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Deutsche Stahlunternehmen im Visier von Trump
"Es ist sehr schwierig, solche Dumping-Vorwürfe zu belegen"

Wenn US-Präsident Donald Trump auch deutschen Stahlherstellern jetzt vorwirft, mit Dumping-Preisen der US-Wirtschaft zu schaden, dann sei das zum Teil auch Symbolpolitik, sagte der Wirtschaftsforscher Roland Döhrn im DLF. Solche Vorwürfen seien nur schwierig zu belegen und sie gingen am Kern des Problems in der Stahlindustrie vorbei.

Roland Döhrn im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Luftbildaufnahme der Dillinger Hütte in Dillingen/Saar, Saarland.
    Luftbildaufnahme der Dillinger Hütte in Dillingen/Saar, Saarland. (imago/Hans Blossey Luftbild)
    Jessica Sturmberg: Donald Trump will heute ein Dekret unterzeichnen. Da geht es darum, in den kommenden 90 Tagen sämtliche Handelsbeziehungen zu den USA auf Vergehen und Ungleichgewichte untersuchen zu lassen. Da ist ja vor allem auch Deutschland betroffen mit dem Vorwurf, bewusst Handelsbilanz-Überschüsse zu produzieren und durch Ausnutzung des billigen Euro der US-Wirtschaft zu schaden. Ganz konkret hat sich die US-Regierung jetzt die Stahlhersteller herausgepickt. Sie wirft ihnen Dumping vor und droht mit Strafzöllen. Betroffen sind davon auch die Salzgitter AG und die Dillinger Hütte.
    Vor der Sendung habe ich darüber mit Professor Roland Döhrn vom RWI Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Essen gesprochen. Meine erste Frage: Was halten Sie von dem Vorwurf?
    Roland Döhrn: Gerade im Stahlbereich ist es wahrscheinlich sehr schwierig, solche Dumping-Vorwürfe letztendlich zu belegen. Es ist eine Branche, die mit sehr hohen Kapitalkosten produziert. Ein Stahlwerk stellt zunächst mal einen großen Wert dar und für Produzenten ist es durchaus sinnvoll, dass sie kurzfristig sogar kleine Verluste in Kauf nehmen, solange ihre Kapazitäten ausgelastet sind und sie noch einen kleinen Beitrag zur Deckung dieser Kapitalkosten erzielen. Das heißt, Preise unter den fair berechneten Produktionskosten sind im Stahlbereich eigentlich Gang und Gäbe.
    "Dumping-Vorwürfe haben eine andere Logik"
    Sturmberg: Nun geht dieser Vorwurf seitens der Europäischen Union ja auch gegen China, gegen chinesische Stahlunternehmen, und da ist man ja auch im Rahmen der WTO gegen vorgegangen. Wo ist denn da der Unterschied?
    Döhrn: Es ist im Grunde gar kein so großer Unterschied und es wird sich auch wahrscheinlich als sehr schwierig herausstellen, chinesischen Unternehmen dort im konkreten Fall das Dumping nachzuweisen. Aber ich denke, diese Dumping-Vorwürfe haben eigentlich auch eine andere Logik. Sie richten sich ja immer gegen Unternehmen, nie gegen Staaten, und sie zwingen gewissermaßen diese Unternehmen, ihre Preispolitik zu überdenken. Was häufig die konkrete Folge eines solchen Anti-Dumping-Verfahrens ist, ist, dass die beschuldigten Unternehmen die Preise erhöhen. Das Land, das die Beschuldigung ausgesprochen hat, hat damit gewissermaßen sein Ziel erreicht und diese Anti-Dumping-Verfahren erledigen sich dann auch irgendwann gewissermaßen von selbst. Das heißt, es kommt gar nicht zur Verhängung eines Anti-Dumping-Zolls.
    Sturmberg: Halten Sie das vonseiten der US-Regierung für eine Symbolpolitik oder willkürliche Politik?
