Dienstag, 19. März 2024

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Debatte über Sexismus in der CDU
"Das ist kein Problem der Union"

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön hat zurückhaltend auf Vorwürfe einer Parteifreundin reagiert, in der CDU gebe es Sexismus. Sie selber habe ihn in der Politik nicht erlebt, sagte sie im DLF. Es handle sich um ein "gesamtgesellschaftliches Problem".

Nadine Schön im Gespräch mit Mario Dobovisek | 26.09.2016
    Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön am Rednerpult.
    Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön am Rednerpult. (imago / Metodi Popow)
    Schön betonte, ein strukturelles sexistisches Klima innerhalb von Parteien habe sie nicht festgestellt. In der CDU gebe es zudem die Bereitschaft, über Sexismus zu dabattieren. Betroffene Frauen forderte sie auf, das Thema offen anzusprechen. Dann bestehe ihrer Ansicht nach eine große Bereitschaft, darüber nachzudenken.
    Man müsse zwischen einer laxen Bemerkung und einer sexistischen Äußerung unterscheiden, sagte Schön. Jeder, der eine solche Bemerkung mache, sollte sich fragen, ob es für ihn ok wäre, wenn jemand anderes so etwas einem selbst, der Tochter oder der Frau sagen würde.
    Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends hatte am Wochenende einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie ihrer Partei Sexismus und Verleumdungen vorwirft. So habe der CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel sie als "große süße Maus" bezeichnet. Schön sagte, sie halte diese Bemerkung nicht für akzeptabel.
    Ihr habe es öfter auch schon geholfen, dass sie eine Frau sei. Wenn man aber einmal in einem Amt sei, werde man kritischer beäugt nach dem Motto: "Schafft sie das denn auch?"

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Mario Dobovisek: Jung, schön, erfolgreich in der Politik - eine schwierige Kombination vor allem für Politikerinnen, die auf andere Widerstände stoßen als ihre männlichen Kollegen und Parteifreunde. Darauf hat am Freitag Jenna Behrends aufmerksam gemacht: 26, Juristin, Mutter, seit einem Jahr CDU-Mitglied und gerade frisch zur Kommunalpolitikerin gewählt in die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte. Doch sie ist frustriert. Im Internet bei "Edition F" - nach eigener Darstellung das digitale Zuhause für starke Frauen - verschafft sie ihrem Ärger Luft. Sie wolle nicht mehr über den Sexismus in ihrer Partei schweigen und schreibt einen offenen Brief an ihre CDU, erhebt schwere Vorwürfe. Sie beschreibt konkrete Vorfälle, zum Beispiel auf einem Parteitag. Sie schreibt:
    Zitat Jenna Behrends: "Vom Senator, der auf einem Parteitag meine Tochter begrüßte, "Oh, eine kleine süße Maus", der dann pausierte, mich ansah und fortfuhr, "und eine große süße Maus". Derselbe Senator, der einen Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus vor meiner Nominierung fragte: "Fickst Du die?"
    Dobovisek: Es geht auch um Verleumdung, darum, dass jungen Politikerinnen Affären nachgesagt werden. Dafür wird Behrends aus der eigenen Partei auch angegriffen und rechtfertigt sich im RBB:
    O-Ton Jenna Behrends: "Die konkreten Vorfälle hat es gegeben und ich habe sie exemplarisch herausgegriffen, damit gezeigt wird, worum es eigentlich geht, weil sonst alle sagen würden, wie, sexistisch, was meinst du denn."
    Dobovisek: Der Brief von Jenna Behrends verbreitet sich binnen Stunden im Internet, wird lebhaft diskutiert und kommentiert, erreicht über das Wochenende auch die großen Zeitungen wie "Süddeutsche" oder "Die Welt" und stößt damit eine ernst zu nehmende Debatte an.
    - Am Telefon begrüße ich Nadine Schön. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, dort unter anderem zuständig für Familie und Frauen. Guten Morgen, Frau Schön.
    Nadine Schön: Schönen guten Morgen.
    Dobovisek: Haben es Frauen schwerer in der Politik als junge Männer?
