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CDU-Politiker gegen Lockerung der Stammzell-Stichtagsregelung

Die neuen Erkenntnisse in der Stammzellforschung müssten nach Einschätzung des CDU-Politikers Hubert Hüppe in Deutschland die Debatte über eine Lockerung der bisherigen Stichtags-Regelung beenden. Er gehe davon aus, dass es dafür im Bundestag keine Mehrheit geben werde, sagte Hüppe. Die japanischen und amerikanischen Wissenschaftler hätten gezeigt, dass man für die Forschung keine embryonalen Stammzellen brauche.

Moderation: Jürgen Liminski | 22.11.2007
    Jürgen Liminski: Mit der Stammzellforschung verbinden sich große Hoffnungen. Pluripotente Stammzellen könnten bisher unheilbare Krankheiten besiegen, heißt es, und deshalb wird seit Jahren mit und über diese sogenannten Alleskönner geforscht. Ein Problem betrifft die Menschenwürde. Darf man an embryonalen Stammzellen forschen? Und da wir Embryonen, also menschliches Leben vernichten, gibt es Alternativen dazu, etwa adulte Stammzellen, die man aus dem Knochenmark oder Blut gewinnen kann? Forschung und Politik sind sich uneins, die Trennlinie verläuft durch alle Parteien, zum Beispiel wenn es um die Frage geht, ob man das Stammzellgesetz modifizieren soll, um die Forschung mit embryonalen Stammzellen zu erleichtern. Und nun ist japanischen und amerikanischen Forschern die Umwandlung von Haut- in Stammzellen beim Menschen gelungen. Welche politischen Folgen hat das? Wird die Diskussion zur Novellierung der Gesetze nun überflüssig? Wo sollen die Gelder der Forschung hin fließen? Fragen, die wir an den für Bioethik zuständigen Berichterstatter der Unionsfraktion Hubert Hüppe richten. Er ist auch der Behindertenbeauftragte der Fraktion und war Vizechef der Bioethik-Enquete-Kommission des Bundestages. Guten Morgen, Herr Hüppe!

    Hubert Hüppe: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Herr Hüppe, die Folgen und Nebenwirkungen sind noch nicht bekannt, trotzdem fragen wir mal den Politiker und Experten: Ist das ein Durchbruch zu neuen Therapien, sozusagen zum Königsweg der regenerativen Medizin?

    Hüppe: Also da bin ich sehr vorsichtig. Wir haben zehn Jahre lang schon Forschung gehabt mit embryonalen Stammzellen, und sie hat bisher noch nichts gebracht. Wir haben weltweit, selbst da, wo die liberalsten Gesetze gelten, nicht eine klinische Studie, die begonnen hat. Und deswegen bin ich dann immer vorsichtig, wenn man neue Ergebnisse hat. Denn es ist eins gelungen, man hat erwachsene Stammzellen von erwachsenen Menschen in embryonale Stammzellen umgewandelt, das heißt, es wird wahrscheinlich auch dieselben Probleme geben wie bei den embryonalen Stammzellen. Der Fortschritt ist der, man braucht die embryonalen Stammzellen jetzt nicht mehr. Und das bedeutet natürlich, man ist aus dem ethischen Dilemma heraus, man muss also kein menschliches Leben mehr für Forschungszwecke töten. Und ich denke, das ist auch gut so. Es sind natürlich insofern schon sensationelle Ergebnisse, wobei man so ganz neu überrascht nicht war, denn es gab schon im letzten Jahr diese Forschungsergebnisse, zwar nicht bei Menschen, sondern bei der Maus.

    Liminski: Aber Herr Hüppe, der Durchbruch gelang in einem Labor, in dem auch an embryonalen Stammzellen geforscht und experimentiert wurde. Ein Argument lautet also, der Durchbruch sei gelungen dank der Arbeit mit dieser Zellart, und deshalb müsse das genau weiterbetrieben werden. Sind die embryonalen Stammzellen wirklich verzichtbar, solange die Nebenwirkungen der neuen Zellen noch nicht geklärt sind? Gibt es überhaupt Alternativen?

