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CSU-Politikerin sieht keine Notwendigkeit eines EU-Finanzministers

Vor dem heute beginnenden EU-Sondergipfel fordert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt eine bessere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa. Einzelne Länder müssten stärker kontrolliert werden. Dafür bräuchte man aber kein eigenes Finanzministerium.

Gerda Hasselfeldt: im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Euro-Gipfel heute ab 13 Uhr in Brüssel. Bis zum letzten Augenblick hat es im Vorfeld Gespräche und Verhandlungen gegeben. Die Erwartungen sind hoch. Genau deswegen wollte die Kanzlerin letzte Woche noch keinen Gipfel haben und zuletzt hat Angela Merkel davor gewarnt, eine spektakuläre Entscheidung, die werde es heute nicht geben. In anderen Ländern stößt die Haltung der Kanzlerin sauer auf, mehr oder weniger unverhohlen hält man den Deutschen vor, nicht solidarisch genug zu sein.

    In ein ehemaliges Benediktinerkloster ziehen sich heute die Bundestagsabgeordneten der CSU zurück. Im Kloster Banz bei Bamberg werden sie sich während ihrer Klausur wohl natürlich informieren lassen, welche Beschlüsse die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende in Brüssel beim Gipfel der europäischen Staaten mittragen oder erreichen werden, also ob Bayern auch wirklich noch bayrisch bleibt.

    O-Ton Edmund Stoiber: "Bayern hat nicht über 1000 Jahre lang seine Identität bewahrt, um sie jetzt in Brüssel an der Garderobe abzugeben."

    Meurer: Edmund Stoiber 1997, als er noch bayerischer Ministerpräsident war. – Gerda Hasselfeldt begrüße ich jetzt in Kloster Banz, sie ist die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen, Frau Hasselfeldt!

    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Haben Sie Sorge, dass Brüssel den Bayern heute ans Leder will?

    Hasselfeldt: Nein, diese Sorge habe ich nicht. Wir sind in guten Händen und wissen, dass gerade die Entscheidung über die weitere Entwicklung bei der Euro-Stabilisierung eine ganz weitreichende ist, aber dass sie auch von unserer Bundeskanzlerin gut vorbereitet ist.

    Meurer: Das sehen ja viele im europäischen Ausland anders und stellen umgekehrt die Frage: Macht die Kanzlerin Europa und den Euro kaputt?

    Hasselfeldt: Diese Sorge ist mit Sicherheit nicht berechtigt, im Gegenteil. Sie hat in diesen Wochen und Monaten einen ganz schwierigen Job und meistert den, wie ich meine, auch ganz hervorragend. Für diese Probleme gibt es eben keine Patentlösung, sondern die Lösung der Probleme muss an den Ursachen ansetzen und muss vor allem auch darauf ausgerichtet sein, dass ein Übergreifen auf andere Länder in der Euro-Zone verhindert wird, und dazu ist ein sehr behutsames, sehr durchdachtes Vorgehen notwendig, und gerade das hat Angela Merkel in den vergangenen Wochen unter Beweis gestellt.

    Meurer: Ist das wirklich Behutsamkeit oder eher Zögerlichkeit?

    Hasselfeldt: Es ist keine Zögerlichkeit. Wir diskutieren wirklich ganz intensiv und in besonderer Weise mit den Fachleuten, mit den Kollegen in den europäischen Ländern, mit den Verantwortlichen in der Europäischen Zentralbank und im IWF. Das alles ist ja eine Gemeinschaftsleistung. Und wie gesagt, es muss an den Ursachen auch angegangen werden, nämlich an der zu hohen Verschuldung einiger Euro-Länder und an der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder.

    Meurer: Nur was hilft das alles, wenn die Entscheidungen so lange dauern, dass in der Zwischenzeit dann die Märkte die anderen südeuropäischen Staaten attackieren?

    Hasselfeldt: Nun, es ist ja auch kein Zögern, kein Hinauszögern, sondern es ist ein immer wieder kommendes Diskutieren über den richtigen Weg, und zwar jetzt auch gerade vor der Entscheidung heute, eine gute Vorbereitung. Ich begrüße sehr, dass die Kanzlerin auch mit dem französischen Präsidenten sich abgestimmt hat, um dann gemeinsam in diese Diskussionen auf der europäischen Ebene hineinzugehen.

    Meurer: Erklärt die Kanzlerin zu wenig, wie wir eben gehört haben?

    Hasselfeldt: Die ganzen Zusammenhänge sind äußerst kompliziert und es ist nicht nur Aufgabe der Kanzlerin, das zu erklären, sondern ich sehe das als Aufgabe von uns allen, diese komplizierten Zusammenhänge den Menschen zu erklären und dann auch die Entscheidungen zu erklären. Das ist nicht nur Aufgabe einer Person alleine.

    Meurer: Mit jedem Rettungspaket, das durch den Bundestag geht, Frau Hasselfeldt, wächst auch die Zahl der internen Kritiker und der Stimmenabweichler. Haben Sie einen Überblick, wie viele in der Unions-Fraktion und der FDP beim nächsten Mal nein sagen?

