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Düsseldorfer OB zu Fahrverboten
"Hier werden Opfer zu Tätern gemacht"

Der Bund versuche beim Thema Fahrverbot den Kommunen den Schwarzen Peter zuzuschieben, beklagte der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel im Dlf. Für Zulassung und die Einhaltung der Grenzwerte seien der Bundesverkehrsminister und die Autoindustrie verantwortlich, sagt Geisel - und hat eine klare Forderung an Berlin.

Thomas Geisel im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 26.08.2017
    Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD), aufgenommen am 08.11.2016 auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf zu Integration von Flüchtlingen.
    Thomas Geisel, Düsseldorfer Oberbürgermeister, im Dlf: "Der Bund hat hier offenbar geschlafen bei der Festlegung richtiger Grenzwerte für die Zulassung von Dieselfahrzeugen." (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Jürgen Zurheide: Die Frage steht natürlich im Raum - wie können diese Fahrverbote wirklich verhindert werden, hat die Politik überhaupt noch die Macht oder haben Juristen und Gerichte das inzwischen in der Hand, denn wir alle wissen, dass die Deutsche Umwelthilfe geklagt hat. Eine der beklagten Städte ist Düsseldorf. Auch dort werden die Grenzwerte massiv zum Teil überschritten, und über dieses Thema wollen wir jetzt reden mit dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der jetzt am Telefon ist. Zunächst einmal begrüße ich Sie. Guten Morgen, Herr Geisel!
    Thomas Geisel: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Geisel, haben Sie denn schon gerechnet, dass das, was da in Berlin bei diesem – ich sage es bewusst – Gipfel, bei dem sogenannten Gipfel, beschlossen worden ist, was das für Düsseldorf heißt, ob dann die Grenzwerte eingehalten werden?
    Geisel: Nein, das haben wir noch nicht im Einzelnen durchgerechnet. Ich sage mal, dass ein paar vernünftige Beschlüsse gefasst werden, dass die Automobilindustrie in die Pflicht genommen wird, alles zu tun. Dass die Grenzwerte eingehalten werden, ist natürlich richtig, ist absolut angebracht, dass man auch sagt, wie kann man den Kommunen helfen, Maßnahmen zu ergreifen, die nun in ihre Zuständigkeit fallen, um die Luft reiner zu halten, ist auch richtig, dass man etwa die Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr erhöht, dass man den Fahrradverkehr intensiviert, dass man das Förderinstrumentarium für die Umstellung städtischer Fuhrparks auf Elektromobile erhöht oder verbessert. Auch das ist richtig.
    Aber eines muss ja auch klar sein: Was mich an der ganzen Diskussion wundert, ist, dass man so ein bisschen versucht, den Kommunen den Schwarzen Peter zuzuschieben für ein Problem, für das die Kommunen in keiner Weise verantwortlich gemacht werden können.
    "Hier werden Opfer zu Tätern gemacht"
    Zurheide: Ich will da direkt mal zwischengehen: Fühlen Sie sich unter dem Strich alleingelassen? Über diese Detailmaßnahmen werden wir sicher gleich noch reden, was Sie machen können, aber fühlen Sie sich im Kern alleingelassen? Sie sagen bewusst, ja, da schiebt man uns den schwarzen Peter zu?
    Geisel: Man muss mal eins sagen: Wer ist denn verantwortlich für die Voraussetzungen, unter denen Autos in den allgemeinen Verkehr zugelassen werden – das ist, soweit ich unterrichtet bin, der Bundesverkehrsminister, und wer ist verantwortlich dafür, dass diese Grenzwerte eingehalten werden – das ist die Automobilindustrie, und offenbar ist es so, dass man entweder oder wahrscheinlich erst mal beides gemacht hat. Man hat auf der einen Seite wahrscheinlich nicht Grenzwerte vor Ort, die nicht streng genug waren, und man hat nicht darauf geachtet, dass sie tatsächlich von der Automobilindustrie auch eingehalten werden, sondern da wurde ja ganz offenkundig auch geschummelt.
    Jetzt dieses Problem den Kommunen überzuwelzen und ihnen, wie soll ich sagen, Maßnahmen aufzuzwingen, die auch administrativ kaum durchführbar sind, das halte ich schon für in höchstem Maße ungerecht. Hier werden Opfer zu Tätern gemacht.
    Zurheide: Was muss denn aus Ihrer Sicht in Berlin passieren? Ich glaube, da gibt es ja demnächst auch Gespräche. Was fordern Sie?
    Geisel: Dass man mal konsequent dafür Sorge trägt, dass die Zulassungsvoraussetzungen, insbesondere der Dieselfahrzeuge, so streng sind, dass die Grenzwerte auch eingehalten werden können, also dass in Düsseldorf und anderen Orten die Grenzwerte massiv überschritten werden, sollte eigentlich gewissermaßen wie so eine Art Feedbackschleife funktionieren, dass man sagt, hey, pass mal auf, Verordnungsgeber, du hast hier offenbar nicht die richtigen Maßnahmen angeordnet. Das ist eigentlich die richtige Reaktion und nicht, zu sagen, hey, liebe Kommunen, jetzt ist das Problem euers, und ihr müsst es lösen mit Maßnahmen, die, wie etwa ein Dieselfahrverbot, praktisch ... Man muss sich ja mal vorstellen, wie das funktionieren soll. Das ist ja praktisch nicht durchführbar.
