche Vorstellungen haben: Man wird die CDU und die CSU langfristig nicht auseinanderdividieren können. Wir sind die beiden starken bürgerlichen Parteien in der Mitte Deutschlands und das ist, glaube ich, gerade jetzt auch in der Zeit, in der uns sowohl im Inland als auch im Ausland große Herausforderungen bevorstehen, mehr denn je gefragt.
    Schulz: Herr Mayer, aber wenn Sie sagen, Sie diskutieren in der Sache, wie konnte es dann zu dieser Zuspitzung überhaupt kommen, dass es zuletzt sogar Streit über den Ort für ein Treffen gab und dass sogar diese Ortsfrage Chefsache geworden ist?
    Mayer: Es ist jetzt auch nicht so verwunderlich, dass inhaltliche Streitigkeiten natürlich sehr schnell auch personalisiert werden. Aber ich glaube, da darf man sich auch keine falschen Vorstellungen machen. Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sind sich weitaus näher, auch menschlich und auch was die inhaltlichen Positionen anbelangt, als möglicherweise manchmal gewünscht wird oder auch von einer anderen Seite kolportiert wird.
    "Ich bin mir sehr sicher, dass Angela Merkel die gemeinsame Spitzenkandidatin sein wird"
    Schulz: Sie sagen "kolportiert wird". An der Stelle würde ich gerne noch mal konkret auf die Vergangenheit der beiden schauen. Es hat die Demütigung der Kanzlerin gegeben beim CSU-Parteitag, als Horst Seehofer länglich erklärt hat, was alles falsch ist an ihrer Flüchtlingspolitik. Horst Seehofer hat von einer Herrschaft des Unrechts gesprochen. Horst Seehofer hat mit einer Klage in Karlsruhe gedroht. Jetzt sind inhaltlich die Positionen ja überhaupt nicht näher gerückt. Kann es sein, dass Horst Seehofer, wenn dieser Streit jetzt so abgeblasen ist und gar keine Rolle mehr spielen soll, einfach auf dem falschen Dampfer war?
    Mayer: Faktum ist, es gab natürlich und gibt auch in der Flüchtlingspolitik unterschiedliche Positionen. Aber ich möchte auch dem Eindruck in aller Deutlichkeit entgegentreten, dass die Unterschiede überwiegen. Wir haben in den letzten 18 Monaten so viel Gesetzgebung im Bereich des Zuwanderungs- und Asylrechts gemacht wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, und all diese Gesetzgebungsverfahren sind im Einvernehmen zwischen CDU und CSU vorangebracht worden. Es gab und gibt natürlich bestimmte Dissenspunkte, was die Themen Obergrenze anbelangt, was das Thema Zurückweisung an der deutschen Außengrenze anbelangt, aber das ist die Minderheit der Punkte, bei denen es Dissens gibt. Vor dem Hintergrund …
    Schulz: Herr Mayer, wenn die Vertrauensbasis jetzt so solide ist, wie Horst Seehofer sagt, kann die CSU denn jetzt auch entscheiden, dass bei der nächsten Bundestagswahl Angela Merkel auch von der CSU als Spitzenkandidatin mitgetragen wird?
    Mayer: Ich bin mir sehr sicher, dass Angela Merkel die gemeinsame Spitzenkandidatin, sofern sie es sein will, für die beiden Schwesterparteien, für die beiden Unions-Parteien CDU und CSU sein wird. Angela Merkel hat in den letzten elf Jahren Deutschland gut geführt, zusammen mit einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung, uns im Ausland hohe Reputation verschafft, und ich bin mir sicher, dass die CSU geschlossen im nächsten Jahr mit Angela Merkel in den Bundestagswahlkampf gehen wird.
    Schulz: Warum haben Sie es denn dann bisher offen gelassen?
    Mayer: Offen gelassen ist es von einigen wenigen geworden.
    "Die gemeinsame Schnittmenge der Positionen ist weit überwiegend"
    Schulz: Von Ihrem Parteichef.
