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Brustkrebs bei Männern

Nicht nur Frauen können Brustkrebs bekommen, sondern auch Männer. Dabei ist der einzige Unterschied die Häufigkeit des Tumors: Statistisch erkrankt jede achte Frau an Brustkrebs, aber nur jeder 800. Mann. Die Therapie ist bei beiden gleich.

Von Mirko Smiljanic | 02.01.2018
    Das Gewebe eines Brustkrebsgeschwulst
    Das Gewebe eines Brustkrebsgeschwulst (epa Quintiles / Handout; )
    Wolfgang Stöbe hat einen erlesenen Geschmack. Großzügig öffnet sich die Lobby seines Architekturstudios in Meerbusch bei Düsseldorf in eine modern gestaltete Halle. Transparente, helle Farben, eleganter Schick wohin man schaut. Im Hintergrund geben Glaswände den Blick frei in Büros mit Frauen und Männern vor großen Bildschirmen. Sanftes Licht dominiert, ruhige, unaufgeregte Atmosphäre. Der heute 62-jährige Wolfgang Stöbe zählt zu den erfolgreichen Architekten Deutschlands, auch deshalb, weil er sich auf den Neu- und Umbau von Krankenhäusern spezialisiert hat. Stöbe steht auf der Sonnenseite des Lebens. Doch es gab auch andere Zeiten. Im Jahre 2010 sitzt er nach einem routinemäßigen Gesundheitscheck vor dem Schreibtisch seines Arztes.
    "Und dann hat er mir berichtet, es sieht nicht so gut aus, Sie haben ein Prostatakarzinom."
    Im ersten Moment ein niederschmetterndes Ergebnis. Aus der Bahn geworfen hat es Stöbe aber nicht. Gemeinsam mit seiner Familie geht er das Problem an: Rasch einigt er sich mit der Klinik auf einen OP-Termin, der Eingriff verläuft ohne Komplikationen, die Betreuung durch Ärzte und Schwestern ist hervorragend. Ende gut, alles gut?
    "Meine Frau und ich waren ganz froh, jetzt haben wir das alles überstanden und abgearbeitet und es ist toll! Und irgendwann liegen wir sonntagsmorgens im Bett, und dann sag ich, fühl doch mal bitte hier oben an der Brust, da ist so eine komische Stelle, die gehört da nicht hin."
    Keine Schmerzen, nur ein kleiner Knubbel auf der linken Seite. "Da hat sie noch Witze gemacht, nachher must Du noch zum Frauenarzt."
    Eine Biopsie, um sicher zu gehen
    Viele offene Fragen, nur eine Gewissheit: In Wolfgang Stöbes Brust hat sich ein Knubbel angesiedelt, der da nicht hingehört. Was kann das sein? Worauf soll er achten?
    "Zu achten ist hierbei, gibt es irgendwelche Absonderungen vielleicht aus der Brustwarze, oder hat sich die Haut der Brust zum Beispiel entzündlich verändert, also ist sie vielleicht gerötet, das wären so Alarmsignale, auf die man dann reagieren müsste", erklärt Dr. Matthias Losch, Chefarzt der Frauenklinik am Prosper-Hospital Recklinghausen und Leiter des angeschlossenen Brustzentrums.
    Nichts trifft auf den Architekten zu, weder sondert seine Brustwarze Sekrete ab, noch ist die Haut gerötet; weder hat Stöbe Schmerzen, noch fühlt er sich kraftlos. Also gehen Leben und Arbeit weiter, sein Büro muss binnen weniger Wochen wichtige Projekt abarbeiten. Unter anderem den Umbau eines Chirurgischen Zentrums im Ruhrgebiet. Mitten in einer Besprechung fällt es ihm dann wieder ein: der Knubbel!
    Jetzt oder nie, sagt sich Stöbe, nimmt den Leitenden Chirurgen nach der Baubesprechung beiseite: "und hab gesagt, schauen Sie sich das doch bitte mal an. Ich glaub, das gehört da nicht hin. Hat er gesagt, nö, sagt, das gehört da nicht hin, ich überweis sie sofort zu meinem Kollegen. Am nächsten Tag habe ich einen Termin bekommen bei Herrn Dr. Losch, der hat sich das angeschaut, das sieht gar nicht gut aus."
