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Der Rücktritt von Strepp ist "ein halbes Eingeständnis"

Hinter dem Versuch des CSU-Pressesprechers, bei einem Sender zu intervenieren, stehe "ein feudales autoritäres Verständnis von Pressefreiheit", meint Michael Spreng. Dass die Parteien in den Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen sitzen, lade zum "Machtmissbrauch" ein, so der Ex-Chefredakteur der "Bild am Sonntag".

Michael Spreng im Gespräch mit Christine Heuer |
    Christine Heuer: Eigentlich wollte der bayerische Ministerpräsident sich heute mit seinen Amtskollegen treffen und über die Energiewende beraten, und danach hätte Horst Seehofer dann bestimmt ein paar markige Sätze in die offenen Mikrofone formuliert. Stattdessen bleibt er jetzt doch in München, um persönlich im Landtag eingreifen zu können, wenn dort in gut einer Stunde die Affäre um den CSU-Sprecher Hans Michael Strepp debattiert wird. Der hatte am Wochenende beim ZDF angerufen, und zwar, um einen Bericht über die Kür des SPD-Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl zu verhindern, sagt jedenfalls das ZDF. Der ARD soll Strepp übrigens eine SMS gleichen Inhalts geschickt haben. – Interessanter Vorgang, der seit gestern die Gemüter erhitzt.
    Für einen bayerischen Ministerpräsidenten hat der Journalist Michael Spreng einmal den Wahlkampf geleitet, damals, als Edmund Stoiber Kanzler werden wollte. Jetzt ist er bei uns am Telefon. Guten Tag, Herr Spreng.

    Michael Spreng: Guten Tag, Frau Heuer.

    Heuer: Eigentlich hatte ich Sie eingangs fragen wollen, wie viel Zeit Sie Hans Michael Strepp noch als CSU-Sprecher geben, Herr Spreng, aber gerade erreichen uns Eilmeldungen: Herr Spreng ist zurückgetreten.

    Spreng: Ich nicht! Nein, ich trete nicht zurück. Herr Strepp.

    Heuer: Herr Strepp! Die Namen sind wirklich wahnsinnig ähnlich.

    Spreng: Ja.

    Heuer: Also Herr Strepp ist zurückgetreten. Ich frage Sie, Herr Spreng: Hatte er eine Wahl?

    Spreng: Nein. Er hätte eigentlich gestern schon zurücktreten müssen. Jetzt kommt es gerade noch rechtzeitig. Aber damit ist ja die Affäre nicht beendet. Man will ja wissen, was steckt dahinter: Hatte er eigenmächtig gehandelt, in einer Art vorauseilendem Gehorsam, oder hatte er den Auftrag dazu' Wenn er den Auftrag gehabt hätte, wäre es ein wirklicher Skandal.

    Heuer: Was vermuten Sie?

    Spreng: Ich habe keine Vermutung, weil ich kein Wissen habe. Aber er ist einer der engsten Vertrauten von Herrn Seehofer und Herrn Dobrindt und zumindest ist die Frage erlaubt, ob er von irgendjemand die Weisung gehabt hat, ruf doch mal beim ZDF an, ob die im Ernst über den Ude berichten wollen.

    Heuer: Kann es denn wirklich sein, dass ein CSU-Sprecher, gelenkt oder nicht, die Berichterstattung über einen SPD-Parteitag zu verhindern versucht? Ist das nicht viel zu grob, um der Wahrheit entsprechen zu können?

    Spreng: Ja also ich glaube da mal den ZDF-Redakteuren. Warum sollen die das sagen, dass sie diesen Anruf bekommen haben, wenn es nicht stimmt? Außerdem ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein CSU-Sprecher Sonntags um 18 Uhr in der ZDF-Heute-Redaktion anruft, um einen schönen Sonntag zu wünschen. Also da muss man die Interventionsabsicht vermuten, und der Rücktritt ist ja auch ein halbes Eingeständnis. Das muss man ja so sehen. Also insofern: da war etwas, da hat ein Sprecher eine törichte und eine dumme Aktion begangen, denn jedem Profi hätte klar sein müssen, dass diese Intervention ohnehin keinen Erfolg hat.

    Heuer: Eben! Es wäre doch viel eleganter gewesen, Herr Strepp hätte nur eine negative Berichterstattung über Christian Ude verlangt.

    Spreng: Das wäre ja noch schlimmer gewesen. – Nein! Pressesprecher haben überhaupt nicht bei Zeitungen oder Sendern zu intervenieren und zu versuchen, die Berichterstattung zu beeinflussen. Das ist ein feudales autoritäres Verständnis von Pressefreiheit, und eigentlich hatte man gedacht, dass diese Zeiten vorbei seien. Aber man lernt täglich dazu.

    Heuer: Was treibt jemanden, so, wie Sie sagen, töricht und dumm zu sein?

    Spreng: Entweder sind es Allmachtsgefühle, oder aber es ist wie gesagt vorauseilender Gehorsam. Auf jeden Fall hat er keinen guten Sonntag gehabt, überhaupt auf eine solche Idee zu kommen, und es liegt ja auf der Hand, dass es eine geplante Intervention war, denn er hatte ja auch schon an den ARD-Korrespondenten eine SMS geschickt mit der Frage, ob die ARD in der Tagesschau über den SPD-Parteitag berichten wolle. Also das war schon eine konzertierte Aktion. Da sollte offenbar das schöne Bild, das der CSU-Parteitag in den Medien hinterlassen hatte, nicht durch Berichterstattungen über Christian Ude und die SPD verdüstert werden.