    Mayer: Ich bin mir sehr sicher, dass Horst Seehofer der erste und auch der überzeugteste sein wird, der Angela Merkel auch zur gemeinsamen Spitzenkandidatin küren wird, weil aus meiner Sicht auch eines klar ist: Trotz der inhaltlichen Differenzen, die es zum Beispiel im Bereich der Flüchtlingspolitik gab oder jetzt auch noch im laufenden Verhandlungsprozess, was die Erbschafts- und Schenkungssteuerreform anbelangt, gibt, die gemeinsame Schnittmenge der Positionen, bei denen wir einheitlicher Position sind, ist weit überwiegend und vor dem Hintergrund sehe ich überhaupt keine Frage, ob Angela Merkel eine gemeinsame oder die gemeinsame Kandidatin, Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf 2017 sein wird.
    Schulz: Stephan Mayer, wir sprechen heute, Montagmorgen, möglicherweise an dem Tag, an dem Bundespräsident Joachim Gauck seine Entscheidung öffentlich macht, seine Entscheidung, über die jetzt schon so viel spekuliert und gesagt worden ist, möglicherweise sein Verzicht auf eine zweite Amtszeit. Wie bereitet die CSU sich auf diese Entscheidung vor?
    Mayer: Zunächst, glaube ich, gebietet es der Anstand, dass man abwartet, bis sich der Bundespräsident wirklich artikuliert. Sollte es so sein, worauf jetzt wirklich vieles auch hindeutet, dass er sich dafür entscheidet, für keine zweite Amtsperiode zur Verfügung zu stehen, dann wird es natürlich darum gehen, dass man im bürgerlichen Lager einen Konsenskandidaten findet. Da kommt es auch sehr stark auf die Einschätzungen der CSU und auch auf den Wunsch der CSU an. Ich bin mir auch sehr sicher, dass die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin dem in starker Weise auch Rechnung tragen wird. Aber ich glaube, gerade in der jetzigen Zeit, in der Deutschland auch innenpolitisch vor erheblichen Spannungen steht, in einer Zeit, in der die Gesellschaft auseinanderdriftet, in der die Polarisierung, die Verrohung leider auch der Gesellschaft etwas zunimmt, kommt es umso mehr darauf an, dass man sich auf einen Kandidaten verständigt als Bundespräsident, der ein möglichst großes Spektrum der Gesellschaft mit abdeckt, der integrativ wirkt und die Gesellschaft zusammenführen kann und dem entgegentreten kann, dass die Gesellschaft in Deutschland immer weiter auseinanderdriftet.
    "Große Koalition sollte sich auf einen Konsenskandidaten verständigen"
    Schulz: Herr Mayer, ich verstehe Ihre Zurückhaltung. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich noch nicht erklärt. Ich will es jetzt auch nicht zu weit treiben. Aber noch die kurze Nachfrage: Sie sagen, ein Kandidat des bürgerlichen Lagers. Das wäre auch ein Kandidat der Großen Koalition?
    Mayer: Aus meiner Sicht muss es zunächst mal das Ziel sein, dass die Große Koalition einen gemeinsamen Kandidaten findet. Ich glaube, es wäre trotz aller Unterschiedlichkeit der Parteien und natürlich auch trotz des Umstandes, dass wir mit Sicherheit dann bei der Wahl, die im Mai nächsten Jahres stattfinden wird, uns zumindest schon im sehr intensiven Vorwahlkampf zur Bundestagswahl befinden werden, ein falsches Signal, wenn die CDU/CSU und die SPD sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen können. Aus meiner Sicht sollte der Grundansatz der sein, dass man sich in der Großen Koalition auf einen gemeinsamen Konsenskandidaten verständigt.
    Schulz: Der CSU-Bundestagsabgeordnete und das CSU-Vorstandsmitglied Stephan Mayer heute hier bei uns im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen". Haben Sie ganz herzlichen Dank für das Interview.
    Mayer: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.