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"Die Mehrheit haben wir ja leider nicht"

Die Opposition muss die Regierung kontrollieren können, fordert der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Dazu gehöre auch ein größerer zeitlicher Anteil an der parlamentarischen Debatte. Im Zweifel werde man sich diese Rechte vor dem Verfassungsgericht erstreiten.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Bettina Klein | 22.10.2013
    Bettina Klein: Im Deutschen Bundestag steht der Grünen-Bundestagsabgeordnete, der frisch wiedergewählte Abgeordnete der Grünen, Konstantin von Notz, mit dem wir jetzt sprechen können. Ich grüße Sie, Herr von Notz!

    Konstantin von Notz: Guten Tag, Frau Klein!

    Klein: Sie gehören der kleinsten Fraktion im Deutschen Bundestag an – trübt das heute ein wenig die Freude?

    von Notz: Ja, das trübt ein wenig die Freude. Wir hatten uns mehr erhofft, aber grundsätzlich freut man sich natürlich auch, wenn man wiedergewählt ist, und ist dankbar dafür, und die neue Legislaturperiode startet, das ist eigentlich auch ein schöner Moment.

    Klein: Die Probleme haben wir schon mehrfach heute auch wiederum angesprochen. Wir haben es gerade gehört, die Grünen haben der Geschäftsordnung schon mal nicht zugestimmt. Was genau war Ihre größte Befürchtung?

    von Notz: Wir nehmen schon wahr, dass ein allgemeines Problemverständnis da ist, bei dem Mehrheitsverhältnis von 80 zu 20, Regierung - Opposition, dass die Opposition wahrnehmbar sein muss, dass das Parlament die Regierung kontrollieren können muss. Aber sozusagen diese Bekenntnisse, die finden jetzt da erst mal im Vorfeld statt, und ob nachher tatsächlich sozusagen harte Rechte und Ansprüche daraus werden, das wissen wir eben noch nicht genau, die Mehrheit haben wir ja leider nicht. Und insofern haben wir uns jetzt erst mal enthalten, um zu zeigen, dass da noch was kommen und passieren muss.

    Klein: Was ist denn Ihre zentrale Forderung, wenn es um die Geschäftsordnung geht? Inwiefern muss da etwas geändert werden, um dieser vermutlich dann irgendwann relativ kleinen Opposition auch Rechte zu gewährleisten?

    von Notz: Es geht um zwei Punkte vor allen Dingen. Also einmal muss das Parlament die Regierung kontrollieren können, das tut das ganze Parlament natürlich, aber ich sag mal, auch nach meiner Wahrnehmung der letzten vier Jahre, ist etwas gewillter in dieser Aufgabe die Opposition. Wenn die so klein ist, muss sie Rechte haben, die ihnen das ermöglicht. Und das andere, damit verbundene ist überhaupt die Wahrnehmbarkeit. Sie müssen sich das so vorstellen, wenn wir eine parlamentarische Debatte haben, diese dauert 30 Minuten, dann – bei den Mehrheitsverhältnissen, wie wir sie haben zwischen der Großen Koalition und der Opposition – redet die Opposition, die Linke drei Minuten, wir drei Minuten, und dann kommen 24 Minuten Regierungserklärung, wie toll alles ist. Da ist eine Wahrnehmung, eine kritische Opposition kaum zu sehen, und insofern müssen wir auch über diese Proporzfragen diskutieren und der Opposition größere Wahrnehmbarkeit verschaffen.

    Klein: Herr von Notz, Redezeiten der Opposition, das ist ja ein Punkt, abgesehen jetzt auch von der Frage, wer kann wie und auf welchem Wege einen Untersuchungsausschuss einrichten oder eine Normenkontrollklage einreichen. Wenn wir bei dem Punkt Redezeit bleiben – wo sehen Sie da die Möglichkeit, eine Veränderung so unterzubringen, dass Sie eben zu mehr Zeit kommen?

    von Notz: Ja, das müssen wir jetzt eben versuchen auszuloten. Es kann nicht sein, dass sozusagen durch dieses einfache Abzählen der Mehrheiten die Opposition völlig marginalisiert ist. Natürlich hat der Präsident Lammert recht, wenn er sagt, dass Mehrheitsverhältnisse, auch deutliche, erst mal nicht per se verfassungswidrig sind. Aber für ein funktionierendes Parlament kann man es eben nicht bei diesem Proporz, wie man es bisher gemacht hat, belassen. Und die beiden anderen Punkte, die Sie angesprochen haben, ein Normenkontrollverfahren, ein Untersuchungsausschuss, auch hier merkt man der Verfassung an, dass man eigentlich mit einer so kleinen Opposition, unter 20 Prozent, nicht gerechnet hat, um die Kontrollrechte wahrnehmen zu können, braucht man aber diese Instrumente. Übrigens auch im Untersuchungsausschuss selbst kann es dann nicht nach einfachem Proporz gehen, sonst redet nämlich von einer Stunde die Regierung dann über 45 Minuten. Auch da würde die Opposition völlig marginalisiert werden. Insofern, es gibt mehrere Stellschrauben, die angepasst werden müssen, sollte es tatsächlich, das ist ja auch noch nicht ganz sicher, zu dieser Großen Koalition kommen.

    Klein: Herr von Notz, ich nehme wahr, wir sind noch im Stadium Forderungen, und Ihnen ist auch noch nicht ganz im Detail klar, wie das eigentlich umgesetzt werden soll. Der eben wiedergewählte Bundestagspräsident hat ja bereits Entgegenkommen, eigentlich, so weit ich das verstanden habe, fast in allen Fragen signalisiert. Sie sind da skeptisch?

    von Notz: Na ja. Herr Lammert entscheidet das nicht alleine, und, wie gesagt, das Problembewusstsein ist ja allgemein da, sowohl bei den Medien als auch im Bundestag selbst. Aber wenn es am Ende des Tages darum geht, tatsächlich auf Rechte auch zu verzichten oder zumindest Anteile davon abzugeben, da gibt es dann so eine natürliche Hemmung –

    Klein: Die Sie jetzt vermuten …

    von Notz: Die ich vermute. Und insofern sind wir noch leicht skeptisch. Auf der anderen Seite ist es so, nehmen wir den Untersuchungsausschuss – wenn das nicht funktionieren sollte, dann müsste man eben im Zweifelsfall diese Rechte auch erstreiten. Auch dafür sind wir im Zweifelfall zu haben.

    Klein: Um da einzuhaken, Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Hofreiter, hat heute bereits von einer möglichen Verfassungsklage gesprochen, die die Grünen anstreben werden, um ihre Rechte zu wahren. Gehen Sie davon aus, dass es dazu kommt?

    von Notz: Das können wir heute nicht sagen. Es kann auf jeden Fall nicht sein, dass die Rechte, die wir bekommen, alle auf Goodwill und Gnädigkeit der Großen Koalition beruhen, sondern sie müssen unserer Aufgabe als Opposition dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Aufgabe auch gerecht werden. Und wenn man den Eindruck hat, man wird das nur gnadenhalber uns halbherzig zugeteilt bekommen, dann ist es natürlich für eine kratzbürstige Opposition, wie wir sie als Grüne sein wollen, selbstverständlich, dass man nach Karlsruhe geht und sich diese Rechte erstreitet.

    Klein: Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz aus der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zu den Rechten der Opposition.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.