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Bundeswehr-Skandal
"Eine Ministerin, die ankündigt, aber nichts tut"

Das Vertrauensverhältnis zur Bundeswehr müsse wieder hergestellt werden, forderte der SPD-Politiker Lars Klingbeil im DLF. Bei der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses seien offene Fragen nicht geklärt worden. Es brauche aber dringend Antworten, warum der Militärische Abschirmdienst eigentlich nicht ermittelt habe.

Lars Klingbeil im Gespräch mit Ute Meyer |
    Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
    Lars Klingbeil, Bundestagsabgeordneter der SPD, bezeichnete die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses als "ein enttäuschendes Erlebnis". (imago/IPON)
    Ute Meyer: Einer, der auch mit bei der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses dabei war, ist Lars Klingbeil, Bundestagsabgeordneter der SPD. Herr Klingbeil, Ihre Kollegen, die wir eben in dem Beitrag gehört haben, die sparen ja nicht mit Kritik an der Ministerin. Haben Sie Frau von der Leyen denn auch so erlebt, als rede sie sich raus?
    Lars Klingbeil: Ja man muss insgesamt schon sagen, das war ein enttäuschendes Erlebnis heute. Wir hatten uns als Parlamentarier, die wir ja die Verantwortung auch tragen bei einer Parlamentsarmee, erhofft, dass wir heute viel mehr Informationen kriegen, dass wir auch Verantwortung klären können, offene Fragen geklärt werden, und das Ergebnis gibt es nicht.
    Meyer: Was haben Sie denn Neues erfahren?
    Klingbeil: Eigentlich haben wir das erfahren, was wir in den Medien bereits lesen konnten. Frau von der Leyen hat am Anfang auch noch mal deutlich gemacht, dass sie Probleme in der Tat genauso sieht wie wir, wenn es etwa um politische Bildung geht, wenn es auch um Fragen der inneren Führung geht, und hat dann eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt, die sie nun angehen will. Sie will schauen, wie man innere Führung stärken kann, wie man auch Kommunikation in der Truppe stärken kann, die Frage, ob man die politische Bildung stärken muss. Nur das, was mich stört, ist, dass die Ministerin immer tut, als ob sie zwei Wochen im Amt sei. Sie trägt seit knapp vier Jahren Verantwortung und muss sich die Frage gefallen lassen, was hat sie eigentlich in diesen vier Jahren getan, auch um innere Führung, politische Bildung und all diese Dinge voranzubringen. Und wir erleben eine Ministerin, die ankündigt, die aber nichts tut, und das ist ein großes Problem für die Bundeswehr.
    "Die Ministerin hat einen sehr pauschalen Vorwurf erhoben"
    Meyer: Ihr Kollege Rainer Arnold behauptet, von der Leyen habe Misstrauen gesät durch ihre Anschuldigungen, die sie vor ein paar Tagen gemacht hat, und andererseits fordert er aber, dass Frau von der Leyen mehr tun soll, auch Verantwortung übernehmen soll. Dasselbe fordern Sie auch jetzt. Aus meiner Sicht widerspricht sich das etwas?
    Klingbeil: Wir müssen zwei Dinge diskutieren. Das eine ist in der Tat, dass wir einen gravierenden Fall haben um den Offizier Franco A., wo ja gestern eine zweite Festnahme stattgefunden hat und wir aufklären müssen, ob es dort eine Terrorzelle innerhalb der Bundeswehr gibt, ob es dort ein Netzwerk gibt, was dort vorgefallen ist und warum der Militärische Abschirmdienst diese Fälle nicht aufklären konnte. Und das Zweite ist aber in der Tat, dass die Ministerin am letzten Wochenende einen sehr pauschalen Vorwurf erhoben hat, indem sie gesagt hat, die Bundeswehr hätte ein Führungs- und ein Haltungsproblem. Das hat Tausende von Soldatinnen und Soldaten tief getroffen, die täglich vernünftig, tadellos ihren Dienst tun.
    Meyer: Auf der einen Seite tut Ursula von der Leyen zu wenig und auf der anderen Seite schießt sie übers Ziel hinaus?
    Klingbeil: Genau. Sie muss das Richtige tun, und das hat sie in der Tat nicht getan. Sie ist weit übers Ziel hinausgeschossen. Und auch bei der Frage der Rechtsextremen in der Bundeswehr, der zwei konkreten Fälle, die wir haben, muss sie sich ja fragen lassen, warum hat sie sich um diese Problematik nicht vorher gekümmert.
    Meyer: Wie soll Ursula von der Leyen denn jetzt Verantwortung übernehmen? Ich meine, immerhin: Sie hat sich entschuldigt wegen dieser Pauschalierungen, die Sie kritisieren, und sie hat auch schon Selbstkritik geübt.
