Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


Bitte anfassen!

Ein Politiker zum Anfassen aber nicht ohne Biss. Hamburgs neuer Erster Bügermeister, Christoph Ahlhaus, grenzt sich vom Führungsstil seines Vorgängers Ole von Beust ab und geht auf die Menschen zu.

Von Verena Herb | 07.10.2010
    Ole von Beust war lange Hamburgs beliebtester Politiker. Am Ende seiner Amtszeit war er das nur noch bedingt - zumindest bei vielen seiner CDU-Parteifreunde. Denn die hatten den Eindruck: Zum Wohle der schwarz-grünen Landesregierung, opfere der Politiker viele CDU-Positionen - und der kleinere Koalitionspartner gebe zunehmend den Ton an. Sein Nachfolger Christoph Ahlhaus musste also gleich zu Beginn die CDU beruhigen, den anfangs skeptischen Koalitionspartner auch - und eigene Akzente setzen sollte er natürlich auch.

    Christoph Ahlhaus blickt verträumt, während seine Finger über die Tasten gleiten: Beethoven, Mondscheinsonate - Der Bürgermeister ein Pianist? Das hat man ihm gar nicht zugetraut. Schon gar nicht, dass er sich spontan an den Flügel setzt, der im Gästehaus des Prager Oberbürgermeisters steht.

    Anfang der Woche - Besuch in der tschechischen Hauptstadt. Eine Wirtschaftsdelegation begleitet den CDU-Politiker auf seiner ersten Auslandsreise.

    "Unabhängig davon, ob es meine erste Reise ist, die Reise ist schon länger geplant. Und sie ist geplant, weil wir was zu feiern haben, 20 Jahre Städtepartnerschaft Prag - Hamburg,"

    erklärt Christoph Ahlhaus, während er mitten auf dem Altstädter Ring, Prags zentralem Marktplatz steht. Touristengruppen wuseln über das Kopfsteinpflaster, überall klicken die Fotoapparate. Der 41-Jährige hört aufmerksam zu, was die Stadtführerin erzählt.

    Ein paar Schritte weiter: Das Rathaus. Ein roter Teppich weist den Weg in die Residenz des Primators, Pavel Bém, dem Oberbürgermeister. Männer in grünen Militäruniformen und Gewehr an der Schulter bieten ein recht martialisches Bild. Touristen haben sich links und rechts des Teppichs hinter den Absperrungen platziert: Roter Teppich, Soldaten - machen neugierig, es wird wohl jemand Wichtiges erwartet. Hamburgs Bürgermeister genießt die Aufmerksamkeit. Freundlich lächelnd geht er an den meist älteren Leuten vorbei - viele sind Deutsche. Er grüßt, doch erkannt wird er nicht. Es scheint ihn nicht zu stören.

    Sektempfang zur Begrüßung. Die Stadtoberhäupter tauschen Grußworte und Gastgeschenke aus. Christoph Ahlhaus trägt sich ins goldene Buch der Stadt Prag ein.

    "Ein sehr sehr herzlicher, freundschaftlicher Empfang. Und ich fahre - fliege sehr zufrieden nach Hamburg zurück."

    Zuhause warten ernste Probleme auf ihn: Im Hamburger Haushalt klafft ein tiefes Finanzloch. Die Sparklausuren des schwarz-grünen Senats vor zwei Wochen haben eine Fülle an Kürzungsmaßnahmen ergeben. Die ernten - naturgemäß - viel Kritik. Dorothee Stapelfeldt, SPD-Fraktionsvorsitzende:

    "Hier sind Einschnitte vorgeschlagen, die hoffentlich nicht realisiert werden. Aber wenn sie realisiert würden, zu völlig falschen Signalen und völlig falschen Weichenstellungen führen würden. Und das sind, finde ich, sind keine positiven Signale aus der allerersten Zeit."

