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Dieselskandal und Dieselnachrüstung
"Es sind nicht alle Hersteller schuld"

Automobilexperte Alexander Dauensteiner forderte im Dlf eine Kosten-Nutzen-Abwägung technischer Nachrüstungen. Zum Teil könne man mit Änderungen an der Hardware nur eine geringe Verminderung des Abgasausstoßes erreichen. Außerdem müssten die Verantwortlichkeiten im Dieselskandal differenzierter betrachtet werden.

Alexander Dauensteiner im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Das Auspuffrohr eines älteren Fahrzeugs ist an einer befahrenen Durchgangsstraße in Stuttgart zu sehen.
    1,3 Millionen Dieselfahrzeuge könnten von Fahrverboten betroffen (dpa-Bildfunk / Bernd Weißbrod)
    Christiane Kaess: Am Telefon ist jetzt Alexander Dauensteiner. Er ist Automobilexperte, Maschinenbauer und Autor und er gehört den "Kritischen Aktionären Daimler" an. Guten Morgen, Herr Dauensteiner.
    Alexander Dauensteiner: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Überrascht Sie denn diese Zahl von mindestens 1,3 Millionen Autos, die von Fahrverboten betroffen sein könnten?
    Dauensteiner: Nein, die überrascht nicht. Die ist ja auch schon, ich sage mal, in mehreren Veröffentlichungen seit einigen Monaten im Gespräch. Insofern ist das deckungsgleich mit dem, was wir bisher wissen.
    Kaess: Ist das ein Zeichen dafür, dass sich, seitdem der Dieselskandal vor drei Jahren begonnen hat, eigentlich nichts entscheidend verändert hat?
    Dauensteiner: Na ja. Seither hat man versucht, mit allen möglichen, ich sage mal, Argumenten - da kommen wir vielleicht gleich noch drauf, was ich vielerorts gar nicht für Argumente halte - das Thema irgendwie in den Griff zu bekommen, so dass die Politik da mit halbwegs weißer Weste aus der Affäre rauskommt und die Autoindustrie, ich sage mal, so wenig wie möglich belastet wird. Dieser Spagat geht jetzt wohl offensichtlich nicht mehr auf, jedenfalls nicht, wenn man die neuesten Äußerungen von Andreas Scheuer sieht, die vor allen Dingen auch mit Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen zu deuten sind.
    "Es sind einige Hersteller Schuld"
    Kaess: Was waren denn Argumente, die Ihrer Meinung nach nicht viel gebracht haben?
    Dauensteiner: Ganz ehrlich: Ich verfolge die Debatte ja auch schon seit Beginn, und ich halte die Debatte für in vielen Teilen hysterisch und ich halte sie auch in vielen Teilen für wenig fundiert. Wenn wir jetzt mal zwei Beispiele herausnehmen: Hier gibt es viele Experten in Deutschland, die sich seit Jahrzehnten verdient gemacht haben, auch was die Expertise von Motorentechnik und Automobiltechnik – übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in Wien, wo namhafte Experten sitzen. Die legen Studien vor; da wird gesagt, die sind verzettelt mit der Automobilindustrie. Dann kommt ein Abmahnverein wie die Deutsche Umwelthilfe, legt keine Beweise für ein Verschulden von einigen Herstellern vor, und glaubt trotzdem noch, nachdem diese entlastet worden sind durch mehrere Gutachten, übrigens auch durch die Staatsanwaltschaft München, weiter zu behaupten, dass bestimmte Hersteller betrogen haben. Das ist etwas, was wir uns, glaube ich, nicht leisten können. Wir sollten zurück endlich zu einer sachkundigen Bewertung, zu einer differenzierten Analyse und weniger, ich sage mal, eine Verknickung von politischen Argumenten, die vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse immer schwierig sind, bis hin zu Dingen, die man eben mal so behauptet, ohne dass man Belege vorlegt. Das hilft am Ende den Autoherstellern und übrigens auch der Luft in unseren deutschen Städten wenig.
    Kaess: Sie sagen, die Hersteller sind nicht schuld?
    Dauensteiner: Ich sage, es sind einige Hersteller Schuld. Die sind ja auch bekannt und da ist es nachgewiesen. Ich sage aber auch, es sind nicht alle Hersteller Schuld, und diese Pauschalisierungen, die ich gerade erwähnt habe, meine ich genau damit. Es kann nicht sein, dass man, wo überall im Rechtswesen Verursacherprinzip gilt, jetzt seit einigen Monaten so tut, man könnte pauschal - übrigens auch die Bundesumweltministerin und auch Herr Scheuer in den jüngsten Ankündigungen - alle in die Pflicht nehmen. Dass jeder Hersteller, ich sage mal, eine Verpflichtung hat, das einzulösen, was technisch und gesetzgeberisch vor allen Dingen möglich und notwendig ist, ist klar. Dass es einige aber damit überhaupt nicht ernst genommen haben und die anderen aber schon, das wird übersehen und das kann eigentlich nicht sein. Das heißt, wir brauchen eine differenzierte Analyse.
    Kaess: Die meisten Akteure in diesem Thema sind sich ja trotzdem einig, dass was getan werden muss, um diese Dieselproblematik zu beheben. Jetzt sagt der Verkehrsminister, die Nachrüstung bei Euro IV ist nicht möglich, bei Euro V kann man es ins Auge fassen. Hat er recht?
