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Chefvolkswirt erwartet "weiterhin Druck auf den Euro"

Ein Euro ist zurzeit etwa 1,27 US-Dollar wert, ein Minus von 12 Prozent seit Jahresbeginn. Ulrich Kater beruhigt: Der Euro sei stabil, doch die Märkte hinterfragten "die Konstitution der Länder, die den Euro bilden".

07.05.2010
    Tobias Armbrüster: Wir haben hier im Deutschlandfunk in den letzten Tagen viel über die Finanzpolitik in Europa berichtet, über die Griechenlandkrise, über die leeren öffentlichen Kassen in Deutschland und auch über die riesigen Schuldenberge in der EU. Was dabei selten angesprochen wird: Immer geht es bei diesen Berichten auch um unser eigenes Geld, um die Euro-Stücke und –Scheine, die wir im Portemonnaie mit uns tragen, denn der Wert des Euro hängt auch ab von den öffentlichen Finanzen in der Eurozone. Müssen wir uns also langsam Sorgen machen um unser Geld? – Darüber möchte ich jetzt mit Ulrich Kater sprechen. Er ist Chefvolkswirt bei der Deka-Bank. Schönen guten Morgen, Herr Kater.

    Ulrich Kater: Schönen guten Morgen!

    Armbrüster: Wir haben es in den letzten Tagen gesehen: Der Euro ist gegenüber dem Dollar gefallen, hat an Wert verloren, liegt zurzeit aktuell bei 1,27 Dollar. Hängt das mit der Krise in Griechenland zusammen?

    Kater: Ja, das ist ziemlich eindeutig. Zunächst sollte man sich allerdings ein Bild darüber machen, wo der Euro steht. Ein Maß, eine fundamentale Bewertung einer Währung, ist die Kaufkraftparität. Zum Dollar steht die etwa bei 1,23. Das heißt, wir sind immer noch in dem Bereich mit dem Wechselkurs, wo man von einem eher starken Euro spricht. Wir waren ja auch schon einmal in der Geschichte des Euro bei 80 Cent. Aber wir haben eine Abwertung hinter uns und das liegt ganz eindeutig an den gegenwärtigen Umständen. Wir sehen eine große Verunsicherung, wie es mit dem Euro weitergehen soll. Das heißt nicht, dass die Qualität des Euro selber, also der Währung an sich, in Frage gestellt wird. Der Euro ist eine stabile Währung mit niedrigen Inflationsraten und einer großen Wirtschaftskraft des gesamten Währungsgebietes. Das alles steht außer Frage. Auf dieser technischen Ebene der Geldpolitik funktioniert der Euro gut und da hat er seine Skeptiker widerlegt. Im Gegenteil: Er hat in den vergangenen Jahren ja sogar dem US-Dollar das Wasser abgegraben auf den Weltfinanzmärkten. Die Frage, die sich die Märkte gegenwärtig stellen, geht eher gegen den institutionellen Hintergrund des Euro: Wie ist es um die Konstitution der Länder bestellt, die den Euro bilden?

    Armbrüster: Darf ich Sie da mal fragen, Herr Kater. Welchen Kurs oder welche Kursentwicklung erwarten Sie da in den kommenden Tagen?

    Kater: Solange diese Probleme um die Staatsfinanzierung in Europa nicht gelöst sind, wird es weiterhin Druck auf den Euro geben. Es sind auch andere Märkte betroffen. Wir sehen, dass Bundesanleihen beispielsweise in der Rendite sehr stark sinken, jetzt sogar die zehnjährigen unter die Drei-Prozent-Marke. Wir sehen auch Auswirkungen auf die anderen Märkte. Das hat eindeutig mit der Krise um die Staatsfinanzierung zu tun. Bisher waren die Staaten die besten Schuldner, die man finden konnte am Kapitalmarkt, und eine Investition in Staatsanleihen galt als die sicherste Anleihe, die man finden konnte. Mit der Finanzkrise sind jetzt viele Investoren an den Kapitalmärkten extrem vorsichtig geworden und sie fragen sich, ob einige Staaten die bisher aufgehäuften Schulden eben zurückzahlen können, insbesondere weil das Wirtschaftswachstum nach der Krise eben niedriger ist als vorher und weil in vielen Ländern Reformen notwendig sind, die sie noch nicht gemacht haben.

    Armbrüster: Welche Rolle spielt denn bei diesen Entwicklungen die Psychologie an den Finanzmärkten?

