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CDU in Thüringen
"Ein proaktives Wählen von Ramelow kann ich mir nicht vorstellen"

Der CDU-Politiker Tankred Schipanski geht nicht davon aus, dass die Thüringer CDU den Linken Bodo Ramelow wählen wird. Dies sei mit Blick auf den dritten Wahlgang auch nicht nötig, sagte er im Dlf. Ramelow könne auch mit den Stimmen seiner Minderheitsregierung Ministerpräsident werden.

Tankred Schipanski im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
13.02.2020, Berlin: Tankred Schipanski (CDU) spricht auf der 146. Sitzung des Bundestages. Gut eine Woche nach der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit Stimmen der AfD ging es in der Aktuellen Stunde des Bundestags erneut um dieses Thema. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Tankred Schipanski (CDU) ist Bundestagsabgeordneter aus Gotha und damit Mitglied der Thüringer Landesgruppe (Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)
Knapp zwei Wochen sind seit dem Wahldebakel von Thüringen vergangen. Doch wie es im Erfurter Landtag weitergehen soll, ist bis heute nicht klar. Fest steht nur so viel: Der Ministerpräsident Thomas Kemmerich von der FDP, der mit den Stimmen der AfD gewählt wurde, ist zurückgetreten, und jetzt sucht das Land einen neuen Regierungschef.
Bodo Ramelow von den Linken will heute Gespräche mit der CDU führen. Mit dabei sein werden auch Vertreter von SPD und Grünen. Der Plan könnte eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung sein, die auch Unterstützung von der Union bekommt.
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In Thüringen wollen Abgeordnete von Linke, SPD und Grünen gemeinsam mit einer Verhandlungsgruppe der CDU über eine Lösung in der Regierungskrise sprechen. Dlf-Thüringen-Korrespondent Henry Bernhard mit einer Einschätzung der Lage.
Der CDU-Politiker Tankred Schipanski ist Bundestagsabgeordneter aus Gotha und damit Mitglied der Thüringer Landesgruppe. Er geht nicht davon aus, dass die CDU in Thüringen Bodo Ramelow aktiv wählen wird.

Tobias Armbrüster: Herr Schipanski, hat sich in den letzten Tagen bei der Union etwas verändert?
Tankred Schipanski: Ich glaube, die Ereignisse haben sich ein ganzes Stück überschlagen nach dieser legendären Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, und ich glaube auch, die Thüringer Union wurde insbesondere wachgerüttelt, was sie an diesem Tage getan hat.
Armbrüster: Was können Sie Ihren Kollegen in Thüringen heute bei den Gesprächen auf den Weg geben?
Schipanski: Ich glaube, es ist erst mal ganz wichtig, dass ein neues Verhandlungsteam jetzt mit der eventuellen Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün in Thüringen spricht. Der bisherige Fraktionsvorsitzende und bisherige Landesvorsitzende Mike Mohring hat ja seinen Rückzug von beiden Ämtern angekündigt, und ich denke, das ist erst mal ein wichtiger Schritt, auch Vertrauen wiederherzustellen bei den anderen Gesprächspartnern und um Schaden von der Partei entsprechend abzuwenden.
Die Ausgangssituation ist aber relativ ähnlich und ich denke, nach dieser Ministerpräsidentenwahl geht es jetzt noch mal zurück auf null beziehungsweise zurück auf Start.
"Ramelow wusste, dass er ohne eigene Mehrheit in die Wahl geht"
Armbrüster: Das könnte aber heißen, die CDU könnte durchaus sich vorstellen, einen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in einer Minderheitsregierung zu unterstützen, zumindest mit einigen Stimmen mitzuwählen? Darum würde es ja gehen.
Schipanski: Ich glaube, es geht nicht um Mitwählen bei dieser Fragestellung, sondern Bodo Ramelow wusste, dass er ohne eine eigene Mehrheit in diese Wahl geht. Man hatte sich auch ein ganzes Stück verständigt, dass er mit einer Minderheitsregierung antreten möchte. Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat auf einer Klausurtagung 22 Vorhaben herausgearbeitet, wo sie sagt, die sind ihr wichtig, da kann man auch mit einer Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün sprechen, dass diese Dinge umgesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass das Verhandlungsteam genau heute über diese 22 Vorhaben sprechen wird. Das heißt aber Unterstützung einer Minderheitsregierung. Das betrifft aber, denke ich, nicht die Wahl von Bodo Ramelow in einem ersten oder in einem zweiten Wahlgang.
Armbrüster: Das heißt, Sie raten Ihrer Partei, ihn tatsächlich auch dieses Mal, wenn es dazu kommen sollte, nicht noch einmal zu wählen?