    Hasselfeldt: Wir haben eine durchaus intensive Diskussion in den letzten Wochen zu diesen Themen immer wieder gehabt. Die Meinungen sind allerdings nicht so weit auseinander, dass man sich nicht verständigen könnte. Ich sehe jetzt keine Situation, die irgendwelche Probleme der Mehrheiten aufzeigen würde.

    Meurer: Die Mehrheit wird gegeben sein, weil die SPD ja jetzt gerade diese Woche noch mal gesagt hat, wir stehen staatsmännisch hinter der Kanzlerin. Ist nicht das, liegt nicht gerade darin eine Gefahr, dass dann einige in der Koalition meinen, ach, da kommt es auf unsere Stimme nicht an?

    Hasselfeldt: Die Haltung der SPD ist schon etwas seltsam. Zuerst haben sie unter Rot-Grün noch dafür gesorgt, dass entgegen unseren Warnungen Griechenland aufgenommen wurde, und sie waren auch diejenigen, die dazu beigetragen haben, den Stabilitätspakt aufzuweichen, und damit auch ein Teil der Ursache des Problems sind. Das sollte man erstens nicht vergessen. Und zum zweiten ist die Frage des Verhaltens jetzt doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, hier nicht parteipolitische Interessen walten zu lassen, sondern eben die staatspolitischen Interessen. Das ist bei europapolitischen, insbesondere bei Währungsfragen, finde ich, eine Selbstverständlichkeit. Man kann in der Sache unterschiedlicher Meinung sein, aber parteipolitische Interessen haben da überhaupt keinen Platz.

    Meurer: Denkt Ihr eigener Generalsekretär, Alexander Dobrindt, eigentlich noch staatspolitisch? Immerhin hat Ihr Kollege Manfred Weber Dobrindt vorgeworfen, provinzielles Kirchturmdenken zu pflegen und den EU-Rechtspopulisten hinterherzulaufen. Juckt es die CSU, antieuropäische Stimmung zu machen?

    Hasselfeldt: Es hat nichts mit antieuropäischer Stimmung zu tun, sondern einfach mit einer parteiinternen Diskussion, die auch durchaus dann berechtigt ist, wenn es darum geht, dass Gefahren abgewendet werden müssen, um noch mehr unberechtigte Kompetenzen an die EU abzugeben. Bei uns in der CSU ist immer klar gewesen, wir sind eine europafreundliche Partei, wir waren und sind die Partei, die übrigens nicht nur den Euro eingeführt hat, sondern auch für die Stabilitätskriterien bei der gemeinsamen Währung gekämpft hat und diese auch durchgesetzt hat. Theo Waigel hat da eine ganz wichtige Rolle gespielt.

    Meurer: Das ist alles lange her!

    Hasselfeldt: Nein und das gilt auch heute noch! Das gilt auch heute noch. Dass wir aber auch immer ...

    Meurer: Auch in den Augen Ihres Generalsekretärs?

    Hasselfeldt: Ja! Ja, das gilt auch für den Generalsekretär. Aber dass er davor warnt, unberechtigte zusätzliche Kompetenzen mit bürokratischen Konsequenzen auf die europäische Ebene zu verschieben, das ist durchaus legitim, und es ist auch legitim, dass man da sagt, übertreibt's aber nicht. Das ist eine ganz normale Geschichte.

    Meurer: Alexander Dobrindt hat vor einer Machtverschiebung nach Brüssel gewarnt. Passt das in diese Situation, wo es doch gerade auf Brüssel und die EU ankommt?

    Hasselfeldt: Ich glaube, man muss da unterscheiden. Wir haben auf der einen Seite das deutliche Subsidiaritätsgebot in Brüssel und in der Europäischen Union. Das heißt, all das, was wir national regeln können, das sollen wir national regeln und nicht auf die europäische Ebene übertragen. Das muss man sich immer wieder vor Augen halten, das ist auch im Lissabon-Vertrag deutlich und deutlicher noch zum Ausdruck gebracht worden.

    Meurer: Aber passt das beim Euro mit den nationalen Regeln?

    Hasselfeldt: Genau. - Zum Zweiten haben wir dann die Situation bei der europäischen Währung, wo wir aufgrund der Verschuldungssituation in einigen Ländern jetzt wirklich daran gehen müssen, die Finanzpolitik, die Wirtschaftspolitik in den einzelnen Ländern stärker zu koordinieren und auch zu kontrollieren. Weil die Situation, gerade wenn ein Land über die Strenge schlägt, wenn es in der Finanzpolitik sich nicht solide verhält, weil dieses eben auch Auswirkungen auf alle anderen Euro-Länder hat, müssen wir diesen Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik besser koordinieren. Das heißt aber nicht, dass wir ein eigenes Finanzministerium oder eine eigene Finanzregierung bräuchten.

    Meurer: Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Hasselfeldt, schönen Dank nach Kloster Banz, Ihnen einen guten Tag. Auf Wiederhören!

    Hasselfeldt: Bitte sehr! Ich wünsche Ihnen auch alles Gute.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.