    Zurheide: Was können Sie denn in den Kommunen tun? Jetzt kommen wir auf diesen zweiten Aspekt, unabhängig von den Grundsatzfragen, die nach Berlin geschoben werden, denn die Menschen sagen ja zurecht, das ist mir ziemlich egal, ob das jetzt Berlin, Düsseldorf oder meinetwegen irgendeine andere Stadt ist – Sie sind jetzt nur das Synonym für diese Städte –, dieses Hin und Her wollen die Menschen natürlich auch nicht und ihre Autos nicht benutzen dürfen, da sagen die Menschen auch, das kann nicht sein, wir haben uns darauf verlassen. Also was können Sie denn tun?
    Geisel: Was wir in Düsseldorf machen, ist, dass wir sagen, das Auto generell sollte in der Innenstadt nicht das Verkehrsmittel der Wahl sein. Das hat einmal was zu tun mit Luftreinheit, und das hat auch natürlich etwas zu tun mit, wie soll ich sagen, vernünftiger, zügiger Mobilität. Man kommt in einer verdichteten Innenstadt üblicherweise mit dem Auto nicht am schnellsten von A nach B, und deswegen setzen wir auf eine klare Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Deswegen bauen wir massiv die Fahrradinfrastruktur aus, setzen auf das Fahrrad. Das sind beides Verkehrsmittel, die emissionsarm oder sogar emissionsfrei sind. Das Fahrrad ist mit Sicherheit das gesündeste Verkehrsmittel, vielerorts auch der schnellste, und das ist ...
    Zurheide: Klammer auf, mal eben dazwischen: Wie bewegt sich der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf?
    Geisel: Ich habe selber auch einen Diesel als Dienstwagen. Das stand ja neulich auch in den Gazetten. Ich fahre allerdings auch selber sehr, sehr viel Fahrrad. Kürzere Distanzen mache ich mit dem Rad.
    "Es spricht vieles für E-Mobilität"
    Zurheide: Was können Sie denn tun, Stichwort E-Busse? Das ist ja auch eine Diskussion, die ganzen Verkehrsbetriebe sollen auf E-Busse umgestellt werden. Ist das der sinnvolle Weg oder präjudiziert man da irgendetwas? Wird die E-Mobilität überhaupt die Zukunft sein? Wie sehen Sie das?
    Geisel: Ich bin jetzt nicht der Experte, was Antriebstechnologien angeht. Es spricht vieles für E-Mobilität. Ich habe erst gestern in Düsseldorf den Ausbau einer Werkstatt unserer Rheinbahn eingeweiht. Wir haben das Richtfest gefeiert. Da geht es um gewissermaßen neue Wartungseinrichtungen für E-Busse. Man muss ja sehen, wenn die Rheinbahn – und wir sind dabei, beides zu tun - umstellt sukzessive von Diesel auf Elektroantrieb, dann braucht man natürlich auch die ganze Infrastruktur etwa, was Wartung, Reparatur, Instandhaltung dieser Fahrzeuge angeht, aber das ist ein Prozess, der geht auch nicht über Nacht, aber wir werden da jetzt richtig Tempo machen, dass wir sobald-, also dass wir neue Fahrzeuge nur noch als E-Fahrzeuge zulassen bei der Rheinbahn oder erwerben, und so wird dann sukzessive gewissermaßen mit dem Ablauf der Lebensdauer eines Dieselbusses die Flotte sukzessive auf E-Mobilität umgestellt.
    "Der Bund hat hier offenbar geschlafen"
    Zurheide: Wenn Sie die Chance hätten, der Kanzlerin etwas zuzurufen – vielleicht kümmert sie sich demnächst ja doch etwas intensiver um das Thema, als sie es bisher getan hat –, was sagen Sie ihr?
    Geisel: Ich würde ihr sagen, der Bund hat hier offenbar geschlafen bei der Festlegung richtiger Grenzwerte für die Zulassung von Dieselfahrzeugen. Das kann der Bund dadurch gutmachen, dass er die Kommunen jetzt zusätzlich mit Mitteln ausstattet, um das zu tun, was die Kommunen tun können und für saubere Luft in den Innenstädten zu sorgen, etwa durch Verbesserung der Mittel der ÖPNV, der Verbesserung des Förderinstrumentariums für die Umstellung auf E-Mobilität, auch Mittel für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur beispielsweise.
    Zurheide: Haben Sie die Hoffnung, dass das passieren wird?
    Geisel: Die Hoffnung stirbt zuletzt!
    Zurheide: Das war Thomas Geisel, der Düsseldorfer Oberbürgermeister zu den schwierigen Fragen der Verkehrspolitik in den Städten. Herr Geisel, ich bedanke mich für das Gespräch!
    Geisel: Gerne! Wiedersehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.