Schipanski: Es geht da nicht um die Frage, ob man nicht noch einmal wählt, sondern ich glaube, entscheidend wird wiederum meines Erachtens der dritte Wahlgang sein. Man kann mit Blick auf die Historie, mit Blick auf die Ergebnisse der Landtagswahl, aber auch der klaren Beschlusslage der CDU Thüringen nicht ernsthaft erwarten, dass man proaktiv einen Linken Ministerpräsidenten wählt. Es war eigentlich bis dato ausgemacht, dass man sich immer in diesem dritten Wahlgang enthält. Davon bin ich auch bei der letzten Wahl ausgegangen. Es ist anders gekommen. Aber ich darf noch mal festhalten: Ein proaktives Wählen von Bodo Ramelow kann ich mir persönlich nicht vorstellen. Laut Verfassung und auch mit Blick auf den dritten Wahlgang ist das aber auch nicht notwendig, damit Bodo Ramelow ins Amt kommt, sondern er kann auch mit den Stimmen seiner Minderheitsregierung im dritten Wahlgang dieses Amt erreichen.
"Da wurden auch Fehler von der Union gemacht"
Armbrüster: Das heißt, Herr Schipanski, nur um das noch einmal ganz klar zu machen – auch für alle die, die jetzt mit den Feinheiten dieses Umgangs mit so einer Wahl nicht ganz vertraut sind: Sie wollen sagen, Bodo Ramelow wird definitiv im ersten und zweiten Wahlgang nicht die Stimmen der CDU bekommen, damit wahrscheinlich auch keine absolute Mehrheit, die er dann bräuchte in diesen beiden Wahlgängen, sondern er soll sich darauf verlassen, dass es mit einer einfachen Mehrheit im dritten Wahlgang getan ist? Das ist das Szenario, das Ihnen vorschwebt?
Schipanski: Jetzt bin ich nicht Mitglied der Thüringer Landtagsfraktion. Das müssen natürlich die Kollegen im Landtag selbständig entscheiden, genauso wie sie das letzte Wahlergebnis selbst entschieden haben, auch selbst dafür die Verantwortung tragen. Aber mit meiner Sichtweise aus Berlin, so möchte ich sagen, und auch verhaftet in der Thüringer Union halte ich das für ein mögliches Szenario, hier wiederum auf einen dritten Wahlgang abzustellen.
Armbrüster: Sorgen Sie damit nicht weiter für Unsicherheit im Landtag und damit genau für das, was dieses Debakel vor zwei Wochen mit verursacht hat?
Schipanski: Für Unsicherheit im Landtag hat natürlich erst mal primär Bodo Ramelow gesorgt, indem er sich in eine Wahl begeben hat, ohne eine Mehrheit zu haben. Dass dann natürlich durch taktische Manöver von der AfD im Hauptsächlichen, aber auch dadurch, dass die bürgerlichen Parteien FDP und CDU da in eine Falle getappt sind, es zu diesen chaotischen Zuständen kam, das ist erst einmal festzuhalten, und es ist erst mal gut, dass nun auch Rot-Rot-Grün Gespräche, möchte ich mal sagen, vorher mit der Union mit Blick auf diese Wahl führt. Da hatte man sich ja lange Zeit verweigert. Nun warten wir doch die Gespräche heute erst einmal ab, wie das Verhandlungsteam der Union mit dem Verhandlungsteam von Rot-Rot-Grün verhandelt, wo man übereinkommt, wie das aussieht. Dem kann ich nicht vorgreifen. Ich bin auch nicht Mitglied dieses Teams.
Armbrüster: Herr Schipanski, wollen Sie denn wirklich sagen, dass das jetzt die Schuld war von Bodo Ramelow und seiner Fraktion, dass die CDU da einen Ministerpräsidenten gemeinsam mit der AfD gewählt hat?
Schipanski: Nein, nein. Aber ich möchte festhalten, dass es ein erster Fehler dieses ganzen Prozesses war, dass Bodo Ramelow sich in eine Wahl begeben hat, ein hohes Risiko eingegangen ist, wo er genau wusste, er hat keine Mehrheit. Ein zweiter Fehler war sicherlich auch gewesen, dass der FDP-Mann Kemmerich diese Wahl angenommen hat, dass diese Wahl einen Makel hat durch die AfD-Stimmen, der nicht nur bei der FDP anlastet, sondern insbesondere auch bei der Union. Ich glaube, das haben die vergangenen Wochen auch sehr deutlich gemacht, und sowohl die Union als auch die FDP haben entsprechende Schlüsse daraus gezogen. Christian Lindner hat sich für dieses beschämende Verhalten auch noch mal ausdrücklich entschuldigt. Von daher: Da wurden auch Fehler selbstverständlich von der Union gemacht.