    Schön: Na ja, ganz unabhängig von der aktuellen Debatte um Sexismus gehören Frauen oder vor allem junge Frauen einer doppelten Minderheit an. Und Minderheiten haben es immer ein bisschen schwieriger als die Mehrheit, weil natürlich die Strukturen, die Themen, die Rituale doch sehr stark von der Mehrheit geprägt sind. Auf der anderen Seite haben sie es oft auch leichter, weil sie natürlich auch besonders gefördert werden, auch schnell in gewisse Positionen kommen, was aber dann auch wieder auf Vorbehalte stößt. Sie haben es auf der einen Seite leicht, auf der anderen Seite auch ein bisschen schwerer. Konkret das Thema Sexismus ist, glaube ich, ein Thema, was gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss, nicht nur in Parteien oder nicht nur in der Politik.
    Dobovisek: Sie gehören ja selbst zur beschriebenen Generation junger Politikerinnen, sind Anfang 30. Das dürfen wir, glaube ich, an dieser Stelle ruhig einmal erwähnen. Und Sie sind stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, eine herausragende Position also. Welche Widerstände sind Ihnen auf dem Weg dorthin begegnet?
    Schön: Als Frau durchaus kritischer beäugt
    Schön: Zum einen trifft natürlich auch auf mich zu, dass es mir sicher auch öfter geholfen hat, dass ich eine Frau bin, weil wir eben nicht so viele Frauen in der Politik sind. Und man deshalb auch sehr viel Unterstützung bekommt. Auf der anderen Seite muss man sich in dem Amt, in dem man dann ist, dann auch bewähren. Und da wird man als Frau durchaus auch kritischer beäugt als die männlichen Kollegen, so nach dem Motto, jetzt ist sie es, schafft sie das denn auch. Oder wie funktioniert das.
    Dobovisek: Wie drückt sich das aus bei Ihnen?
    Schön: Das macht es für Frauen oft schwierig. Es hilft natürlich, wenn man sich gut austauscht, gut vernetzt mit Frauen. Und das machen wir in der Fraktion. Das wird aber auch in der Partei gemacht. Die Frauenunion macht oft Mentorenprogramme. Und das hilft dann ganz gut, um auch mit den Alltagsproblemen und Fragen, die man dann gerade als Frau hat, gut klarzukommen.
    Dobovisek: Begegnet Ihnen auch Sexismus?
    Schön: Ich habe die Erfahrungen, die jetzt in dem offenen Brief geschildert wurden, nicht gemacht. Aber ich kenne das natürlich auch von Berichten von Bekannten und Freundinnen, jetzt egal, ob in der Politik, in der Wirtschaft oder auch in Vereinen und Verbänden. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Man selbst muss wahrscheinlich unterscheiden zwischen einer laxen Bemerkung und einer Bemerkung, die dann einen verletzt und die sexistisch ist.
    Dobovisek: Da sind wir auch schnell wieder bei der Debatte, die wir von vor drei Jahren schon kennen: die Debatte um den Herrenwitz. Wann beginnt für Sie Sexismus, wann hört der Spaß auf?
    Schön: Na ja. Jeder, der eine Bemerkung macht, sollte sich vielleicht hinterfragen: Wäre es okay, wenn man die Bemerkung mir oder meiner Tochter oder meiner Frau gegenüber machen würde. Und dann hat man, glaube ich, schon mal ein ganz gutes Gefühl dafür, ob das jetzt noch ein Witz ist oder ob das eine verletzende Bemerkung ist. Und für die betroffenen Frauen kann ich nur empfehlen, das Thema dann auch anzusprechen: entweder bei den Betroffenen direkt oder in der Gruppe. Dass man sagt, hör mal, das ist jetzt keine laxe Bemerkung mehr, ich finde, hier ist ein Klima in dieser Gruppe, wo zu viele verletzende Bemerkungen gemacht werden. Dann glaube ich aber auch, dass dann eine Offenheit oder eine Bereitschaft besteht, darüber nachzudenken. Dass es jetzt ein strukturelles sexistisches Klima innerhalb von Parteien gibt, habe ich bisher nicht festgestellt.
    Dobovisek: Machen wir das mal ganz konkret. Nehmen wir den Fall von Frau Behrends, nehmen wir die Bemerkung "kleine süße Maus, große süße Maus". Sie sind selber Mutter von zwei Kindern und wenn Ihnen genau das begegnen würde, ist das schon eine Grenze, die für Sie überschritten ist?