    "Man kann unter Beweis stellen, dass man etwas tut"
    Döhrn: Es ist sicherlich zum Teil auch eine Symbolpolitik. Man kann damit unter Beweis stellen, dass man etwas tut, gerade auch in dem Umfeld, das Trump ja da im Wahlkampf eine Stärkung der amerikanischen Industrie versprochen hat. Das heißt, es ist von daher jetzt natürlich auch eine Message, die er aussendet. Was daraus nachher wird, weiß man nicht, und falls die USA solche Zölle einseitig, also ohne ein Verfahren vor der WTO verhängen, dann kann es sogar negativ auf die amerikanische Wirtschaft zurückschlagen, weil dann natürlich der, der zu Unrecht mit einem Zoll belegt wurde, auch Abwehrmaßnahmen ergreifen darf.
    Sturmberg: Das ist ja auch schon angekündigt. Ein italienischer Stahlhersteller zum Beispiel hat das konkret in Aussicht gestellt. Das heißt, das Ganze könnte dann auch ausarten?
    Döhrn: Das tut es aller Erfahrung nach nicht. Man muss auch immer sehen, dass trotz allem recht kleine Marktsegmente betroffen sind, und die Frage ist, ob man so was wirklich zu einem großen Handelskrieg eskalieren lassen will, weil der ja doch auf beiden Seiten auch Verlierer produziert. Aber es wird dort schon mal eine Duftmarke in den Verhandlungen gesetzt.
    Sturmberg: Aber das könnte man ja eigentlich auch der US-Regierung dann vorhalten, dass sie möglicherweise zwar nur in einem kleinen Segment, aber doch in diesem Segment einen ersten Schritt tut. Das wäre dann auch tatsächlich der erste tatsächliche faktische Schritt zur Abschottung.
    "Der Export hat nicht die ganz überragende Bedeutung"
    Döhrn: Das ist sicherlich ein Vorwurf, der beiden Seiten zu machen ist. Ich wollte da auch die Amerikaner gar nicht ausnehmen. Ob das Ganze hin ein Schritt zur Abschottung ist, das sei auch mal dahingestellt.
    Sturmberg: Aber nichts desto trotz wäre es ja ein Problem für die beiden Unternehmen Salzgitter AG und Dillinger Hütte.
    Döhrn: Ob das letztendlich ein Problem ist, kann ich noch nicht mal sagen, weil dazu müsste man auch sich mal anschauen, welchen Anteil die Lieferung in die USA überhaupt für diese Länder ausmachen. Stahlindustrie ist ja doch eine Industrie, die zunächst mal einen sehr großen Teil ihrer Produkte hier innerhalb Europas absetzt. Der Export in Drittländer, der hat jetzt nicht im Stahlbereich so die ganz überragende Bedeutung.
    Sturmberg: Das würde dann doch die These der Symbolpolitik stützen?
    Döhrn: Das ist sicherlich zu einem guten Teil Symbolpolitik und es ist auch der Versuch eines Warnschusses, der die Unternehmen zu einer vielleicht etwas anderen Preispolitik veranlasst, die für die heimischen Produzenten dann vielleicht das Leben etwas leichter machen kann.
    Sturmberg: Die sehen Sie aber als durchaus auch notwendig?
    "Das Problem der Stahlindustrie geht tiefer"
    Döhrn: Ich glaube, das Problem der Stahlindustrie geht tiefer. Wir haben im Stahlbereich schon seit Jahren extreme Überkapazitäten weltweit. Das ist ja auch der Grund, dass es dort allenthalben Klagen über diese niedrigen Preise gibt. Aber man kann dieses Problem ja nicht dadurch lösen, dass man versucht, die Preise in die Höhe zu treiben. Das Überangebot ist da und das Überangebot dringt auf den Markt. Das heißt, eigentlich die richtige Lösung wäre, dass man zu einem mehr oder weniger geordneten Kapazitätsabbau auch in der Stahlindustrie kommt. In Deutschland ist die Kapazitätsauslastung übrigens immer noch recht hoch. Die deutsche Industrie kann sich da vielleicht sogar die wenigsten Sorgen weltweit machen. Die Wurzel des Problems liegt nicht darin, dass da irgendein Unternehmen Produkte zu einem etwas niedrigeren Preis exportiert, als man das aus den Kosten vielleicht ableiten könnte.
    Sturmberg: Vielen Dank an Professor Roland Döhrn vom RWI Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Essen über das Trump-Dekret und die Stahlunternehmen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.