Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Bundesinstitut für Risikobewertung
Insekten als Alternative zu tierischen Produkten

Andernorts echte Leckerbissen und dazu noch günstige Eiweißlieferanten - Insekten als Nahrungsmittel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist der Frage nachgegangen, wie gesund der Verzehr von Maden, Heuschrecken oder Grillen eigentlich ist.

Von Dieter Nürnberger | 25.05.2016
    Tausende von Mehlwürmer liegen in einer Kiste
    Mehlwürmer könnten als Alternative zu Fischmehl in der Tiermast eingesetzt werden. (picture-alliance/ ZB / Arno Burg)
    In Thailand beispielsweise werden Grillen zum täglichen Verzehr längst in speziellen Farmen aufgezogen. Andere Traditionen, andere Essgewohnheiten. Ernährungsphysiologisch spricht vieles für Insekten als Nahrungsquelle. Darüber sind sich viele Experten einig. Dietrich Knorr beispielsweise ist Mitglied der Kommission zur gesundheitlichen Beratung von Lebensmitteln bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er verweist zudem auf Chancen einer nachhaltigeren Entwicklung im Agrarbereich.
    "Die Proteingehalte der Insekten sind im Vergleich zu den klassischen, tierischen Lebensmitteln wesentlich höher. Die Insekten haben einen Riesenvorteil - weniger Land, weniger Wasser, gleichzeitig eine höhere Nährstoffeffizienz, auch weniger CO2-Ausstoß: Das heißt, dass Insekten im Sinne einer besseren Nachhaltigkeit ganz bestimmt eine Alternative zu klassischen, tierischen Produkten darstellen."
    Nur ein Bruchteil der Insektenarten wird verzehrt
    Weltweit - so wird geschätzt - gibt es sechs bis zehn Millionen unterschiedliche Insektenarten, verzehrt wird davon nur ein Bruchteil, knapp 2.000 Spezies. Die Größenordnung allein zeige schon, dass hier noch ein immenser Forschungsbedarf vorhanden sei, so die Wissenschaftler. Insekten als Nahrungsquelle oder als Beimischung für Futtermittel - in Europa ist dies noch weitgehend Neuland. Bei der Tagung des Bundesinstituts für Risikobewertung ging es deshalb überwiegend um Sicherheit. Denn bisher liegen kaum Untersuchungen zur toxikologischen oder mikrobiologischen Beschaffenheit vor. Es gibt aber Einzelergebnisse über bestimmte Insektenarten - Alfonso Lampen ist Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung BfR:
    "Das Cantharidin der spanischen Fliege beispielsweise. Das ist ein bestimmter Käfer, der wirkt direkt toxisch. Das heißt: Übelkeit bis zum Erbrechen, Magen- und Darmprobleme sind die Folge. Oder auch der Bockkäfer - der wird in diesem Zusammenhang auch diskutiert. Das müssen wir wissen, und dann entsprechend bei der Aufreinigung Prozesse einbauen, die dazu führen, dass solche Stoffe nicht mehr dabei sind."
    Mikrobiologische Risiken
    Doch gerade eine Nutzung im großen Maßstab - in der Massenaufzucht von Insekten - wirft weiterhin Fragen auf. Auch ethische: Wie sollen die Millionen von Insekten dann getötet werden? Mit Gas oder per Kälteschock? Was sagen Tierschützer dazu? Dietrich Knorr von der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
    "Wenn Sie so wollen - es geht um die sogenannte humane Tötung der Insekten. Das klingt furchtbar, speziell, wenn es um die Anwendung von Gasen geht. Das übliche Gefrieren oder auch thermische Prozesse sind zu langsam. Die Erhitzung ändert auch die Eigenschaften der Proteine. Deshalb wäre die Anwendung des Gases CO2 die schnellste und wohl auch schonendste Variante."
    Bekannt ist auch ein mögliches allergenes Potenzial von essbaren Insekten. Mikrobiologische Risiken könnten Schadstoffe darstellen, die die Insekten aufnehmen oder auch Bakterien, die sich im Darmtrakt der Krabbeltiere ansammeln. Niels Bandick ist am BfR für biologische Sicherheit zuständig - in einigen EU-Ländern habe es schon Bewertungen gegeben.
    "In den Niederlanden und in Belgien gibt es bereits mikrobiologische Empfehlungen. Die Frage ist immer, ob hier solche festgelegten Werte auch erfüllt werden können. Es hat sich gezeigt, dass es gerade in der industriellen Zucht zum Teil wohl Schwierigkeiten gibt, solche Warnwerte einzuhalten."
    Akzeptanz von Insektenbeigabe
    Das Bundesinstitut spricht sich dafür aus, dass die gesundheitlichen Risiken durch Insekten als Lebens- oder Futtermittel noch besser erforscht werden sollten. Es gehe um einen vorbeugenden, gesundheitlichen Verbraucherschutz.
    Das BfR hat auch eine Umfrage zum Thema durchgeführt: Demnach würden fast zwei Drittel der Deutschen eine Beigabe von Insektenbestandteilen in Futtermitteln befürworten. Bei Lebensmitteln hingegen ist nur noch knapp die Hälfte für eine Beimischung - trotz generell guter Proteingehalte der Insekten.