Samstag, 11. Mai 2024

Archiv

Bundesarbeitsgericht
Alkoholiker trifft bei Rückfall keine Schuld

Ein alkoholkranker Angestellter war nach mehreren Therapien rückfällig geworden. Seine Firma und seine Krankenkasse stritten, ob die Firma Lohnfortzahlung im Krankheitsfall leisten musste. Die Krankenkasse vertrat die Meinung, dass der alkoholkranke Mann unverschuldet rückfällig geworden war - das bestätigte nun das Bundesarbeitsgericht.

Von Henry Bernhard | 18.03.2015
    Es ging um den Fall eines alkoholkranken Angestellten einer Stuckateur-Firma in NRW. Der alkoholkranke Mann war nach mehreren Therapien rückfällig geworden. Er wurde mit 4,9 Promille und einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert, lag über Wochen im Koma und blieb über zehn Monate arbeitsunfähig.
    Strittig war zwischen der Firma und der Krankenkasse, ob die Firma Lohnfortzahlung im Krankheitsfall leisten musste. Die Krankenkasse vertrat die Meinung, dass der alkoholkranke Mann unverschuldet rückfällig geworden war und die Firma deshalb den Lohn weiterzahlen müsse. Die Firma sah den Mann dagegen für selbst verantwortlich an. Die Vorinstanzen hatten geurteilt, dass den Alkoholiker keinerlei Schuld traf. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte und differenzierte diese Sichtweise heute.
    Sprecherin Stephanie Rachor: "Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur dann verliert, wenn er in erheblichem Maße, das heißt also grob, gegen seine eigenen Interessen verstoßen hat. Das ist bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer regelmäßig nicht anzunehmen."
    Auch nach mehreren Therapien wäre ein Alkoholkranker nicht geheilt, sondern im besten Falle abstinent. Die psychosozialen Umstände wie Familie, Arbeit, Freundeskreis, psychische Belastungen usw. könnten jedoch regelmäßig zu Rückfällen führen. Ein Verschulden des Kranken dafür könne zwar nicht stets und immer ausgeschlossen werden, müsse aber im Einzelfall immer durch ein medizinisches Gutachten nachgewiesen werden.
    "Eine Alkoholabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung. Der Vorsitzende hat in der Urteilsbegründung auch noch einmal betont, dass die Sucht latent fortbesteht, also keine generelle Heilung möglich ist." Insofern käme dem Urteil eine allgemeine Bedeutung zu, so die Sprecherin Stephanie Rachor: "Es ist für all diese Fälle von Alkoholabhängigkeiten eine Grundsatzentscheidung, weil sie klarstellt, dass selbst bei einem Rückfall nur in Ausnahmefällen ein Verschulden angenommen werden kann."