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CDU-Nahostexperte: Krieg zwischen Türkei und Syrien wird es nicht geben

Nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch die syrische Armee hat der CDU-Politiker Joachim Hörster für eine Deeskalation des Konflikts geworben. Die NATO sei gut beraten, nicht mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu drohen.

Moderation: Bettina Klein | 27.06.2012
    Bettina Klein: Es waren und sind drastische Töne aus Ankara. Nach dem Abschuss eines Militärjets drohte der türkische Regierungschef Erdogan dem Assad-Regime, auf jede weitere Aggression werde man mit militärischen Mitteln reagieren. Ziel sei es, so wörtlich, Syrien von diesem blutdürstigen Diktator und seiner Clique zu befreien. Und jener Diktator Assad sprach nun auch davon, man befinde sich im Kriegszustand, in einem Krieg, den man unbedingt gewinnen wolle.

    Am Telefon ist jetzt Joachim Hörster, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der Parlamentariergruppe für die arabischsprachigen Staaten des Nahen Ostens. Guten Morgen, Herr Hörster.

    Joachim Hörster: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Schauen wir zunächst noch mal auf die Äußerungen von Erdogan. Er sagt, einen weiteren Zwischenfall werde die Türkei nicht hinnehmen. Bedeutet das im Ernstfall doch, dass die NATO mit im Boot ist?

    Hörster: Das kann man aus diesen Äußerungen nach meinem Dafürhalten nicht erkennen. Erdogan hat eine sehr starke Sprache genutzt, die ist vorwiegend nach innen gerichtet, an die eigene Bevölkerung. Ansonsten aber hat die NATO Erdogan Unterstützung zugebilligt, allerdings beschränkt auf den politischen Bereich. Von kriegerischen Auseinandersetzungen war keine Rede.

    Klein: Kann die Türkei sich denn allein in einen bewaffneten Konflikt mit Syrien begeben, ohne irgendwelche Konsequenzen für das Bündnis?

    Hörster: Die Frage ist ja, ob dieser bewaffnete Konflikt ein Krieg zwischen Syrien und der Türkei wäre, oder ob dieser bewaffnete Konflikt sich streng regional abgrenzt, zum Beispiel an den Grenzgebieten die Auseinandersetzungen stattfinden, oder vielleicht an der Küste. Das, glaube ich, ist in keinster Weise angedeutet, dass hier ein Krieg zwischen der Türkei und Syrien stattfinden sollte.

    Klein: Also Sie schließen aus, dass es einen weiteren Zwischenfall geben könnte, der dann derart eskalieren würde?

    Hörster: Nein! Nein, einen weiteren Zwischenfall schließe ich nicht aus. Es kann in dieser schwierigen Gemengelage immer wieder zu Zwischenfällen kommen. Aber ich schließe aus, dass ein breiter Krieg angelegt wird, etwa wie im Irak oder in anderen Bereichen.

    Klein: Die Erklärung der NATO gestern, Herr Hörster, blieb nach Ansicht von Beobachtern am unteren Ende des Spektrums dessen, was möglich gewesen wäre. Wäre es eventuell besser gewesen, ein Zeichen zu setzen, dass nach wie vor alle Optionen zumindest als Druckmittel auf dem Tisch liegen, sodass Syrien sich nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen könnte, dass sowieso nichts passiert?

    Hörster: Es liegen ja nicht alle Optionen auf dem Tisch, Frau Klein. Es ist ja mehrfach ausdrücklich gesagt worden, dass eine militärische Intervention in Syrien nicht stattfinden soll. Das ist ja etwas, was insbesondere auch von den Aufständischen beklagt wird, weil hier eine Option ausgeschlossen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich an dieser grundsätzlichen Haltung irgendetwas ändert, und eine Änderung verspreche ich mir nur dann - und zwar in Richtung auf eine gemeinsame Lösung aller im Sicherheitsrat vertretenen Länder -, wenn es gelingt, mit den Russen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, eine gemeinsame Zielsetzung zu definieren.

    Klein: Nun kann man, was die NATO angeht, nicht auf Russland und China verweisen, denn die waren gestern natürlich nicht mit dabei. Also es hätte ja die Möglichkeit gegeben, eine etwas stärkere Erklärung abzugeben. Weshalb war das nicht nötig aus Ihrer Sicht?

    Hörster: Ja ich glaube, die NATO ist gut beraten, nicht mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu drohen, weil man ja dann schauen muss, ob im konkreten Fall diese kriegerische Auseinandersetzung stattfindet, und bisher ist ja die Geschäftslage so, dass niemand eine kriegerische Auseinandersetzung, niemand eine Intervention in Syrien will, und deswegen bleibt eigentlich nur der Verhandlungsweg und dann muss nicht nur die NATO mit sich zurande gehen, sondern man muss auch mit den anderen, die eine wichtige Rolle spielen - und dazu gehört ganz unstreitig Russland -, ins Gespräch kommen und man muss sie auf seine Seite bringen, damit dieses blutrünstige System, wie es der türkische Ministerpräsident Erdogan gesagt hat, bekämpft werden kann.

