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"Der erste Schritt liegt bei der Bundeskanzlerin"

Angela Merkel habe die Wahl klar gewonnen, jetzt müsse sie sagen, wie es weitergehen soll, erklärt Ulrich Kelber, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag. Ein Bündnis der SPD mit der Linkspartei, wie diese aktuell aufgestellt ist, schließt Kelber weiterhin aus.

Ulrich Kelber im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.09.2013
    Martin Zagatta: Verbunden sind wir jetzt mit dem SPD-Politiker Ulrich Kelber, stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Bundestag und von der SPD, von seiner Partei auf einen schlechten Listenplatz gesetzt. Aber er hat seinen Wahlkreis in Bonn gestern Abend als Direktkandidat gewonnen. Guten Tag und Glückwunsch, Herr Kelber.

    Ulrich Kelber: Danke schön! Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Kelber, Sie persönlich haben jetzt allen Grund, sich zu freuen, aber für Ihre Partei, für die SPD ist das ein schlechtes Ergebnis. Da gibt es wohl nichts zu beschönigen?

    Kelber: Nein. Wir haben dazugewonnen, aber bei weitem nicht so viel, wie wir wollten, und wir sind derzeit auf Bundesebene politisch nicht auf einer Augenhöhe mit der CDU. Der Wahlsieger bei dieser Bundestagswahl ist die CDU. Auch wenn die Regierung insgesamt abgewählt wurde, ist daran nichts zu deuteln.

    Zagatta: Warum sind Sie nicht auf einer Augenhöhe? Warum ist das nicht gelungen? Das war ja das erklärte Ziel.

    Kelber: Wir haben natürlich gesehen, dass die CDU es geschafft hat, am Leichnam FDP tatsächlich zwei Millionen Wählerstimmen rüberzuziehen und damit sich natürlich selber in eine ganz starke Position gebracht hat. Darüber zu sprechen, warum wir "nur" zweieinhalb Prozent aber von einem schlechten Ergebnis von 2009 zulegen konnten, da werden wir uns auch ein bisschen Zeit in den nächsten Tagen lassen. Es sah ja zuvor in den Meinungsumfragen so aus, als würden wir im Endspurt noch über dieses Ergebnis hinauskommen können.

    Zagatta: …, zumal dieses Ergebnis jetzt auch, obwohl Sie dazugewonnen haben, das zweitschlechteste der SPD in der Nachkriegszeit ist. Ist Peer Steinbrück da einfach der falsche Kandidat gewesen, oder hat die SPD überhaupt niemanden, der Merkel das Wasser reichen könnte?

    Kelber: Na ja, die Frage ist, was "Wasser reichen" heißt. Scheinbar in der Beliebtheit und in der Frage, wem man vertraut, ist Merkel im Augenblick unangefochten an der Spitze. Die SPD hatte zu Beginn des Wahlkampfes selbst verschuldete Probleme. Danach hatten wir aber auch eine unglaubliche Phase, wo die Medien praktisch null über Inhalte, sondern über die Frage, wer hat den schöneren Bart, die nettere Frisur und die schönere Handhaltung berichtet haben. Ab dem TV-Duell wurde es inhaltlicher, da haben sich die Umfragewerte deutlich aufgehellt.

    Dass von diesen Aufhellungen nur die Hälfte dann beim realen Wahlergebnis angekommen sind, das hat ja viele überrascht. Wir waren ja zuletzt in den Umfragen noch mal zweieinhalb, drei Prozentpunkte höher. Auch dann hätten wir die CDU nicht geschlagen, aber es hätte nach einer deutlich anderen politischen Erholung der SPD ausgesehen.

    Zagatta: Ist das jetzt ein Ergebnis, mit dem sich die SPD abfindet und sagt, das ist dann einfach so, oder wird es da jetzt auch irgendwelche personellen Konsequenzen geben? Steinbrück will ja nicht mitmachen in einer Großen Koalition. Ist denn Ihr Parteichef Gabriel mit so einem Wahlergebnis noch zu halten?

    Kelber: Sehen Sie, die Frage ist das, was ich gerade meinte: Es wird dann über Personen, über Sachen geredet. Über Inhalte zu sprechen, wie können wir wirtschaftlich erfolgreich sein in zehn Jahren, war zum Beispiel eines der Dinge, die wir gemacht haben, wie können alle Teilhabe haben. Das müssen wir auch auf uns selbst übertragen: Welche unserer Angebote waren die richtigen, welche falsch. Und dann die zweite Frage: Woher kommt das, wenn zu den wichtigsten Vorschlägen der SPD es Zustimmungsquoten von 70, 80 Prozent gibt, dass die Partei, die sie macht, nur 26 Prozent kriegt.

