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"Das ist gegenwärtig kein unmittelbares Risiko"

Thomas Mirow, Präsident der Osteuropa-Bank, ist zuversichtlich, dass mit Mitteln seines Instituts notleidenden Staaten in Osteuropa geholfen werden kann. Insbesondere in der Ukraine sei die Lage kompliziert. Für die EU sei der Euro einer der wichtigsten Puffer gegen die Krise - er denke, es werde verstärkte Anstrengungen osteuropäischer Länder geben, der Euro-Zone beizutreten.

Thomas Mirow im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, kurz EBRD, wird auch Osteuropa-Bank genannt. Und das trifft den Nagel auf den Kopf, denn die Bank wurde 1991 gegründet, um speziell den Staaten Mittel- und Osteuropas bei der Transformation hin zur Marktwirtschaft zu helfen. 61 Mitgliedsländer tragen dieses internationale Geldhaus. Doch nun steht die Bank vor gewaltigen Aufgaben, denn die Wirtschaftskrise hat einige osteuropäische Staaten an den Rand des Bankrotts geführt. - Präsident der Osteuropa-Bank ist Thomas Mirow. Er ist nun in London am Telefon. Guten Morgen, Herr Mirow!

    Thomas Mirow: Guten Morgen!

    Engels: Gestern hat Rumänien als drittes EU-Land nach Ungarn und Lettland die Europäische Union und internationale Institutionen um Beistand gebeten. Das betrifft auch die Osteuropa-Bank. Was kann Ihr Haus tun?

    Mirow: Wir sind, anders als etwa die Europäische Kommission oder der IWF, nicht in der Lage, Ländern insgesamt zu helfen, wie die Fachleute sagen würden, makroökonomisch zur Seite zu stehen, sondern wir sind eine Bank, die an konkreten Projekten arbeitet, insbesondere auch Banken hilft, mit ihnen zusammenarbeitet, und in Rumänien sind wir in einer Bank schon stärker engagiert und haben jetzt gerade beschlossen, bei einer weiteren Bank in erheblichem Maße tätig zu werden.

    Engels: Gilt das auch für Lettland und Ungarn?

    Mirow: Das gilt auch für Ungarn. Da sind wir noch nicht ganz zu einem Ergebnis gekommen. Und in Lettland verhandeln wir auch über die Hilfe für eine große Bank, was allerdings ein besonders schwieriges Projekt ist.

    Engels: Wo liegen dann die Schwierigkeiten?

    Mirow: Einige Banken haben sich einfach übernommen. Es gibt in dem einen oder anderen Fall auch Gesellschafterstrukturen, die es uns schwer machen, so einzusteigen, wie wir uns das vorstellen. Insgesamt wollen wir natürlich sichergehen, dass Geld nicht nur einer Bank oder gar den Eigentümern zugute kommt, sondern dass Geld dann genutzt wird, um kleinen und mittelständischen Unternehmen etwa konkret zu helfen.

    Engels: Wie können Sie das organisieren? Wie muss man sich das konkret vorstellen, dass die Gelder, die Sie bereitstellen, auch tatsächlich dann in Investitionen fließen?

    Mirow: Wir gucken uns das sehr genau an, was mit dem Geld passiert, und machen sehr eindeutige Verträge mit den Banken. Im Übrigen haben wir eben auch sehr unterschiedliche Möglichkeiten. Wir können uns an Banken beteiligen, auch mit der Folge, dass wir jemanden in den Aufsichtsrat einer Bank entsenden. Wir können Kredite genereller Art geben, wir können aber auch Kredite geben, die ganz speziell ausgerichtet werden, zum Beispiel für kleine und mittlere Unternehmen, oder auch für die Finanzierung von Exportgeschäften, ein sehr wichtiges Thema in diesen Tagen, weil viele eigentlich gesunde Unternehmen einfach nicht an das Geld kommen, um ihre Ausfuhren finanzieren zu können.

    Engels: Mit wie viel Geld ist denn die Osteuropa-Bank derzeit engagiert in diesen Staaten?

    Mirow: Wenn man unser Portfolio insgesamt nimmt, dann sind das knapp 20 Milliarden Euro. Sie müssen sich das aber bitte so vorstellen, dass überall da, wo wir investieren, in aller Regel jedenfalls Private mitinvestieren. Das heißt, jeder Euro, den wir irgendwo reinstecken, bewegt aus der Privatwirtschaft weitere zwei oder drei Euro mit.

    Engels: Kommt denn die Osteuropa-Bank nun auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit? Heißt: Brauchen Sie von Ihren Trägerstaaten vielleicht höhere Reserven? Das ist ja für den IWF derzeit in der Diskussion.

    Mirow: Gegenwärtig nicht. Das heißt, wir haben uns für dieses und für nächstes Jahr ein Geschäftsvolumen von etwa 7 bis 7,5 Milliarden Euro vorgenommen. Das können wir stemmen. Wenn allerdings sich die Lage drastisch weiter verschlechtern sollte und die Erwartungen an uns immer größer würden, dann könnte es einen Augenblick geben, wo wir sagen, wir helfen gerne weiter, aber dann brauchen wir auch zusätzliches Kapital.