    Klingbeil: Ja, es war eine halbherzige Entschuldigung. Da hätte ich mir gewünscht, dass sie heute im Ausschuss auch noch mal deutlicher wird, weil sie jetzt den Schritt auch auf die vielen Soldatinnen und Soldaten zugehen muss, die vernünftig ihren Dienst leisten. Und das Zweite ist, dass wir dringend Antworten brauchen als Verteidigungsausschuss auf die Frage, warum hat der MAD eigentlich nicht ermittelt, warum ist dort nicht vorgegangen worden. Das muss uns als Parlamentarier auch sehr schnell offengelegt werden, damit wir auch gucken können, an welchen Stellen wir nachzusteuern haben.
    Meyer: Aber ein bisschen klingt das so, als könne Frau von der Leyen nichts mehr richtig machen, und das klingt auch nach Wahlkampf.
    Klingbeil: Sie hat sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Das muss man deutlich sagen. Das ist eine Kritik, die ich auch aus der Truppe höre. Wir nehmen ja auch wahr, dass es auch in der CDU sehr einsam um Frau von der Leyen geworden ist. Es gibt die Kanzlerin, die sich an ihre Seite gestellt hat, und danach sind es recht wenige. Insofern hat Frau von der Leyen dort erst mal wieder was gutzumachen. Das ist aber kein Wahlkampfgetöse, sondern es geht hier auch um die Verantwortung, die wir als Verteidigungsausschuss für die Bundeswehr haben.
    Meyer: Aber ich muss jetzt doch noch mal nachfragen. Wenn Sie sagen, dass Frau von der Leyen ihre Anschuldigungen pauschal an die Bundeswehr gerichtet hat – sie hat gesagt, in der Bundeswehr gäbe es generell ein Haltungsproblem -, wenn Sie das kritikwürdig finden, gehen Sie davon aus, dass diese Terrorzelle, nenne ich sie jetzt mal, ein paar hochkriminelle Außenseiter sind und die Truppe ansonsten kein Problem hat?
    "Es geht darum, dass wir Sachen jetzt aufklären""
    Klingbeil: In der Tat haben wir momentan zwei konkrete Fälle. Die Ministerin hat ja gesagt, sie befürchtet, das sei gerade die Spitze des Eisberges. Auch da haben wir heute nachgefragt, ob sie konkrete weitere Hinweise hat. Das würde uns als Ausschuss sehr interessieren. An dieser Stelle konnte sie nichts sagen. Ich sehe, dass wir in der Bundeswehr einen übermäßigen Teil an Personen haben, die sich an Recht und Ordnung halten und die sich auch darum kümmern, dass die Bundeswehr in einem guten Licht steht, und die sind durch die Äußerung der Ministerin getroffen worden.
    Meyer: Aber die ganzen Aussagen auch von Bundeswehrexperten, dass es durchaus ein Milieu gibt, das Rechte anzieht, und auch eine Toleranz gegenüber Wehrmachts-Devotionalien, diese Analysen, die teilen Sie nicht, die können Sie nicht nachvollziehen?
    Klingbeil: Natürlich ist es so, dass jemand, der eine Zuneigung zu Waffen hat, der Hierarchien mag, der auf Uniformen steht, der geht eher zur Bundeswehr, als dass er das Freiwillige Soziale Jahr macht. Und umso wichtiger ist es, dass wir funktionierende Institutionen wie den Militärischen Abschirmdienst haben, dass wir Kontrolle haben, dass wir politische Bildung haben, und da müssen wir sehen, dass auch politische Bildung abgebaut wurde in der Verantwortung von Frau von der Leyen, und das sind alles Maßnahmen, wo wir gegensteuern müssen. Nur die Ministerin muss sich jetzt die Frage gefallen lassen, …
    Meyer: Die hat die Ministerin jetzt vorgeschlagen.
    Klingbeil: Genau. Und sie muss sich aber auch fragen lassen, warum hat sie das erst jetzt erkannt und nicht in den vier Jahren davor.
    Meyer: Und was soll sie jetzt tun, um ihre Fehler aus der Vergangenheit wieder gutzumachen?
    Klingbeil: Es geht darum, dass wir Sachen jetzt aufklären, was hat der MAD falsch gemacht, und dann geht es darum, dass die Dinge, die die Ministerin heute vorgeschlagen hat, schnell angegangen werden, dass es keine langen Prozesse sind. Sie hat heute Dinge angekündigt, die wahrscheinlich erst in der nächsten Legislatur greifen. Aber bei Sachen wie politischer Bildung muss es jetzt schnell gehen und wir haben da keine Zeit mehr, die wir verlieren dürfen.
    Meyer: Fordern Sie einen Rücktritt der Ministerin?
    Klingbeil: Nein, ich fordere keinen Rücktritt der Ministerin. Es geht darum, dass wir als Parlament mit der Regierung jetzt Dinge erstens schnell aufklären und zweitens auch dafür sorgen, dass es das Vertrauensverhältnis zur Bundeswehr wieder gibt. Das muss wiederhergestellt werden. Das steht jetzt für mich im Vordergrund.
    Meyer: Danke schön! – Lars Klingbeil war das, Bundestagsabgeordneter der SPD und Mitglied im Verteidigungsausschuss.
    Klingbeil: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.