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Biolandwirtschaft
Endlich raus aus der Nische?

In Deutschland wirtschaften auch heutzutage erst acht Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe ökologisch. Doch angesichts der niedrigen Preise in der konventionellen Milch- und Fleischwirtschaft denken viele Bauern über eine Neuorientierung nach. Die Expansionsgeschichte eines einst kleinen Hofladens in der Eifel.

Von Anke Petermann | 01.07.2016
    Ein Gemüse-Korb mit Fenchel, Schnitt-Lauch, Kürbissen und Auberginen.
    Neben den Einheimischen aus der ländlichen Vulkaneifel kaufen auch Touristen aus fernen Großstädten beim Bio-Vollsortimenter am Lacher See. (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Eigentlich wollten die Ullenbruchs in ihrem kleinen Hofladen auf dem Klostergut Maria Laach außer Brot nur das Fleisch der eigenen Rinder und die Eier der eigenen Hennen vermarkten. Doch die Nachfrage wuchs, erzählt Nina Ullenbruch, bis es zu eng wurde.
    "Wir kamen an manchen Tagen gar nicht durch, weil so viele Leute im Laden waren. Und dann haben wir 2005 eine Ladenerweiterung bekommen, dann haben wir auch Einkaufswagen angeschafft, womit wir eigentlich nie gerechnet hatten."
    Die Einkaufswagen dürften ruhig etwas größer sein, merken Kunden schon wieder an. Die nächste Erweiterung steht wohl bevor.
    Gutes Bio, schlechtes Bio
    Neben den Einheimischen aus der ländlichen Vulkaneifel kaufen auch Touristen aus fernen Großstädten beim Bio-Vollsortimenter am Lacher See.
    "Ich lebe seit Jahren bio, ich habe mal gewohnt zwischen zwei Höfen die gespritzt haben, als die Kinder noch klein waren, und da habe ich gesehen, was da alles auf den Boden gebracht wurde. Und seitdem kaufe ich nichts anderes mehr."
    "Wir sind aus Berlin, und Berlin ist voll mit Bio-Ketten. Und da frage ich mich, wo kommt das alles her, macht das Sinn, ist das wirklich gutes Bio oder ist das vielleicht – den Begriff weiß ich nicht, ob man den verwenden kann 'schlechtes Bio."
    Neuseeland-Äpfel im Hochsommer und Fertigprodukte für die Mikrowelle – nicht schlecht vielleicht, aber gewöhnungsbedürftig für alle, die Bio mit bodenständig, regional und saisonal assoziieren. Und genau deshalb ihre Eier im Laacher Klostergut kaufen.
    Hühner-Glück im mobilen Stall auf der Wiese
    Michael Ullenbruch nähert sich dem wohnmobilartigen Hühnerstall mit seinem Wiesengehege von hinten und klopft an, bevor er den Deckel zur Dinkelspelz gefüllten Nestrinne öffnet. Drinnen liegen einige Eier und eine brütende Henne.
    "Wir haben drei Hühner-Mobile und haben noch einen Feststall ins Leben gerufen, nachdem der Umsatz an den Eiern so gestiegen ist, und halten zurzeit 900 Legehennen auf dem Hof. Wir sind ständig ausverkauft. Die Besucher, die nach Maria Laach kommen, können halt die frei laufenden glücklichen Hühner beobachten, denen zugucken, das kommt halt einfach an, diese Transparenz, die man da als Landwirt rüberbringen kann."
    400 Hektar Ackerbau, Mastschwein- und Mutterkuhhaltung gehören außerdem zu dem Biolandhof.
    "Es war mein Wille", sagt Ullenbruch, "hier im größten Naturschutzgebiet von Rheinland-Pfalz ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Man muss nicht mit der Spritze rausfahren, man kommt nicht in Kontakt mit Chemikalien, muss keinen Schutzanzug und Handschuhe und Maske tragen. Ich kenne beide Seiten: Mein Vater hatte einen konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb, da bin ich als Kind dann auch immer mit rausgefahren, und es hat mich immer gestört, dass man mit solchen giftigen Sachen in Verbindung gekommen ist."
    Hoher Arbeitsaufwand, dafür aber - auch dank Direktvermarktung – eine stabile Ertragslage, bilanziert Ullenbruch.
    Öko als einziger Wachstumssektor der Ernährungsbranche
    Der Biobranche geht es besser als dem Rest der Ernährungswirtschaft. Allerdings überleben auch Ökobauern nicht ohne staatliche Hektarprämien. Die langjährige grüne Agrarpolitikerin Ulrike Höfken ist in der neuen Ampel-Koalition zuständig für den Ökolandbau in Rheinland-Pfalz.
    "In Deutschland ist es ziemlich extrem, wir haben die niedrigsten Lebensmittelpreise der Welt. Heute wird ja die gesellschaftliche Leistung bezahlt, und deswegen brauchen auch die Ökobauern die Prämie, denn es gibt bestimmte gesellschaftliche Leistungen, die finden sich dann im Produkt, insbesondere in Deutschland gar nicht wieder, also die Maßnahmen für den Schutz des Wassers oder für Erhalt von Blühwiesen für Bienen und ähnliches."
    Markt-Kunden drängten konventionellen Landwirt, umzustellen
    Höfken sorgt sich über den Preisverfall bei konventioneller Milch und das drohende Aus für viele Mittelständler.
    "Das wird vielleicht dazu führen, dass die Betriebe, die bäuerliche Familie bleiben wollen, sich stärker auf Öko orientieren."
    Wie der Landwirt aus Hennef bei Bonn. Seine Wochenmarkt-Kunden haben gedrängelt, der vom Bund geförderte Bioland-Praktikertag hat die letzten Zweifel ausgeräumt – Marc Liessem geht jetzt mit Obst, Gemüse, Legehennen und Mutterkühen auch unter die Ökobauern.