    Kater: Psychologie spielt, glaube ich, in allen Lebensbereichen eine große Rolle, auch an den Finanzmärkten, aber das ist gegenwärtig nicht die Frage. Finanzmärkte neigen in Extremsituation auch dazu, wie man so sagt, Kurse zu übertreiben. Das bedeutet, dass Kurse auftauchen, die mit Fundamentaldaten nicht in Einklang stehen. Aber das ist gegenwärtig nicht das Thema. Solche Übertreibungen muss ein Schuldner, ein guter Schuldner eben aushalten können. Es gibt eben einige Vorbehalte an den Kapitalmärkten gegen einige staatliche Schuldner und die sind auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.

    Armbrüster: Ich frage das mit der Psychologie deshalb, weil, wie Sie ja sagen, die Fundamentaldaten für den Euro eigentlich ganz gut aussehen. Die Volkswirtschaften in der Eurozone sind ziemlich stabil, es gibt niedrige Inflation. Warum gibt es also Zweifel am Euro?

    Kater: Es ist der institutionelle Hintergrund des Euro, der nicht geklärt ist. Es gab zu Beginn der Währungsunion eine Vereinbarung über die Geschäftsgrundlage des Euro, danach sind alle Länder für ihre Defizite selber verantwortlich. Diese Geschäftsgrundlage ist in einer Situation der extremen Belastung anscheinend nicht durchhaltbar und die Finanzkrise, die wir hinter uns haben, ist eine extreme Belastung eben auch für die Staatsanleihen. Jetzt zeigt sich, dass einige Länder eben diesen Grundsatz nicht erfüllen können, und die große Frage, die sich die Märkte stellen, ist: Wie geht es weiter. Kapitalmärkte brauchen klare Institutionen, um sich ein klares Zukunftsbild zu bilden, und das ist der Hintergrund der gegenwärtigen Kursbewegung an den Märkten, dass eine solche Klarheit eben fehlt.

    Armbrüster: Meinen Sie, dass so ein Rettungspaket, wie es heute zum Beispiel für Griechenland beschlossen werden soll, hilft?

    Kater: So etwas hilft.

    Armbrüster: Oder zeigt es möglicherweise nur weiter, wie verzweifelt viele Regierungen in der Eurozone eigentlich sind?

    Kater: Nein. Die Eurozone als Ganzes ist wirtschaftskräftig genug, um die durchschnittliche Schuldenlast zu bewältigen. Die gesamte Eurozone hat jetzt auch mit den Aufwendungen für Konjunkturprogramme und bisheriger Finanzmarktstabilisierung eine Schuldenlast etwa in Relation von 85 bis 90 Prozent, oder geht in diese Richtung. Aber das ist der Wert für den Durchschnitt des Euro-Landes. Einige Regionen haben eben höhere Schulden, und um diese geht es.

    Armbrüster: Häufen die Euro-Länder zu viele Schulden an?

    Kater: Griechenland hat eindeutig über seine Verhältnisse gelebt, und das wird jetzt an den Kapitalmärkten unter den veränderten Bedingungen, insbesondere Wachstumsbedingungen nach der Krise abgestraft. Dazu kommt eben, dass Griechenland ein Land ist, welches sehr wenig wettbewerbsfähig ist. Die Märkte differenzieren ja durchaus zwischen Ländern mit hoher Schuldenlast, die aber eine Wirtschaftskraft haben, die eine Rückzahlung eben ermöglichen, und solchen Ländern, wo das eben nicht der Fall ist. Die Finanzkrise hat das schonungslos aufgedeckt, wo diese Schwachstellen sind, das heißt, wo Schuldenlast in keinem Verhältnis mehr zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht. Insofern hat die Finanzkrise uns einige Jahre in die Zukunft katapultiert, denn eine solche Entwicklung wäre eventuell in der Zukunft dann auch aufgetreten.

    Armbrüster: Herr Kater, ganz kurz. Wir müssen zum Ende kommen und diese eine Frage möchte ich gerne noch stellen. Wenn der Euro an den Finanzmärkten an Wert verliert, heißt das, auf uns kommt Inflation zu?

    Kater: Das kommt auf das Ausmaß an. Das, was wir bis jetzt gesehen haben, wird sich in Inflationsraten kaum niederschlagen. Wie gesagt, wir haben auch schon mit einem Euro von 80 Cent gelebt. Die Frage, ob wir Inflation bekommen, hängt von der Europäischen Zentralbank ab, wie sie sich stellt, und die Europäische Zentralbank hat gestern noch mal auch gegen die Erwartung der Märkte keine weiteren Maßnahmen gegen die gegenwärtigen Marktbewegungen beschlossen, sondern ganz eindeutig darauf hingewiesen, dass ihr erstes Ziel die Preisstabilität ist, und die Reparatur des institutionellen Rahmens eindeutig in das Feld der Finanzminister verwiesen.

    Armbrüster: Ulrich Kater, Chefvolkswirt bei der Deka-Bank. Vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Tag noch.

    Kater: Gerne.