    Zagatta: … vielleicht auch daher, dass man ja gar nicht weiß, für was die SPD steht, dass sie sowohl für als auch gegen die Agenda 2010 ist und dann mit Kandidaten herumlavieren muss?

    Kelber: Na gut, das halte ich für ein bisschen leichtfertig dahingesagt. Das ist so ähnlich wie der Satz, es gibt keine Unterschiede mehr, da wo es wirklich Unterschiede gibt. Nehmen Sie das Beispiel Agenda 2010. Ist das denn nicht das normale zu sagen, wir haben da was gemacht, das hat uns erfolgreich gemacht, und wir möchten das beibehalten, aber da, da und da haben wir gesehen, dass die Dinge sich anders entwickelt haben, als wir uns das vorgestellt haben, und das wollen wir jetzt sofort verändern, dafür stehen wir mit der Mehrheit. Ein Beispiel ist die Leiharbeit, das sollte flexibler werden mit mehr Arbeitsplätzen. Wir sehen, die Arbeitgeber missbrauchen das, also ändern wir das. Da fällt einem kein Zacken aus der Krone.

    Zagatta: Herr Kelber, läuft jetzt alles auf eine Große Koalition zu, oder steht das noch zur Debatte für die SPD?

    Kelber: Ich glaube, dass die Reihenfolge eine andere ist. Angela Merkel hat die Wahl gewonnen und jetzt muss sie Vorschläge machen, was sie tun will. Und diejenigen, die bei dieser Wahl nicht gewonnen haben, also SPD, Grüne, werden vermutlich jetzt erst mal intern auch über ihre Aufstellung reden, und das macht auch Sinn nach so einer Wahl.

    Zagatta: Eine linke Mehrheit ergäbe sich theoretisch ja auch. Die wurde von der SPD ausgeschlossen, dazu werden Sie wahrscheinlich auch stehen. Aber ist das mittelfristig nicht ein Weg, zu dem sich die SPD bekennen müsste, oder wie sehen Sie da die Zukunft der Partei?

    Kelber: Das Problem ist nicht das Bekenntnis der SPD. Die Frage ist, dass die Linkspartei klären muss, will sie gestalten oder nicht, will sie so sein wie ihre ostdeutschen Landesverbände und einige gute Leute im Westen, oder will sie sich Sektierern und Spinnern hingeben, die halt auch dort das große Wort führen und mit denen schon gerade knappe Mehrheiten und ein großes Industrieland nicht zu führen wäre. So eine unverantwortliche Geschichte werden wir nicht machen. Die Linkspartei, wenn sie sich weiterentwickelt, ist natürlich zu einem späteren Zeitpunkt in einer anderen Legislaturperiode auch ein möglicher Koalitionspartner, die Linkspartei von heute auf Bundesebene zumindest noch nicht.

    Zagatta: Ganz kurz jetzt noch zu den praktischen Auswirkungen dieser Wahl. Können Sie sich vorstellen, dass sich die SPD einer Großen Koalition noch verweigert, oder ist das undenkbar?

    Kelber: Heute Nachmittag treffen sich Parteivorstand, geschäftsführender Fraktionsvorstand zum ersten Mal. Es gab natürlich kurze Telefonkonferenzen und Gespräche auch von einzelnen Leuten untereinander. Das ist jetzt nicht eine Aufgabe der SPD. Angela Merkel muss in den nächsten Tagen sagen, was sie will. Sie ist natürlich eine glänzende Wahlsiegerin von der Zunahme der Wählerstimmen. Auf der anderen Seite ist die Regierung, die sie geführt hat, aus der Mehrheit herausgewählt worden, sie hat im Bundesrat keine Mehrheit. Einfach ist die Situation nicht, aber man kann auch nicht den Bürgern sagen, uns passt euer Wahlergebnis nicht, wählt schon noch mal schnell. Jetzt hat die Politik auch die Verantwortung, mit diesem Wahlergebnis umzugehen und in Deutschland eine stabile Regierung zu finden. Aber der erste Schritt liegt bei der Bundeskanzlerin.

    Zagatta: Der SPD-Politiker Ulrich Kelber. Herr Kelber, danke für das Gespräch!

    Kelber: Danke schön und tschüss!


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