    Christoph Ahlhaus hat 18 Monate Zeit, um eben jene positiven Signale zu senden. Das ist nicht gerade lang. Er skizziert, welche politischen Akzente er bis zur Bürgerschaftswahl 2012 setzen will:

    "Die Themen kann man sich nicht immer nur aussuchen, sondern sie liegen auf dem Tisch. Neben der Konsolidierung des Haushalts, was natürlich eines der wichtigsten Zukunftsthemen überhaupt ist, denn ohne das geht es nicht, haben wir im nächsten Jahr glücklicherweise den Titel Europäische Umwelthauptstadt."

    Vertreter der Wirtschaft setzen jedenfalls große Hoffnungen in ihn. Klaus Dieter Peters, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik AG:

    "Ich denke, jeder Bürgermeister setzt seine eigenen Akzente. Und ich persönlich bin sehr froh - und ich sage das auch im Namen der Hafenwirtschaft - dass der neue Bürgermeister Herr Ahlhaus offensichtlich seine Akzente dichter an wirtschaftliche Themen setzt. Also ich bin sehr zuversichtlich."

    Doch nicht jeder teilt diese Zuversicht: Viele hatten nach dem Personalwechsel mit einem fulminanten Neustart der schwarz-grünen Koalition gerechnet. Jetzt sind sie enttäuscht: Haushaltskonsolidierung und Umwelthauptstadt als Hauptthemen? Das eine unpopulär, das andere schwammig - so lässt sich keine Wahl gewinnen, sind sich CDU-Anhänger einig. Das weiß auch der "Neue".

    Deshalb setzt er alles auf die Personality-Karte: Ahlhaus - ein Bürgermeister zum Anfassen. Er will die Herzen der Hamburger gewinnen, ein Stadtoberhaupt sein, das sich nicht wegduckt, sondern ansprechbar ist, wann immer es Probleme gibt. Einer, der die Sorgen der Menschen auch versteht, weil er sich nicht abgehoben im Rathaus verschanzt. Sondern die Menschen in ihren Stadtteilen besucht. Ein Mensch wie du und ich. Mit Stärken und mit Schwächen. Kein dozierender Oberlehrer. Aber einer mit gesundem Menschenverstand.

    Der die Ärmel hochkrempelt, zupackt und zuhört. Einer, der nah dran ist. Anders als der Freiherr, Ole von Beust. Der gab sich hanseatisch-zurückhaltend, öffentliche Veranstaltungen waren ihm ein Graus - oft ging er früh, gleich nachdem der offizielle Teil vorbei war. Anders der Neue: Zusammen mit seiner Frau Simone nimmt er fast jeden Termin in der Stadt wahr, mischt sich unters Volk, trinkt auch mal das zweite Glas Wein. Und er lächelt. Gerne und viel. Das sind die Hamburger nicht gewohnt. Und so fremdeln sie mit dem Quiddje, dem Zugezogenen aus dem Süden. Die Opposition freut's - und sie spart nicht mit Spott: Michael Neumann, Fraktionsvorsitzender der SPD:

    "Sie wollen anders sein, Sie wollen nicht Ole 2.0. sein. Sie wollen die Ärmel hochkrempeln. Offenbar aber nicht zum Arbeiten, zum Entscheiden. Sondern: Primär zum Händeschütteln."

    Doch vielleicht wird genau das sein Geheimnis sein. Denn zwischenzeitlich kommt Kritik an von Beusts Führungsstil auf: Ihm sei es im Grunde egal gewesen, was Partei und Fraktion meinten, heißt es aus der CDU: Von "Gutsherrenart" ist die Rede. Ahlhaus sei da anders: Er baue auf Dialog. Und so mancher Hamburger Bürger gibt zu: Irgendwie ist der Neue doch sympathisch. Christoph Ahlhaus muss nun beweisen, dass er tatsächlich ein Bürgermeister für alle Hamburger ist. Fest steht: Er will es zumindest versuchen.

    "Ich sage den Hamburgerinnen und Hamburgern vor allem eines: Ich werde mich allen Aufgaben mit ganzer Kraft, sehr viel Leidenschaft und aus vollem Herzen stellen."