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Berliner Initiative
Volksbegehren für bezahlbare Mieten

Die sogenannte Mietpreisbremse tritt heute in Berlin in Kraft. Doch ob sie den Anstieg der Mieten dort stoppen kann, ist umstritten. Ein Bündnis hat deshalb Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Es will die Senatsverwaltung dazu bewegen, weit mehr für bezahlbaren Wohnraum zu tun.

Von Anja Nehls |
    Besonders in Ballungszentren ist der Bedarf an Wohnungen gestiegen
    Dass die heute in Berlin in Kraft getretene sogenannte Mietpreisbremse die Probleme löst, glauben die Initiatoren des Mietenvolksentscheids nicht. (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Weit über 30.000 Unterschriften übergibt heute die Initiative Mietenvolksentscheid an die Berliner Innenverwaltung. Die werden dann überprüft. Erfahrungsgemäß sind viele ungültige darunter, aber wenn 20.000 Unterschriften gültig sind, dann ist die erste Hürde zum Mietenvolksbegehren geschafft. Mehrere tausend Unterschriften hat zum Beispiel Bernd Hinz gesammelt. Bereits zweimal ist dem 59-jährigen selbst schon eine Mieterhöhung für seine Wohnung angekündigt worden.
    "Im Augenblick bin ich arbeitslos, kriege jetzt Hartz IV. und wenn ich da das Limit überschreite, dann muss ich die Wohnung verlassen und dann findet man auch kaum noch was in Berlin, dann müsste man irgendwie ins Umland ziehen und das ist noch schwieriger, da findet man dann keinen Job mehr."
    Bernd Hinz möchte heute um 15 Uhr auch dabei sein, wenn die Unterschriften übergeben werden.
    Mehr Wohnungen für Einkommensschwache
    Mit dem "Berliner Wohnraumversorgungsgesetz", das die Initiatoren mithilfe des Volksentscheids durchsetzen wollen, sollen mehr Wohnungen für Einkommensschwache geschaffen werden, die Mieten in öffentlich geförderten Wohnungen gesenkt und am Einkommen der Mieter orientiert werden. 85 Prozent der Berliner wohnen zur Miete, mehr als in jedem anderen Bundesland. Und mehr als in jedem anderen Bundesland wird jährlich wegen Mietschulden zwangsgeräumt. Berlin sei als bezahlbare Metropole in Gefahr, sagt Rouzbeh Taheri von der Initiative "Mietenvolksentscheid e.V."
    "Ich glaube nach Arbeit ist Wohnen mit da Wichtigste, was das tägliche Leben beeinflusst und mitbestimmt. Und viele Menschen müssen aus ihrer vertrauten Umgebung ausziehen, viele Menschen haben Angst, dass sie es müssen, viele Menschen geben sehr viel für Miete aus, weil sie in der Wohnung bleiben wollen und das ist eine permanente Existenzangst, betrifft die Erwachsenen, betrifft die Kinder, betrifft die Nachbarschaften, Familien und deshalb ist das ein Thema, was die meisten Berlinerinnen und Berliner auch berührt."
    Mietpreisbremse gilt nicht immer
    Dass die heute in Berlin in Kraft getreten Mietpreisbremse die Probleme löst, glauben die Initiatoren des Mietenvolksentscheids nicht. Die Mietpreisbremse besagt, dass die Miete bei Neuvermietung nur 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die wird in Berlin durch den Mietspiegel ermittelt. Aber es gibt Ausnahmen. Die Mietpreisbremse gilt nicht bei Vermietungen nach umfangreicher Modernisierung, nicht für Neubauten und nicht wenn der Vormieter auch schon mehr gezahlt hat.
    Der Senat will jetzt auf die Initiatoren des Mietenvolksentscheids zugehen und weitere Angebote machen, denn wenn der Mietenvolksentscheid erfolgreich ist, würde er das Land Berlin mit allen Folgekosten 3,3 Milliarden Euro kosten, hat die Senatsverwaltung ausgerechnet. Für Berlin wäre das ein Horrorszenario, denn diese Summe müsste an anderer Stelle einspart werden, warnt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel, SPD:
    "Das bedeutet, dass sämtliche neu durch die wachsende Stadt hinzugewonnen Finanzmittel, die wir jetzt einsetzen, um Schulen zu sanieren, um bei er BVG für neue U-Bahn Wagen zu sorgen, um Barrierefreiheit in der Stadt zu fördern, dann nicht mehr zur Verfügung stehen."
    Überschuss im Berliner Landeshaushalt
    Das sehen die Initiatoren des Volksentscheids anders. Sie verweisen auf einen Überschuss im Berliner Landeshaushalt, ihren Vorschlag, die Grunderwerbssteuer zu erhöhen und darauf, dass der Senat Kosten für die Wohnraumförderung die auch bisher schon anfallen von der Summe abziehen müsste. Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen sich also nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen.
    Rouzbeh Taheri veranstaltet in Kreuzberg regelmäßig Infoveranstaltungen für neue interessiere Mitstreiter.
    "Im Schnitt sind die Mieten in Berlin in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen, das ist aber der Schnitt - in welchem Jahr? - in fünf Jahren, seit 2009. - Ach - Bei mir zum Beispiel in Neukölln sind sie um 90 Prozent gestiegen."
    Die Frau ist überzeugt. Wenn in der zweiten Stufe des Volksbegehrens ab Januar 2016 in 4 Monaten ca. 180.000 gültige Unterschriften gesammelt würden, dann liefe die eigentliche Abstimmung im September 2016 gleichzeitig mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Der Berliner Senat will den Gesetzentwurf der Initiative aber nun auf seine verfassungsmäßige Zulassungsfähigkeit prüfen lassen, wegen der enormen Auswirkung, die er auf den Haushalt hätte. Es müsse geklärt werden, inwieweit ein solch tiefer Eingriff in das Budgetrecht des Parlaments verfassungsgemäß sei.