Samstag, 11. Mai 2024

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Der digitale Blick auf das eigene Tun
Warum immer mehr Lehrkräfte bloggen

Sie bieten Einblicke in den Unterricht, geben pädagogische Tipps oder stoßen Diskussionen über Probleme im Referendariat und im Schulalltag an: Immer mehr Lehrkräfte bloggen. Online erhalten sie dabei jede Menge Feedback - bei den eigenen Kolleginnen und Kollegen stößt ihr Tun oft eher auf Desinteresse.

Von Philip Banse | 22.09.2018
    Eine Hand bedient eine Computermaus.
    Viele Lehrer fühlen sich an der eigenen Schule mit ihren Problemen allein gelassen und tauschen sich deshalb via Blog mit anderen Pädagogen online aus (AFP / Robyn Beck)
    "Angefangen zu bloggen habe ich, um alle um mich herum im Referendariat auf dem Laufenden zu halten."
    Frau Ella, anonyme Lehrerin und Frau hinter dem Blog "Frau Ella".

    "Ich habe ganz schnell Feedback erhalten und gemerkt, dass es anderen im Referendariat auch nicht so super geht und dass sie ähnliche Probleme haben

    "Man steht also als junger, unerfahrener Kollege da, ich hatte gleich im ersten Jahr einen Leistungskurs, den ich noch nie vorher unterrichtet hatte, war komplett panisch und habe null Hilfe bekommen."
    Jochen Lüders, seit über 30 Jahren Gymnasiallehrer in München, von bloggend: 20 Jahre. Immer unter jochenlueders.de.
    "Und dann dachte ich mir, das kann es einfach nicht sein, dass jeder immer wieder bei null anfängt und habe mir gedacht, dass mache ich mal besser."
    Lüders stellte Unterrichtsmaterial ins Netz, berichtete, wie er Kinder zu Hausaufgaben motivierte. Auch nach 20 Jahren sei das noch befriedigend. Nur über Bildungspolitik will er nichts mehr schreiben:
    "Weil ich einfach den Eindruck habe, es nützt überhaupt nichts."
    Lehrer waren früh mit dabei, als Blogs vor rund 20 Jahren bekannter wurden. Heute besuchen die größeren deutschen Lehrer-Blogs einige Hundert bis 1500 Menschen pro Tag. Die Autoren posten Unterrichtsmaterial, geben Tipps zur Motivation der Schüler, mischen Privates mit wissenschaftspolitischen Betrachtungen und wollen Kollegen motivieren:
    "Meine beste schulbezogene Geschichte war vermutlich das Projekt zur Lektüre der 'Name der Rose' von Umberto Eco."
    Sagt Thomas Rau, seit fast 20 Jahren Deutsch und Englisch-Lehrer, von 14 Jahre bloggend unter Herr-Rau.de. Schüler hätten Filme gedreht zum Thema und Ecos Benediktiner-Kloster aus Holz nachgebaut. Das musste ins Blog.
    "Aus Stolz über das Projekt, aus Stolz über die Schüler, um zeigen zu könne, was es alles Schönes gibt in der Schule, und was man für schöne Sachen machen kann."
    Der Motivator unter den Lehrer-Bloggern
    "Wer das liest, soll Lust auf Schule bekommen."
    Jan-Martin Klinge, Lehrer hinter dem Halbtagsblog.
    "Und einen Eindruck bekommen, dass der Lehrerberuf unglaublich schwierig und herausfordernd auch ist, aber ein Beruf ist, der unglaublich viel Freude machen kann."
    Klinge schreibt über 3D-Druck-Workshops, gibt pädagogische Tipps, der Motivator unter den Lehrer-Bloggern.

    "Dinge, die mich ärgern oder die mich frustrieren, die kann ich entweder ändern oder ich muss lernen, damit zu leben. Aber es hilft nichts, wenn ich mich im Internet darüber auskotze, wenn meine Schüler keine Hausaufgaben machen."
    "Damals habe ich angefangen, mit dem Blog zu spielen, weil ich mich als Lehrer ein bisschen isoliert gefühlt habe", sagt Maik Riecken von Riecken.de. Er wollte Konzepte diskutieren, Ideen austauschen, aber im Alltag.
    "Gibt es kaum Zeit, mal über Sachen nachzudenken. Und so ein Blog bietet die Gelegenheit, Ideen mal einem breiteren Publikum zu präsentieren.
    Feedback an der eigenen Schule ist oft minimal
    Der Austausch, das sagen alle, der Austausch mit anderen, das sei der Mehrwert des Bloggens. Allerdings:
    "Das Feedback der Kollegen an der eigenen Schule ist minimal."
    "Von meiner eigenen Schule gab es so gut wie nie ein Feedback." - "Ich mache kein Geheimnis draus, die Schulleitung weiß, aber das interessiert niemanden groß." - "Das Feedback aber aus ganz Deutschland und der Lehrer-Community war ein ganz anderes."
    "Das Feedback von Kollegen an anderen Schulen ist deutlich größer."
    "Es hat auch immer so einen kleinen Motivationsschub geben, dass man mit denen vielleicht auf dem richtigen Weg war. Das hat auch geholfen meinen Unterricht auch inhaltlich zu verbessern."
    Die eigenen Kollegen ignorieren das Blog, aber quer durch die Republik wird es diskutiert. Komisch, oder?
    "Ja, ist es."
    Jochen Lüders, Gymnasiallehrer.
    Es bloggen mehr Männer als Frauen
    "Andere Frage: Warum bloggen fast ausschließlich Lehrer, kaum Lehrerinnen?" - "Gute Frage." - "Da müssten wir die Damen fragen." - "Warum? Keine Ahnung. Ich hatte damals das Gefühl, dass es doch recht viele waren gerade als ich angefangen habe. Das hat sich aber wohl mittlerweile etwas aufgelöst."
    Auch Frau Ella bloggt nicht mehr, neuer Job, kein Material, sagt sie. Aber Lehrer-Blogs insgesamt sind weniger geworden.
    "Die Diskussion bei den Lehrern hat sich zunehmen auf Twitter verlagert. Es werden zwar noch Blogartikel geschrieben, aber die Besprechung findet mehr und mehr in den sozialen Medien statt."
    Lehrer Maik Riecken:
    "Ich kann es nur jedem Kollegen ans Herz legen, das zu machen. Allein die Tatsache, dass man durchs Texte schreiben für sich Dinge klarkriegt, gibt noch mal einen anderen Blick auf Unterricht. Was man nicht erwarten darf ist, dass alle Juhu und begeistert schreien, wenn man was verbloggt. Das dauert eben sehr lange, bis man eine Reaktion bekommt. Aber es gibt ja auch Treffen, die sich entwickeln, dann kommen die Kommentare, die sich im Web niemand getraut hat, zu schreiben."