    Klein: Aber man muss doch schon festhalten, Herr Hörster, Syrien hat Stärke demonstriert beim Abschuss des türkischen Flugzeugs, und zwar mit Erfolg, denn es wird keine Konsequenzen haben.

    Hörster: Ja also das wird ja sehr unterschiedlich interpretiert, was mit dem Flugzeug da passiert ist. Die einen sagen, das sei ein Versehen gewesen, die anderen sagen, das Flugzeug habe sich fünf Minuten im syrischen Luftraum aufgehalten. Also das ist ja schon eine lange Zeit, wenn es um Düsenflugzeuge geht. Ich glaube, die letzte Wahrheit wird man in diesem Fall nicht herausfinden. Aber ich kann nicht erkennen, dass irgendjemand daran interessiert ist, aus diesem Vorgang einen Krieg zu entwickeln.

    Klein: Aber dass die NATO diesen Vorfall verurteilt hat und Syriens Reaktion verurteilt hat, ist doch wohl schon ein starkes Zeichen dafür, dass es da nicht um irgendeinen Zufall sich gehandelt hat.

    Hörster: Ja, da haben Sie ja völlig Recht. Aber Sie haben selbst eben auch festgestellt, dass die Reaktion der NATO an der unteren Grenze der Möglichkeiten war, die sie hat.

    Klein: Und Syrien kann zumindest davon ausgehen, dass die Staatengemeinschaft drohen kann, so viel sie will, am Ende werden keine Taten folgen, und das ist ja zumindest beruhigend aus der Sicht von Damaskus.

    Hörster: Nein! Ich glaube nicht, dass Syrien das kann, zumal ja auch weitere Sanktionen seitens der NATO-Staaten verhängt worden sind. Das heißt also, eine Reaktion hat es schon gegeben. Nur ist niemand so schnell bereit, in eine bewaffnete Auseinandersetzung einzutreten, und ich glaube, das entspricht auch der überwältigenden Meinung innerhalb der NATO-Mitgliedsstaaten.

    Klein: Schauen wir noch auf das Treffen am Samstag zu Syrien. Eine Frage, die jetzt auch gerade im Bericht anklang, war: Sollte der Iran mit einbezogen werden? Die Vereinigten Staaten von Amerika sind bislang dagegen. Was sagen Sie?

    Hörster: Ich bin der Meinung, dass man alle Optionen, die geeignet sind, das Blutvergießen in Syrien zu beenden und den Bürgerkrieg zu beenden, dass alle Optionen genutzt werden sollten, und wenn der Iran ernsthaft bereit ist, vermittelnd einzugreifen, dann sollte man auch diese Option nutzen. Ich würde keine Vorbedingungen aufbauen.

    Klein: Das heißt, Sie würden durchaus Vertreter des Iran mit dazubitten?

    Hörster: Wenn es erfolgversprechend ist, würde ich das tun.

    Klein: Welche Rolle spielt der Iran, um noch mal auf einen anderen Aspekt zu kommen, nicht nur mit Blick auf Syrien, sondern möglicherweise auch Ägypten? Es wurde ja in den vergangenen Tagen viel debattiert über die Frage, entsteht da möglicherweise auch eine neue Achse Kairo-Teheran. Ist das so, oder machte da einfach ein falsch wiedergegebenes Interview einfach Schlagzeilen?

    Hörster: Ja. Es ist ja so, dass der neue ägyptische Staatspräsident Mursi ja bestritten hat, dieses Interview überhaupt gegeben zu haben, und dieses Interview ist ja verbreitet worden von der staatlichen Nachrichtenagentur, der iranischen Nachrichtenagentur Fars, und da steht etwas ganz anderes drin als das, was der Präsident dann in seiner offiziellen Erklärung nach der Übernahme des Präsidentenamtes erklärt hat. Dort hat er nämlich gesagt, dass er alle Verträge einhalten wird, alle internationalen Verträge, auch die mit Israel. Er hat gesagt, dass er auch innerhalb Ägyptens sich darum bemüht, der Präsident aller Ägypter zu sein, der koptischen Christen, der Säkularen, und er hat angekündigt, dass er seine Vizepräsidenten aus der Reihe seiner Gegner wählen will. Also das ist eine ganz andere Tonlage als das, was die staatliche iranische Nachrichtenagentur Fars verkündet hat, und ich gehe mal davon aus, dass wir uns auf das verlassen können, was der Präsident nach der Bekanntgabe seines Wahlerfolges verkündet hat.

    Klein: Der CDU-Politiker Joachim Hörster heute Morgen hier im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Hörster.

    Hörster: Gerne, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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