    Schön: "Große süße Maus" ist keine akzeptable Bemerkung
    Schön: Na ja. Zu einer erwachsenen Frau zu sagen, das ist eine große süße Maus, das ist natürlich nichts, das ist keine Bemerkung, die ich für akzeptabel finden würde. Es ist natürlich immer gut, wenn man in dem speziellen Moment schlagfertig ist und eine gleiche Bemerkung zurückgeben kann. Das ist das allerbeste. Wenn das nicht der Fall ist, dann sollte man denjenigen vielleicht zu späterer Stunde noch mal zu einem Gespräch bitten und sagen, hör mal, die Bemerkung, ich weiß, war witzig gemeint, aber überlege mal, ob Du mir gegenüber und anderen gegenüber in ähnlicher Weise Bemerkungen machst. Das kann durchaus in den falschen Hals kommen. Und zu einer erwachsenen Frau große süße Maus zu sagen, das muss wirklich nicht sein.
    Dobovisek: Glauben Sie ernsthaft, dass in einer solchen Situation tatsächlich Offenheit in Ihrer Partei herrscht, wenn zum Beispiel Sie Ihrem Parteifreund in einer solchen Situation sagen würden, das geht jetzt gar nicht. Und das in der Öffentlichkeit?
    Schön: In der Partei genauso wie in der ganzen Gesellschaft muss das Thema stärker diskutiert werden, thematisiert werden. Aber ich bin der Meinung, da hilft wirklich nur Offenheit. Und deshalb nützt auch diese Debatte, weil man einfach noch mal diskutieren kann und darüber nachdenken kann. Und das stelle ich auch fest, dass die Bereitschaft innerhalb der Partei auf jeden Fall da ist.
    Dobovisek: Das sagt ja auch CDU-Generalsekretär Tauber. Er fordert oder er wünscht sich eine Auseinandersetzung mit sexistischem Verhalten. Wie soll diese Auseinandersetzung in den nächsten Monaten und Jahren in Ihrer Partei aussehen?
    Schön: Das kann man anlassunabhängig in den Gremien diskutieren. Das wird aber auch diskutiert, weil wir uns ja permanent die Frage stellen, wie bekommen wir denn mehr junge Leute, mehr Frauen, auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund in die Partei. Wie begeistern wir sie für Politik. Und da gehört das Thema natürlich dazu. Das gilt aber auch in anderen Bereichen, etwa in der Wirtschaft, wo man auch sieht, dass zu wenig Frauen in Führungspositionen sind. Oder auch in den Medien, wo in ihren Strukturen wahrscheinlich das gleiche Thema diskutiert wird. Das wird gemacht. Und ich halte das auch für wichtig und gerade die Frauen, die in der Politik sind, sind dann natürlich auch wichtige Botschafter in beide Richtungen.
    Dobovisek: Das würde ich gerne noch mal aufgreifen. Wir haben auch den Vorstand der Frauenunion für ein Interview angefragt. Die FU nennt sich ja auch auf ihrer Homepage selber die "Lobby für Anliegen von Frauen in der CDU und in der Politik". Annegret Kramp-Karrenbauer zum Beispiel ließ als FU-Vize ihre Sprecherin ausrichten, sie halte es für Quatsch, sich zum offenen Brief von Jenna Behrends zu äußern. Das hat mich, ehrlich gesagt, am Freitag etwas gewundert. Prallen da vielleicht auch unterschiedliche Welten aufeinander, unterschiedliche Generationen von Politikerinnen?
    Schön: Annegret Kramp-Karrenbauer ist wirklich eine Kämpferin auch für die Frauen in der Partei. Dass man sich zum aktuellen Fall nicht äußert, kann ich verstehen. Ich habe auch überlegt, ob ich das tun soll, weil man einfach die Hintergründe nicht kennt. Deshalb muss man das auch trennen, das Thema Sexismus generell oder das Thema Frauen in der Politik generell, was mit Sicherheit ein großes Anliegen ist. Und dieser konkrete Fall, der natürlich auch sich wirklich im Graubereich bewegt und man sich natürlich auch die Frage stellen kann, ist es gut, mit einem offenen Brief zu agieren. Oder hätte man nicht besser die Parteifreunde erst mal direkt ansprechen sollen. Dazu will ich jetzt auch gar keine Bewertung abgeben. Mir ist es wichtig, mehr junge Frauen für die Politik zu begeistern. Und deshalb gehört auch dazu, dass wir offen mit dem Thema umgehen. Aber es gehört eben auch dazu zu sagen, das ist kein Problem der Union. Es ist nicht so, dass Frauen in der Union irgendwie schlecht behandelt werden. Ganz im Gegenteil! Ich persönlich habe wie gesagt diese Erfahrungen in dem Maße noch nie gemacht und ich bin wirklich jetzt schon lange Jahre dabei.
    Dobovisek: Nadine Schön ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende von der CDU und CSU im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.
    Schön: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.