    Heuer: War denn politische Einflussnahme auf Medien früher nicht stärker? Sie haben das ja gerade angesprochen. Heutzutage haben Politiker doch sofort eine hoch schädliche Diskussion am Hals, wenn das rauskommt.

    Spreng: Ja, aber es passiert ja immer wieder. Ich meine, der schlimmste Fall der letzten Zeit ist ja noch gar nicht so lange her, wie Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur aus dem Amt gemobbt wurde von der konservativen Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat. Also es kommt immer wieder vor, die Journalisten wehren sich dagegen und die Öffentlichkeit reagiert sensibel, und es hat ja zum Glück in diesem Fall auch Konsequenzen gehabt.

    Heuer: Aber mal ehrlich, Herr Spreng: War das nicht früher üblich und es kam nicht raus, gucken wir mal zurück, so 20, 30 Jahre?

    Spreng: Ja natürlich, und zwar von allen Parteien. Alle Parteien haben immer wieder versucht, Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu nehmen, oder auch auf Verlage. Ich selbst war mehrmaligen Versuchen Helmut Kohls und Leo Kirchs ausgesetzt, mich als Chefredakteur der "Bild am Sonntag" abzulösen. Also das hat es immer wieder gegeben. Aber dann müssen eben Verlage oder Sender standhaft bleiben und die Pressefreiheit verteidigen, und das hat ja das ZDF unter dem Chefredakteur Peter Frey getan.

    Heuer: Gibt es eigentlich mehr politische Einflussnahme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk als bei Zeitungen?

    Spreng: Ich glaube, ja, weil immer noch die Parteien meinen, das gehöre ihnen irgendwie. Das hängt halt damit zusammen, dass sie in den Aufsichtsgremien, in Verwaltungsräten sitzen und dort Personalpolitik machen, und daher lädt das natürlich zum Machtmissbrauch ein. Also es wäre höchste Zeit, dass diese Aufsichtsratsgremien, dass dort keine Parteipolitiker mehr hin entsandt werden, um diese Einflussnahme zurückzudrängen.

    Heuer: Sie haben gerade die Reaktion des ZDF erwähnt, das ZDF ist standhaft geblieben, der Chefredakteur hat das betont. Wie finden Sie darüber hinaus die Reaktion des ZDF?

    Spreng: Ja gut, das ZDF hat ja, wie soll man sagen, in der gestrigen Heute-Nachrichtensendung sehr unjournalistisch darüber informiert. Es gab nur ein Dementi zu einem Vorfall, der den Zuschauern noch gar nicht bekannt war von der CSU, und es gab eine Erklärung des Chefredakteurs. Also ich hätte gerne einen journalistischen Beitrag gesehen, in dem der angerufene Redakteur interviewt wird, in dem die Facetten aufbereitet werden, also einen Filmbeitrag. Das wäre, glaube ich, dann eine professionelle journalistische Handlungsweise gewesen. Aber man merkt an der Reaktion des ZDF, dass man auch dort immer noch Manschetten hat.

    Heuer: Ist das bei allen Öffentlich-Rechtlichen so, oder ist das ZDF da ein spezieller Fall?

    Spreng: Beim ZDF ist natürlich der parteipolitische Einfluss am ungebremstesten. Es ist ja auch eine nationale Fernsehanstalt. Da versuchen die Politiker, natürlich am meisten Einfluss zu nehmen. Aber man hat halt gedacht, dass jetzt unter dem neuen Chefredakteur das nicht mehr passiert, und er war ja auch standhaft. Aber der Fall Brender ist noch nicht lange her, also das ZDF lädt offenbar die Parteipolitiker zum Machtmissbrauch am ehesten ein.

    Heuer: Sie haben gesagt, das muss sich ändern. Wie kann man das denn verhindern?

    Spreng: Ja, die Aufsichtsratsgremien. Es müssen die Rundfunkstaatsverträge geändert werden aus meiner Sicht, um den Einfluss der Parteipolitik auf diese Sender zurückzudrängen. Was macht eigentlich ein Ministerpräsident im Verwaltungsrat des ZDF? Warum will Herr Beck Vorsitzender bleiben, obwohl er als Ministerpräsident zurücktritt? Das sind ja alles Fragen, die öffentlich diskutiert werden müssen, denn Presse soll frei sein und nicht unter dem Einfluss von Politik.

    Heuer: Zum Abschluss, Herr Spreng: Halten Sie den Fall Strepp jetzt für die Spitze eines Eisbergs, oder ist der einfach nur besonders ungeschickt gewesen, deshalb aufgefallen, und es ist aber nicht so, dass so etwas zur Tagesordnung gehört?

    Spreng: Nein. Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich erst mal davon aus, dass das ein Alleingang von Herrn Strepp war. Es wäre schön, man wüsste da noch mehr darüber, aber bisher ist es nur ein Alleingang, eine dumme und törichte Handlung, die er da begangen hat. Ich würde das jetzt nicht verallgemeinern. Aber man muss wachsam bleiben. Solche Interventionen können auch immer wieder vorkommen.

    Heuer: Der Publizist Michael Spreng im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich sehr.

    Spreng: Ich danke auch, Frau Heuer.

    Heuer: Jetzt klingelt's bei Ihnen auch.

    Spreng: Ja, das wird Herr Strepp vielleicht sein.

    Heuer: Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.