"Für mich nicht denkbar, proaktiv einen Linken Ministerpräsidenten zu unterstützen"
Armbrüster: Herr Schipanski, Sie wollen Herrn Ramelow jetzt genau mit diesem Szenario erneut in eine Wahl schicken, wenn ich das mal so salopp sagen kann, dass er erneut antreten soll als Ministerpräsident einer Minderheitsregierung und darauf hoffen soll, dass es irgendwie klappt im ersten Wahlgang. Wäre es nicht viel einfacher und wahrscheinlich für Thüringen auch wesentlich besser, wenn sich einige Politiker einfach zusammentun würden und dafür sorgen würden, dass Bodo Ramelow auch im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit bekommt und dass damit die Verhältnisse zunächst mal glasklar geklärt sind?
Schipanski: Noch mal: Es ist eine geheime Wahl. Wie sich die entsprechenden Fraktionäre im Thüringer Landtag verhalten, das ist ihre Sache. Ich kann für mich nur festhalten, es ist für mich nicht denkbar, dass man proaktiv einen Linken Ministerpräsidenten als Union unterstützt. Wir haben eine klare Beschlusslage. Wir haben vorher auch klar gesagt, mit wem wir nach einer Wahl zusammenarbeiten oder nicht zusammenarbeiten. Die Linken gehören nicht dazu. Es ist eine klassische Frage einer Minderheitsregierung und so muss man natürlich auch als Chef einer Minderheitsregierung dann suchen nach entsprechenden Themen, mit wem finde ich Mehrheiten, und ich glaube, das ist ja auch die Fragestellung, die sich jetzt ein Stück stellt, um insbesondere zur Sachpolitik zurückzukehren.
Und noch mal: Rot-Rot-Grün muss Ramelow ja gar nicht vorschlagen. Ich glaube, wir haben verschiedene Szenarien aufgezeigt, auch mit anderen Kandidaten in dieses Rennen zu gehen. Wenn man sagt, nein, das möchte ich nicht, ich will unbedingt mit Ramelow reingehen, dann, finde ich, muss man auch noch einmal in diesen dritten Wahlgang.
"Die Union kann sich im dritten Wahlgang klar positionieren"
Armbrüster: Was würden Sie denn sagen, wenn im ersten Wahlgang beispielsweise Bodo Ramelow Stimmen der AfD bekommen würde? Mal angenommen, dass ein ähnliches Szenario wie bei der Wahl vor zwei Wochen entsteht: Die AfD entscheidet sich, sie wählt komplett für Ramelow, und damit wäre Bodo Ramelow ein Ministerpräsident wie Thomas Kemmerich von AfD-Gnaden und er würde die Wahl nicht annehmen. Dann hätten Sie erneut Chaos!
Schipanski: Ob wir erneut Chaos hätten? Es gibt ja diese Ministerpräsidentenwahl oder auch das konstruktive Misstrauensvotum ist eine Möglichkeit. Sie wissen, dass insbesondere auch die Möglichkeit von Neuwahlen ausgelotet worden ist. Von daher: Ich kann mir persönlich auch nicht vorstellen, dass die AfD proaktiv einen Linken Ministerpräsidenten wählt. Andererseits haben Die Linken auch schon vorneweg vor ihrer Minderheitsregierung gesagt, wenn Projekte auch von der AfD unterstützt würden, Sachprojekte, dann ist das eben so. So bekommt man da auch die entsprechende Mehrheit. Ich glaube, das sind Fragen, die muss man an dieser Stelle nicht beantworten, weil sie sich gegenwärtig nicht stellen.
Armbrüster: Aber viele Leute, nehme ich mal an, in Thüringen fragen sich, warum die CDU in dieser Lage nicht eindeutig Position beziehen kann, um diese Unsicherheit, dieses Chaos zu beenden.
Schipanski: Ich glaube, die Union kann sich klar positionieren, insbesondere im dritten Wahlgang. Aber ich möchte noch mal festhalten: Wir haben eine klare Auffassung, was die Linkspartei betrifft, was aber auch die AfD betrifft. Das haben wir insbesondere jetzt in den letzten Wochen noch einmal sehr deutlich gemacht. Ich glaube, auch die Zeitungslandschaft hat noch mal sehr deutlich gemacht, warum eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken für die Union nicht möglich ist. Es haben sich viele zu Wort gemeldet.
Ich will noch mal sagen: Wir grenzen diese Parteien nicht aus. Wir grenzen uns aber sehr klar von diesen Parteien ab. Wir stellen diese beiden Parteien auch nicht gleich. Aber für uns ist eine Zusammenarbeit mit diesen beiden Parteien gleich unmöglich. Von daher gehe ich nicht davon aus, dass man proaktiv Kandidaten einer dieser beiden Parteien unterstützen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.