Freitag, 26. April 2024

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Gesetzesentwurf zu Hasskommentaren
"Das Bußgeld erhöht den Druck auf die Unternehmen"

Alexandra Koch-Skiba vom Verband der Internetwirtschaft eco sieht durch den Gesetzesentwurf zu Hasskommentaren die Gefahr einer Löschkultur. Unternehmen würden aufgrund der angestrebten starren 24-Stunden-Frist im Zweifel eher mehr Kommentare entfernen als unbedingt nötig, sagte sie im DLF - auch wegen des angedrohten beträchtlichen Bußgeldes.

Sina Fröhndrich im Gespräch mit Alexandra Koch-Skiba | 05.04.2017
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    (Bild: picture alliance / dpa / Jens Büttner) (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Sina Fröhndrich: Lügen finden wir zuhauf auch im Internet. Fake News und Hasskommentare. Genau die will Justizminister Heiko Maas stärker bekämpfen. Facebook, Twitter und Co sollen künftig innerhalb von 24 Stunden strafbare Hass- und Hetzkommentare löschen, ansonsten droht ein Bußgeld von 50 Millionen Euro. Was bringt dieser Gesetzesentwurf? Das habe ich Alexandra Koch-Skiba vom Verband der Internetwirtschaft eco gefragt. Innerhalb von 24 Stunden sollen Hasskommentare gelöscht werden oder gesperrt werden, ist das umsetzbar?
    Alexandra Koch-Skiba: Das Problem mit Fristen und gerade auch mit starren Fristen, wie sie vorgesehen sind, ist, dass am Ende natürlich ein Inhalt immer als Einzelfall bewertet werden muss. Die Inhalte selbst müssen im Kontext gesehen werden und sind auch im Kontext zu bewerten. Das heißt, man hat beispielsweise nicht nur einen Satz, der in einem Forum steht, sondern sehr häufig muss man dann auch rechts und links ein Stück weiterlesen, um überhaupt die Aussage der Äußerung richtig zu erfassen. Und natürlich haben wir hier immer ein sehr starkes Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und der Frage, haben wir wirklich schon einen strafrechtlich verbotenen Inhalt. Und hier gilt es, gerade wegen der Meinungsfreiheit auch sehr sorgfältig zu prüfen, ob der Inhalt denn tatsächlich gegen geltendes Recht verstößt.
    Fröhndrich: Das klingt jetzt so, als wären die 24 Stunden nicht ausreichend.
    Koch-Skiba: Es ist sehr schwierig, das in der Zeit zu schaffen. Bei ganz offensichtlichen Fällen mag das funktionieren. Aus unserer Erfahrung heraus kann ich jedoch sagen, dass die seltensten Fälle auch offensichtlich sind. Der Regelfall bewegt sich tatsächlich in einem komplexen Umfeld, so dass man zeitaufwendig prüfen muss und auch vor allem umfassend rechtlich prüfen muss.
    "Gefahr, dass vor Ablauf der starren Fristen im Zweifel eher gelöscht wird"
    Fröhndrich: Was ist denn jetzt die Folge dieser 24-Stunden-Frist? Wird man dann am Ende vielleicht einfach löschen, um sicherzugehen, dass man einer Strafe entgeht?
    Koch-Skiba: Das ist die Gefahr, die wir sehen, denn man darf auch nicht vergessen, das angedrohte Bußgeld ist schon beträchtlich. Und das erhöht den Druck auf die Unternehmen und erhöht auch das Haftungsrisiko der Unternehmen. Und das birgt zwangsläufig die Gefahr, dass kurz vor Ablauf dieser starren Fristen natürlich im Zweifel eher gelöscht werden wird, wenn das Unternehmen nicht hundertprozentig von einem legalen Inhalt ausgeht. Das ist der große Unterschied zu der Situation, wie wir sie heute haben, indem die Unternehmen tatsächlich sicher darauf sich verlassen dürfen, dass die Inhalte nur gelöscht werden müssen, wenn auch tatsächlich eine Rechtswidrigkeit feststeht.
    Fröhndrich: Könnte man denn da fast schon von einer Löschkultur sprechen, die da jetzt gefördert wird?
    Koch-Skiba: Es besteht zumindest die Gefahr, dass im Zweifel eher mehr gelöscht wird als tatsächlich notwendig wird, ja.
    Unternehmen müssen erst ab Kenntnis handeln
    Fröhndrich: Wenn man jetzt noch mal genau auf die Unternehmen schaut – das sind Facebook, Twitter, auf die man jetzt dieses Gesetz zugeschnitten hat. Ein soziales Netzwerk bietet Raum für Meinungen, für den Austausch. Dann könnte man ja eigentlich sagen, dann müssen die auch in der Lage sein zu kontrollieren, was da alles gepostet wird. Müssen die das nicht auch im Prinzip besser unter Kontrolle bekommen?
    Koch-Skiba: Zunächst mal gilt hier festzustellen, dass es sich für die Unternehmen um fremde Inhalte von den Usern handelt und nicht um eigene Inhalte, die die Unternehmen bereitstellen.
    Fröhndrich: Aber sie bieten die Plattform dafür.
    Koch-Skiba: Sie bieten die Plattform dafür. Nichts desto trotz haben die Gesetzgeber entschieden, insbesondere im Rahmen des Telemediengesetzes und der korrespondierenden E-Commerce-Richtlinie auf EU-Ebene, dass die Unternehmen diesem Umstand, dass es sich um fremde Inhalte handelt, Rechnung getragen wird, indem die Unternehmen erst ab Kenntnis von einem rechtswidrigen Inhalt auch tatsächlich handeln müssen, sprich die Löschverpflichtung, die auch im Raum steht. Das ist auch vom gesamten Haftungskonzept her eine Lösung, die sich bewährt hat und die gut austariert ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.