    Hüppe: Ja, interessant ist, dass man ja zum Vergleich alte Stammzelllinien genommen hat, die aus 1998. Also zum Beispiel der Herr Yamanaka, das ist der japanische Forscher, hat also die hES-Zelle, so nennt man die Linie, H9 genommen. Das ist eine der ältesten Stammzelllinien, die es überhaupt gibt auf der Welt. Und die kann man auch nach Deutschland einführen. Also wenn jetzt die Forscher kommen oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft kommt und sagt, man müsse jetzt aber auch die neuen Stammzelllinien von frisch getöteten Embryonen nach Deutschland importieren können, dann muss man sagen, das braucht man nicht, es reichen völlig die alten Zelllinien aus. Da gibt es gar keine neuen Bedürfnisse.

    Liminski: Also ist Ihrer Meinung nach die Debatte über die Stichtagsregelung beendet?

    Hüppe: Also wenn man einsichtig ist und nicht ideologisch, dann müsste sie eigentlich beendet sein. Der größte Kronzeuge ist ja Ian Wilmut, das ist ja sozusagen der Klonpionier, der das Klonschaf Dolly geschaffen hat. Er selber hat jetzt gesagt, obwohl er die Lizenz sogar zum Klonen von menschlichen Embryonen hat, was ja noch weit über das hinausgeht, was in Deutschland möglich wäre, er hat selbst gesagt, nicht aus ethischen Gründen würde er jetzt auf embryonale Stammzellforschung und embryonales Klonen verzichten, sondern weil sich einfach dieser Weg nicht lohnt. Und wenn wir sagen, gerade auch in der Union, wir haben auch ethische Bauchschmerzen, weil immerhin menschliches Leben getötet wird, dann müsste für uns umso mehr gelten, dass wir jetzt nicht noch mal an das Stammzellgesetz herangehen und es weiter aufweichen.

    Liminski: Das dürften Ihre Kollegin und Parteifreundin Katherina Reiche oder auch die zuständige Ministerin Schavan anders sehen. Zwar haben der Deutschlandtag der Jungen Union und etliche Kreisparteitage auch im Wahlkreis von Frau Schavan selbst sich gegen eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes ausgesprochen - Sie sprachen eben ja auch von der Union -, aber Teile der Forschung sind massiv dafür und Teile der Union eben auch. Wird diesen Gruppen nun der Boden entzogen?

    Hüppe: Also ich glaube schon. Es gab schon immer eine deutliche Mehrheit in der Unionsfraktion gegen embryonale Stammzellforschung überhaupt. Wir hatten ja schon bei der letzten Abstimmung, wo es um den Import zum Stichtag ging, zwei Drittel Mehrheit gegen überhaupt jegliche Embryonenforschung. Und man muss ja sagen, im Nachhinein hat sich das ja nur bestätigt. Wir haben trotz der großen Versprechen dieser Wissenschaftler ja überhaupt keine Ergebnisse, also zumindest keine, die in Therapieform enden können. Und interessant ist, dass auch in der Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestern gar nicht mehr von therapeutischen Ergebnissen gesprochen wurde, nur noch über Erkenntnisse, die man zum Entstehen von Krankheiten braucht. Also auch da wird zurückgerudert. Man weiß selbst, dass offensichtlich diese Forschung erfolglos ist, während man im Bereich der adulten Stammzellen, zum Beispiel auch bei den Stammzellen aus Nabelschnurblut, weltweit großartige Erfolge feiert. Wir haben allein über 1.500 Studien, die in Amerika registriert sind, klinische Studien mit adulten Stammzellen, wo heute Menschen geholfen wird und wo Menschen deswegen nicht sterben, weil wir dort Gelder hinein geben. Und hier sterben Menschen, weil wir keine Mittel in diese erfolgreiche Forschung geben.