    Losch tastet die Brust ab, außerdem untersucht er die Lymphknoten der Achselhöhlen.
    "Und da steht an erster Stelle natürlich die Ultraschalldiagnostik, und mit der Ultraschalldiagnostik kann man eigentlich zu 90 Prozent die Diagnose stellen mit den hochauflösenden Ultraschallgeräten."
    Dabei entdeckte der Leiter des Recklinghäuser Brustzentrums "einen Tumor, letztendlich eine Raumforderung, so sagen wir in der Medizin, die letztendlich bestimmte Charakteristika zeigte, die im Ultraschall dann auf Bösartigkeit hinweisen."
    Um ganz sicher zu gehen, entnimmt der Frauenarzt eine Biopsie. Die Gewebeprobe soll endgültig Aufschluss geben, was es mit dem Knubbel auf sich hat. Freitags liege das Ergebnis auf dem Schreibtisch, sagt Losch, kommen Sie Montag bitte zu mir. Zu spät, entgegnet Stöbe, bitte rufen sie mich an, ich bin mit meiner Frau in Hamburg.
    "Ich stand in Hamburg in einer Umkleidekabine, wollte gerade eine Hose anprobieren, da rief er an und hat mir berichtet, dass ich Brustkrebs hab."
    Ein Schock!
    "Das ist so, als steht einer vor Ihnen und haut Ihnen mit der Faust ins Gesicht. Vor allen Dingen die zweite Erkrankung, die setzt Ihnen mehr zu. Dann haben wir beschlossen, wir gehen essen, haben gut gegessen, haben gut getrunken, waren alle berührt davon, dass ich jetzt wieder betroffen bin, wir wollten noch anschließend weiter nach Sylt, meine Frau hat gesagt, ne, wir fahren jetzt nach Hause, ne habe ich gesagt, wir fahren jetzt nach Sylt genießen die Tage und gucken was dann kommt."
    Ein intensive Chemotherapie ist nötig
    Brustkrebs zählt zu den häufigsten Tumorarten, in den westlichen Industrienationen sind rund 13 Prozent aller Frau betroffen. Viel Forschung wird betrieben, Diagnostik und Therapie haben mittlerweile ein hohes Niveau erreicht – und doch gibt es eine erstaunliche Informationslücke: Nicht nur Frauen können Brustkrebs bekommen, sondern auch Männer. Dabei ist der einzige Unterschied die Häufigkeit des Tumors: Statistisch erkrankt jede achte Frau an Brustkrebs, aber nur jeder 800. Mann. Die Therapie ist bei beiden gleich.
    "Zunächst war es eine operative Therapie, das heißt, wir haben das Drüsengewebe der Brust entfernt und gleichzeitig auch die Lymphknoten aus der Achselhöhle, um hier festzulegen, wie weit ist der Befall in der Achselhöhle fortgeschritten, sprich, wie viele Lymphknoten sind befallen, denn danach richtet sich die nachfolgende Chemotherapie."
    Bei Wolfgang Stöbe war eine vergleichsweise intensive Chemotherapie notwendig, außerdem mussten seine Lymphknoten bestrahlt werden. Der Einsatz, so Matthias Losch, hat sich aber gelohnt.
    "Herrn Stöbe geht’s sehr gut. Er ist gesund, auch über einen langen Zeitraum, das heißt über das sogenannte Rezidivrisiko, wir nehmen da immer die fünf Jahre, hinaus."
    "Ich hab nach meiner Brustkrebserkrankung mit Yoga angefangen. Das hat mir sehr geholfen, muss ich wirklich sagen, so in den Körper hineinhorchen und spüren und nachspüren, das ist eine Dimension, die kannte ich vorher so nicht. Ich erzähl das manchmal, durch die Stirn ausatmen, da lachen ja alle, aber man kann es wirklich, das ist so!"