    Engels: Ihre Bank fördert ja weit über 20 mittel- und osteuropäische Staaten. Für welches Land ist die Lage derzeit am bedrohlichsten?

    Mirow: Ganz eindeutig für die Ukraine. Das ist ein großes Land, immerhin 46 Millionen Einwohner. Sie leidet in mehrfacher Hinsicht. Die Rohstoffpreise sind eingebrochen. Die Ukraine muss gleichzeitig für Öl und Gas, das sie von Russland bezieht, sehr viel mehr Geld aufwenden. Es gibt politisch nicht sehr einfache Verhältnisse. Das heißt, insgesamt ist die Lage dort kompliziert, was man besonders leicht daran sieht, dass der Zinsaufschlag, den die Ukraine zahlen muss, um sich auf internationalen Märkten Geld zu leihen, ganz, ganz stark in die Höhe geschossen ist.

    Engels: Herr Mirow, fürchten Sie einen Staatsbankrott in einem der Staaten Mittel- und Osteuropas und wenn ja, wo?

    Mirow: Nein, gegenwärtig tun wir das nicht und mit den anderen internationalen Organisationen, und natürlich auch den großen europäischen Staaten im Westen Europas, bemühen wir uns gemeinsam auch, eine solche Gefahr gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das ist gegenwärtig kein unmittelbares Risiko, aber wir müssen uns engagieren, und ich denke, gerade Deutschland, das ja in diesem Jahr auf 20 Jahre Wiedervereinigung zurückblickt, hat auch eine besondere Mitverantwortung dafür, dass die Länder, die mit der früheren DDR den Weg in die Freiheit gefunden haben, zum Teil auch diesen Weg mit ermöglicht haben für uns, in der Krise jetzt nicht noch mehr leiden, als es die Welt generell schon tut.

    Engels: Das sieht der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück etwas anders. Er hat ja beispielsweise diesen speziellen Hilfsfonds, wie die Osteuropäer, an der Spitze von Ungarn geführt, das gefordert haben, zunächst abgelehnt. Wie sehen Sie das?

    Mirow: Ich glaube nicht, dass Peer Steinbrück das dem Grunde nach anders sieht. Ich hatte Gelegenheit, mit ihm darüber auch intensiv zu sprechen. Natürlich ist es so: Wo immer globale Mittel erbeten werden, muss der deutsche Finanzminister besonders sorgfältig hingucken, weil eben wegen der deutschen Nettozahlerposition in der EU das dann immer ganz besonders das deutsche Portemonnaie in Anspruch nimmt. Aber ich glaube, Peer Steinbrück, wie übrigens auch die deutsche Kanzlerin, sind sich der besonderen Verantwortung, die Deutschland trägt, sehr, sehr bewusst.

    Engels: Also soll ein solcher spezieller Hilfsfonds für Osteuropa eingerichtet werden?

    Mirow: Ich glaube nicht, dass es jetzt um die Einrichtung eines Hilfsfonds geht. Die EU hat einen bestimmten Fonds gerade erhöht, aus dem heraus werden auch Mittel für Rumänien freigemacht werden. Und wenn dieser Fonds erschöpft sein sollte, wird es sicher die Bereitschaft geben, dort zusätzliche Mittel einzuzahlen. Man muss darüber nachdenken, wer sonst etwas tun kann. Wir, die internationalen Finanzinstitutionen, sind eine solche Adresse, in dem einen oder anderen Fall kann auch die Europäische Zentralbank hilfreich sein. Also es geht nicht um einen generellen Fonds, sondern es geht darum, dass all die sich aktiv engagieren, die einen besonders hohen Hebel haben, unter anderem auch der IWF, der ja auch mit deutscher Hilfe zusätzliche Mittel in diesen Monaten bekommen soll.

    Engels: Einige der ehemaligen Transformationsstaaten sind nun bereits Euro-Länder, andere nicht. Wird der Euro-Raum halten, wenn sich die Krise weiter zuspitzt?

    Mirow: Ich glaube, dass die Tatsache, dass wir in größeren Teilen Europas eine einheitliche Währung haben, einer der wichtigsten Puffer in dieser gegenwärtigen Krise ist, und ich wünschte, einige Staaten Mittel- und Osteuropas hätten sich früher und sehr konzentriert darum bemüht, Mitglied des Euro-Raumes zu werden, so wie es etwa Slowenien und die Slowakei getan haben, mit jetzt erheblichem Erfolg, und ich denke, eine der Folgen dieser Krise wird sein, dass Länder wie Polen oder die Tschechische Republik ihre Anstrengungen verstärken werden, möglichst bald Mitglied der Euro-Zone zu werden.

    Engels: Bricht der Euro-Raum auseinander oder nicht?

    Mirow: Ich glaube nicht.

    Engels: Thomas Mirow, Präsident der Osteuropa-Bank. Vielen Dank für das Gespräch.

    Mirow: Ich danke Ihnen.