    Liminski: Bei diesen Fragen geht es nicht nur um Ethik, sondern in der Tat auch um viel Geld, schließlich sollen ja Therapien ausgearbeitet werden, die viel Geld sparen könnten. Müssen oder werden die Gelder nun umverteilt werden in Deutschland?

    Hüppe: Also ich hoffe. Deswegen glaube ich ja auch, dass der Widerstand von einigen Forschern jetzt so groß ist. Sie haben ja selbst erkannt, dass es kaum Therapieansätze gibt und eigentlich gar keine gibt. Und jetzt kämpfen sie natürlich auch um die Mittel. Man muss ja auch immer sehen, dass dann ein Forscher zugeben muss, dass er viel Geld verbraten hat. Und wenn wir nicht auch Gefahr laufen wollen, beim Bundesrechnungshof eine Rüge zu bekommen, weil wir Geld, öffentliche Gelder falsch eingesetzt haben, sollten wir dieses Geld lieber in die adulte Stammzellforschung stecken. Es gibt da fast jeden Tag irgendwelche neuen erfolgreichen Nachrichten, und zwar nicht irgendwelche hypothetischen Dinge, die irgendwann an einem Himmel der Hoffnung erscheinen, sondern da geht es tatsächlich um Therapien, wo Menschen geholfen werden konnte. Gerade wieder auch mit Nabelschnurblut, wo auch dann erwachsenen Menschen geholfen werden konnte mit Leukämie, was man vor zwei, drei Jahren noch für unmöglich gehalten hat.

    Liminski: Wäre das nicht auch mal ein Thema für einen Antrag im Bundestag, vielleicht auch partei- oder fraktionsübergreifend?

    Hüppe: Ich denke, das könnte die Regierung selber machen. Aber wenn es tatsächlich so sein sollte, dass man sagt, wir werden da nichts ändern und wir stecken da weiter Geld rein, dann müsste man wirklich den Finger in die Wunde stecken und sagen, liebe Leute, woanders bräuchten wir die Mittel wesentlich dringender, meinetwegen auch noch in diese neue Forschung von Yamanaka, dann hat man den Ersatz. Aber wichtig wäre es natürlich, gerade in dem Bereich der adulten Stammzellforschung noch mehr zu tun. Und ich muss auch sagen, wir hätten natürlich auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft schon erwartet, dass sie diesen Weg, den jetzt Yamanaka und Thomson gegangen sind, eher beschritten hätten. Es ist ihnen seit Monaten bekannt, und es gibt nicht eine einzige Stellungnahme, dort mehr zu tun. Das wirft auch ein schlechtes Licht auf die DFG.

    Liminski: Noch eine politische Frage, Herr Hüppe: Ergeben sich hier in diesem Zukunftsfeld nicht auch größere Schnittmengen mit den Grünen? Im Europaparlament kann man bei bioethischen Fragen schon von einer stillen Koalition zwischen Konservativen, Christdemokraten und den Grünen sprechen gegen die Liberalen und die meisten Sozialisten.

    Hüppe: Ja, also hier gibt es sicherlich größere Schnittpunkte mit unterschiedlichen Motiven zum Teil. Aber ich muss auch sagen, es kommen auch immer mehr Kollegen aus der SPD zurück, die sagen, na ja, wir haben uns wohl ein bisschen vertan. Und ich sag mal, jetzt spätestens nach diesem Erfolg und nachdem wirklich weltweit auch Forscher, wo alles möglich ist, den anderen Weg begehen, glaube ich schon, dass wir jetzt im Bundestag keine Mehrheit mehr für eine Veränderung des Stichtages bekommen. Dass die Grünen dort mit stimmen, finde ich gut. Eine Koalition gibt es deswegen nicht, aber man ist natürlich auch in dieser Frage im Gespräch.

    Liminski: Durchbruch bei der Stammzellforschung mit politischen Folgen. Das war der für Bioethik zuständige Berichterstatter der Unionsfraktion, Hubert Hüppe, CDU. Besten Dank für das Gespräch, Herr Hüppe!
    Stammzellen einer Maus
    Stammzellen einer Maus (AP Photo/Shinya Yamanaka)