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CDU-Politiker warnt vor Gefahren bei Kongo-Einsatz

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann hat auf die Gefahren beim geplanten Kongo-Einsatz der Bundeswehr hingewiesen. In erster Linie sei der Einsatz zur Sicherung der Wahlen als "psychologisches Moment" für die Bevölkerung gedacht. "Wenn es zu echten Unruhen käme, dann werden wir uns zurückziehen müssen, weil wir da keine kriegerischen Auseinandersetzungen führen können", betonte der Außenpolitiker. Auf diesen Fall müsse man vorbereitet sein.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Der militärische Einsatz im Kongo. Er ist immer noch nicht unter Dach und Fach. Das Kabinett muss ihn billigen, dann auch noch der Bundestag. Fest soll jetzt immerhin stehen der Wahltermin, der 30. Juli. Gleich mehrfach ist der Urnengang verschoben worden. Der Grund: logistische und organisatorische Schwierigkeiten, wie es heißt. Nach 45 Jahren Bürgerkrieg und Unruhen, Mord, Plünderungen, Vergewaltigungen soll nun der Frieden einziehen in diesem großen rohstoffreichen afrikanischen Land, auch mit Hilfe der UN-Friedenstruppe und der europäischen Kontingente, die unter deutscher Führung stehen. Zahlreiche Militärexperten und auch deutsche Generäle haben aber ernsthafte Zweifel daran, ob der geplante Einsatz tatsächlich das gesteckte Ziel erfüllen kann.

    Am Telefon ist jetzt der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann, gerade aus Kinshasa, aus der Hauptstadt des Kongos, zurückgekehrt. Guten Morgen!

    Karl Georg Wellmann: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Wellmann, haben Sie ein Land kennen gelernt, das in naher Zukunft richtig regiert werden könnte?

    Wellmann: Das ist eine Frage, die wir alle hoffen, dass es so ist, aber die Ihnen niemand ganz genau beantworten kann. Wir waren ja auch nur in der Hauptstadt Kinshasa und nicht in dem restlichen Landesteil. Den zu bereisen, würde ja Wochen und Monate dauern.

    Müller: Welchen Eindruck haben Sie gehabt ob der Entschlossenheit der Bevölkerung, auch der führenden Politiker, der Elite, es diesmal tatsächlich zu einem demokratischen Regime, zu einem demokratischen System kommen zu lassen?

    Wellmann: Wir haben von allen erfahren, auch zum Beispiel von dem Bischof von Kinshasa, dass die Bevölkerung großes Interesse an dieser Wahl hat. Es haben sich ja von den 27 Millionen Wahlberechtigten 25 Millionen im ganzen Land registrieren lassen, eine sensationell hohe Zahl. Ich glaube, die Bevölkerung will die Wahlen. Sie will transparente und faire Wahlen nach diesen jahrzehntelangen schlimmen diktatorischen Zuständen, die dort herrschten.

    Müller: Wie groß, Herr Wellmann, sind die Kräfte einzuschätzen, die das nicht wollen?

    Wellmann: Es wird uns von mehreren Gesprächspartnern gesagt, dass es Kräfte gibt, die die Wahlen im Prinzip nicht wollen, und wenn sie sie wollen, dann wollen sie doch nicht, dass sie durch diese Wahlen von der Macht verdrängt werden. Die Macht ist ja von verschiedenen Gruppen erkämpft worden gegen den früheren Diktator, und das ist eben die Befürchtung, dass einige dieser auch früheren Warlords zur Gewalt greifen, wenn das Wahlergebnis nicht so ausgeht, wie es ausgehen soll. Das ist ja der oder einer der Gründe, der wesentliche Grund dafür, dass die EUFOR-Truppe nach Kinshasa kommen soll.

    Müller: Herr Wellmann, es sind ja immerhin 17.000 UN-Soldaten im Land. Was haben die bislang erreichen können?

    Wellmann: Die 17.000 UN-Soldaten sind zum größten Teil im Osten des Landes stationiert. Das ist von der Hauptstadt Kinshasa eine Entfernung wie zwischen Berlin und Moskau. Das muss man sich mal vorstellen und das ohne Infrastruktur und ohne Straßen. Im Osten des Landes sind mehrere Rebellengruppen, die auch aus dem Ausland, aus Uganda, aus Burundi und so weiter, unterstützt werden aktiv. Und die MONUC-Truppen haben die Aufgabe, diese Rebellengruppen zu bekämpfen, und haben vor allem die Aufgabe, bei dem Aufbau einer integrierten kongolesischen Armee mitzuwirken, die dann selbst und aus eigener Kraft dieses tun kann. Da sind wir noch weit von entfernt, aber das ist die Hauptaufgabe.

