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Demonstration gegen Autoverkehr
Stuttgarter fordern Fahrverbote

An Deutschlands dreckigster Kreuzung ging am Neujahrstag nichts mehr: Rund 400 Demonstranten haben in Stuttgart gegen Umweltgifte demonstriert, die vom Autoverkehr ausgehen. Ihr Motto: Wenn die Politik nicht handelt, sorgen wir selbst für Fahrverbote.

Von Uschi Götz | 02.01.2018
    Teilnehmer einer Demonstration gegen Feinstaubbelastung in Stuttgart während einer Kundgebung am 01.01.2018 an der B14 in Stuttgart (Baden-Württemberg). Unter dem Motto "Fahrverbote selber machen - Menschen schützen" haben rund 400 Teilnehmer gegen die Feinstaubbelastung am Stuttgarter Neckartor protestiert.
    Demonstration gegen Feinstaubbelastung in Stuttgart (picture alliance / dpa / Daniel Maurer)
    Für knapp zwei Stunde ging gestern nichts mehr auf der B14 Höhe Neckartor-Messstelle - in eine Richtung wurde die Straße gesperrt. Jeden Tag sind es Tausende Autos, die auf der Bundesstraße 14 stadtein- oder stadtauswärts fahren. Die Straße führt direkt am Stuttgarter Neckartor vorbei, bundesweit auch als dreckigste Kreuzung Deutschlands bekannt.
    Am Straßenrand spielt eine Band, rund 400 Demonstranten singen "Wir wollen keinen Feinstaub mehr", "Fahrverbote ab 01.01.2018!" und "Fahrverbote retten Leben - Autoflut stoppen - jetzt".
    Der Anwalt Roland Kugler fordert eine City-Maut, er war viele Jahre Gemeinderat der Grünen in Stuttgart und vertritt zwei Anwohner des Neckartors bei ihren Klagen gegen das Land. Die Stuttgarter gehen seit Jahren juristisch gegen die Landesregierung vor; in einem Vergleich hatte sich das Land 2016 dazu verpflichtet, den Verkehr rund um das Neckartor ab 2018 an Tagen mit hoher Luftbelastung um 20 Prozent zu reduzieren.
    "Ich habe bemerkt, es tut sich nichts. Ab heute müsste an Tagen der Grenzwertüberschreitung der Verkehr hier um 20 Prozent reduziert werden."
    Noch kurz vor Weihnachten hatte sich das Verwaltungsgericht Stuttgart mit einem Vollstreckungsungsantrag der beiden Kläger beschäftigt. Das Gericht räumte dabei dem Land eine letzte Chance ein, um den Verkehr am Neckartor zu reduzieren. Sollte der Termin ohne Konsequenzen verstreichen, muss Baden-Württemberg ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro bezahlen. Passiert auch nach dieser möglichen Zahlung nichts, könnten neue Zwangsgelder gefordert werden. Am Rande der Veranstaltung sagte Anwalt Kugler:
    "Das können wir unendlich lange machen und immer wieder neue Zwangsgelder festsetzen lassen, es ist eine Frage, ob das nicht irgendwann zu einer Riesenblamage für die Landesregierung wird."
    Vorwürfe gegen die Landesregierung
    Manfred Niess ist einer der beiden Kläger. Der frühere Lehrer erhob Vorwürfe gegenüber der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg:
    "Das kann nicht sein, dass die Landesregierung Recht bricht. Hier in Stuttgart ist seit 2005 jeden Tag ein rechtsfreier Raum oder bei jedem Feinstaubalarm. Und die Regierung guckt weg, weil sie weggucken muss, weil die Automobilindustrie ihr sagt, ja, Fahrverbote können wir jetzt nicht machen. Es sollte die Regierung die Entscheidung treffen und nicht die Automobilindustrie."
    Im Stuttgarter Rathaus ist man indes zuversichtlich, die Schadstoffbelastung in den Griff zu bekommen, zumindest was das Thema Feinstaub betrifft. Kurz vor Weihnachten gab Stuttgarts grüner Oberbürger Fritz Kuhn eine vorläufige Bilanz der Luftbelastung im Jahr 2017 bekannt:
    "Die Stadt Stuttgart wird bezogen auf das Neckartor und die anderen Messstellen beim Feinstaub deutlich besser, die Luft wird also besser, auch beim Stickoxid. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Wichtig ist aber, dass wir inzwischen das Ziel sehen können."
    Feinstaubwerte werden langsam besser
    Laut Kuhn wurden bis Mitte Dezember an 45 Tagen am Neckartor der Feinstaubgrenzwert überschritten; ein Jahr zuvor waren es 63 Tage. Laut EU Verordnung dürfen die Grenzwerte allerdings nur an 35 Tagen überschritten werden. Doch immerhin: Es tut sich was.
    Verschiedene Maßnahmen trügen zur Reduzierung bei, so OB Kuhn. Wissenschaftlich ausgewertet wird ab April, ob und welchen Effekt die nächtliche Straßenreinigung rund um das Neckartor hat:
    "Wir haben ja eine Arbeitshypothese, dass es hilft, so in der Größenordnung von zehn Prozent. Das ist noch nicht belegt."
    Ein Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge, wie es ein Urteil des Veraltungsgerichts Stuttgart vorsieht, wird es nicht geben. Das Land wartet nun auf eine mögliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Frage. Einigen Stuttgartern dauert das alles zu lang, gleich am ersten Tag des neuen Jahres wurden große Protestaktionen angekündigt:
    "Wir gleich am 11. Januar nochmal eine Großdemonstration machen. Die Alternative ist nur die, dass die Leute vom Neckartor und von den umgebenden Vierteln selber jetzt aktiv werden ..."
    Das sagte Manfred Niess, einer der beiden Kläger vom Neckartor auf der gesperrten Bundesstraße in Stuttgart.