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Vor 450 Jahren
Der dänische Astronom Tycho Brahe entdeckt eine Supernova

Die Sterne am Himmel bilden Nacht für Nacht immer gleiche Muster. Nur ganz selten, zeigt sich vorübergehend ein neues Objekt - eine Supernova. Der dänische Astronom Tycho Brahe entdeckte einen neuen Stern am Himmel - und veränderte die Astronomie.

Von Dirk Lorenzen | 11.11.2022
Tycho Brahe
Tycho Brahe (picture alliance / Scanpix / Scanpix Danmark)
„Abends nach Sonnenuntergang, als ich nach meiner Gewohnheit den klaren Himmel betrachtete, sah ich einen neuen und ungewöhnlichen Stern. Er war heller als alle anderen. Da ich seit meiner Kindheit alle Sternbilder kenne, war ich überzeugt, dass vorher an diesem Ort kein Stern zu sehen war, auch kein sehr schwacher.“
So schildert Tycho Brahe seine Entdeckung einer Supernova am 11. November 1572, als er auf dem Hof des ehemaligen Klosters Herrevad in Schonen im heutigen Südschweden stand. Zwischen den vertrauten Sternbildern leuchtete urplötzlich ein weiteres Objekt: „Es ist ohne Zweifel das größte Naturwunder seit der Erschaffung der Welt.“
Tycho Brahe, Spross einer adeligen Familie, hatte standesgemäß in Rostock Jura studiert, wandte sich nun aber fasziniert der Astronomie zu. Viele Monate lang beobachtete er den neuen Stern, erklärte Kristian Peder Moesgaard, Wissenschaftshistoriker an der Universität Aarhus. „Tycho Brahe hatte sofort erkannt, dass dies etwas revolutionär Neues war. Er wies nach, dass dieser Stern wirklich zum Himmel gehörte und nicht hoch in der Atmosphäre leuchtete, wie es nach der antiken Kosmologie hätte sein sollen. Tycho Brahe veröffentlichte kurz darauf sein Buch ‚De Stella Nova‘, ‚Über den neuen Stern‘ – und war schlagartig der führende Astronom Europas.“

Zeuge einer gewaltigen Sternenexplosion

Nach gängiger Theorie hätte es zwischen dem ewig gleichen Muster der Fixsterne kein neues Objekt geben dürfen. Heute wissen wir, dass Tycho Brahe Zeuge einer gewaltigen Sternexplosion geworden war, einer Supernova. Bei so einem Ereignis werden schier unglaubliche Energiemengen frei, erläutert Wolfgang Hillebrandt, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching: „Wenn man das vergleicht eben mit der Helligkeit einer ganzen Milchstraße: Die hat vielleicht 100 Milliarden Sterne, und eine Supernova erreicht die Helligkeit von ein bis zehn Milliarden Sternen. Aber es gibt auch Ausreißer, die noch viel heller werden, die heller werden als eine ganze Galaxie.“
Nur alle paar Jahrhunderte sind solch‘ gewaltige Explosionen am Himmel zu sehen. Die Supernova von 1572 war mitten in einer Phase des Umbruchs der Astronomie aufgeflammt. Nikolaus Kopernikus hatte kurz zuvor sein neues Weltmodell veröffentlicht, nach dem nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum des Planetensystems steht. Der neue Stern am Himmel war ein weiterer Beleg, dass die alte antike Theorie überholt war. Tycho Brahe setzte nun alles daran, mit weiteren Beobachtungen – vor allem des Planeten Mars – die neue Weltsicht zu bestätigen. Er begab sich auf Reisen, um einen geeigneten Platz für seine wissenschaftliche Arbeit zu finden.
Moesgaard: „Als erstes verbrachte er einige Zeit in Kassel bei Landgraf Wilhelm dem Vierten, der selbst Astronom war. Wilhelm sagte dem dänischen König, dass er etwas unternehmen müsse, wenn er Tycho Brahe im Land halten wolle. Schließlich bekam Brahe die Insel Ven im Öresund als Lehen. Dort errichtete er seine Observatorien und arbeitete 20 Jahre lang daran, die Astronomie zu erneuern.“
Erstmals in der Geschichte der Astronomie wurden der Lauf der Planeten und die Positionen der Sterne präzise vermessen. Diese Daten beseitigten schließlich die letzten Zweifel am neuen Weltbild des Kopernikus. Den Impuls, sich ganz der Astronomie zuzuwenden, verdankte Tycho Brahe der Supernova.
So eine eindrucksvolle Explosion wie damals ist längst überfällig, betont Wolfgang Hillebrandt: „Ich benutze das auch immer in meinen Vorträgen schon seit Jahren, dass ich immer den Zuhörern sage: Jetzt, wenn ihr hinausgeht, schaut mal da oben hin, Orion ist gerade gut zu sehen, ob Beteigeuze noch da ist. Vielleicht ist da gerade eine Supernova hochgegangen.“
Beteigeuze, die linke Schulter des Himmelsjägers Orion, ist im Moment der beste Kandidat für eine Supernova-Explosion. Mit viel Glück steht bald wieder ein überragend heller Stern am Himmel und zeigt, dass der Kosmos eben doch nicht ewig gleich aussieht – wie einst bei Tycho Brahe.