    Müller: Herr Wellmann, kommen wir zur europäischen Truppe, die da geplant ist: 1500 Mann unter deutscher Führung. Da sagen immer noch viele Experten und Beobachter des Landes, das ist ein Witz. Können Sie das nachvollziehen?

    Wellmann: Die militärischen Experten sagen, es soll vor allem ein psychologisches Moment sein. Eine gut ausgerüstete und gut ausgebildete Truppe soll stabilisierend, psychologisch stabilisierend wirken. Sie soll ja MONUC unterstützen in Kinshasa. Alle sagen aber auch, wenn es zu echten Unruhen käme, dann werden wir uns zurückziehen müssen, weil wir da keine kriegerischen Auseinandersetzungen führen können. Sie müssen wissen, dass einige der Kandidaten und früheren Warlords immer noch über Privatarmeen, zum Teil sehr große Privatarmeen verfügen. Uns wurde von europäischen Sicherheitsexperten mitgeteilt, dass der Präsident Kabila über eine Präsidentengarde von 13.000 bis 15.000 Mann verfügt. Und wenn es mit dieser Garde zu Auseinandersetzungen kommt, dann können die EUFOR-Truppen dort nichts ausrichten. Dann müssen wir gucken, wie wir da schnell wieder herauskommen.

    Müller: Herr Wellmann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das für Sie auch klipp und klar. Das ist nicht mehr als Symbolik?

    Wellmann: Das ist für mich klar, und das haben die Verantwortlichen uns so gesagt. Der Verteidigungsminister und der Vizepräsident haben mir das persönlich gesagt: Ihr sollt hier psychologisch stabilisierend wirken und beruhigend wirken auf den Prozess, ihr sollt so etwas wie ein Wachturm sein. Aber wir müssen der deutschen Öffentlichkeit sagen, es ist kein Spaziergang in der Sonne möglicherweise, sondern es kann zu Auseinandersetzungen kommen. Darauf müssen wir militärisch vorbereitet sein, aber darauf muss auch die deutsche Öffentlichkeit vorbereitet sein, dass das passieren kann. Für diesen Fall müssen wir vorsorgen. Es hat keinen Zweck, euphorisch zu sein und zu sagen, es wird bestimmt nichts passieren. Wir müssen auch auf den negativen Fall vorbereitet sein.

    Müller: Herr Wellmann, an diesem Wochenende werden mehrere deutsche Generäle zitiert, nicht namentlich, die da sagen, diese ganze Aktion wird viel gefährlicher und sie wird viel umfangreicher als ursprünglich geplant und sie wird viel länger dauern als die zunächst einmal vorgesehenen vier Monate. Will das Militär doch etwas anderes als die Politik?

    Wellmann: Das Militär muss jetzt, insbesondere der deutsche General Viereck, der ja die Mission leiten soll, die militärischen Planungen genauestens vorantreiben. Das muss jetzt auch wirklich passieren. Die Deutsche Botschaft muss viel mehr unterstützt werden. Dort gibt es bisher nicht mal einen Militärattaché. Der muss schnellstens jetzt dorthin. Die Fachleute müssen das planen und wenn Militärs einen solchen Einsatz planen, dann müssen sie ihn für alle denkbaren Fälle planen. Die Bundeswehr, die EUFOR, geht ja nicht dorthin, um Kampfeinsätze zu führen.

    Müller: Herr Wellmann, aber werden Sie das unterstützen, wenn die Militärs sagen, wir müssen dort länger brauchen und wir brauchen auch noch mehr Leute?

    Wellmann: Es gibt eine klare Begrenzung durch das Mandat des Sicherheitsrates und durch den Beschluss des Deutschen Bundestages. Wir arbeiten auf der Basis von vier Monaten, von einem begrenzten Einsatz. Jetzt geht es nicht um eine Woche oder zwei Wochen, wenn es länger dauert, aber ich finde, wir müssen diese Frage besprechen. Die Wahlen sind jetzt schon mehrfach verschoben worden. Möglicherweise werden sie noch weiter verschoben in den September hinein. Dann gibt es einen zweiten Wahlgang. Es dauert ja allein 70 Tage zwischen dem Druck der Wahlzettel in Südafrika und zur Verteilung in die 10.000 Wahllokale. All dieses müssen wir mit großem Realismus betrachten. Es bleibt aber dabei: Es ist ein begrenzter Einsatz, und niemand denkt im Moment darüber nach, ihn zu verlängern.

    Müller: Zurück aus dem Kongo, der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Wellmann: Auf Wiederhören.