    Dauensteiner: Zumindest fängt er mal damit an zu differenzieren, was ich gerade sagte. Natürlich ist es – und das ist auch eine weitere Fassette in dieser ganzen Lösungsfindung – nicht ohne weiteres überall möglich. Jetzt gibt es Unterschiede. Man muss da viele, viele Dinge im Automobil-Entwicklungsprozess beachten. Eines davon ist natürlich, dass man nicht mal eben so irgendwo ein Zusatzbauteil einbauen kann. Das fängt beim Platzproblem an, das geht aber weiter über die Zulassung, das geht weiter über Sicherheitsarchitektur, das geht bis hin zur Frage, dass man dann auch mehr Sprit verbraucht. Das kann ja auch nicht unser Ziel sein, dass wir jetzt die NOX-Thematik auf die CO2-Thematik überlagern und damit das eine Problem mit dem anderen dann lösen. Das ist auch nicht zielführend. Das heißt, man muss sehr genau hingucken, wo technisch eine Lösung möglich ist und wo es überhaupt Sinn macht, denn es gibt diverse Gutachten, die sagen, man hat zum Teil mit sehr hohen Kosten pro Auto zu tun, und da muss man auch drüber reden, wer die bezahlt, wer ist denn eigentlich da in der Haftung -, im Gegenzug aber nur eine sehr, sehr kleine Reduktion von Stickoxid-Emissionen. Da muss man aus meiner Sicht auch irgendwann abschneiden und sagen, na ja, vielleicht lohnt sich das für die 70, 80 Prozent, aber für die letzten 20, wo der Aufwand gegenüber dem Ertrag sehr niedrig ist, lässt man es halt und investiert dieses Geld in Konzepte, die die Städte insgesamt sauberer machen, und vor allen Dingen in zukünftige Abgasreinigungskonzepte, die es ja heute schon gibt.
    "VW an allererster Stelle nennen"
    Kaess: Aber 70, 80 Prozent wäre ja schon sehr viel. Werfen Sie der Politik vor, dass man da zu lange gezögert hat?
    Dauensteiner: Es ist ja schon überraschend, dass eine Nichtregierungsorganisation in den USA diesen Skandal aufgedeckt hat und eben nicht das deutsche Kraftfahrtbundesamt. Insofern halte ich, ehrlich gesagt, auch die Äußerungen von Herrn Scheuer im Moment eher für ein politisches Manöver. Wir haben im Oktober Landtagswahlen in Bayern und übrigens auch in Hessen. Da will Herr Bouffier auch wiedergewählt werden. Das nur so mal am Rande. Sondern er hätte viel mehr und auch seine Vorgänger natürlich darauf achten müssen, dass die Aufsicht hier in Deutschland funktioniert hätte, und das ist ja ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen.
    Kaess: Das ist ja auch das Argument der Hersteller, dass die sagen, wir sind nicht die Schuldigen, sondern das Kraftfahrtbundesamt. Aber ist das nicht zu kurz gegriffen? Müssen die Hersteller nicht doch auch finanziell mit ins Boot geholt werden?
    Dauensteiner: Ich glaube, dass wir alle mit ins Boot holen müssen.
    Kaess: Also auch die Hersteller?
    Dauensteiner: Auch die Hersteller, aber eben nicht alle, sondern auch diejenigen, insbesondere diejenigen, die diesen Skandal verursacht haben. Da kann man - ganz offensichtlich haben die es ja auch schon zugegeben – VW an allererster Stelle nennen. Es sind aber auch im Zuge dieses ganzen Skandals, übrigens auch wie wir das in Deutschland diskutiert haben, andere Hersteller, die, wie ich schon angedeutet habe, sich deren Methoden nicht bedient haben, sondern aufwendige Technik installiert haben - die SCR-Technologie sei an dieser Stelle genannt -, die mit reingeschwemmt werden in diesen Skandal. Die stehen natürlich auch in der Pflicht, aber ich sage es noch mal: Ich glaube, es wäre gut, wenn man da auch ein bisschen differenzieren würde. Aber es müssen alle mit in die Verantwortung. Da haben Sie völlig recht, da gehe ich mit. Aber man muss auch gucken, wie man es jetzt finanziert bekommt, wer haftet jetzt eigentlich.
    Kaess: Herr Dauensteiner, nun sind ja Aktionäre normalerweise tatsächlich nicht begeistert davon, wenn der Hersteller tiefer in die Tasche greifen muss. Sie gehören den "Kritischen Aktionären Daimler" an. Ist das jetzt der Grund, warum Sie für eine Differenzierung plädieren?
    Dauensteiner: Nein, das sage ich als Experte. Gerade Daimler, da nennen Sie ja das Stichwort: Herr Zetsche war am selben Tag wie ich übrigens auch zufällig am Verkehrsministerium vor einiger Zeit vorgeladen. Ich war da auf einer Veranstaltung, da ging es um die Zukunft der Mobilität. Herr Zetsche war zeitgleich bei Herrn Scheuer, der dann auch per Anweisung viele Autos jetzt zurückziehen muss und nachrüsten muss. Insofern ist Daimler da selbstverständlich auch in der Pflicht, wenn es stimmt – und da gibt es ja auch noch unterschiedliche, ich sage mal, Auslegungen dessen, was das Verkehrsministerium, Herr Scheuer sagt und was Daimler sagt -, man kooperiere - so die übliche Äußerung hier; das hören wir aber oft - aber Daimler, wenn sich bewahrheitet, was da an Vorwürfen im Raum steht und auch schon zum Teil erwiesen ist, steht selbstverständlich mit in der Pflicht.
    "Wenig hilfreich, wenn Scheuer neue Vorschläge macht"
    Kaess: Jetzt sagt der Verkehrsminister auch, er will, dass die Hersteller höchst attraktive Angebote für den Wechsel in saubere Autos machen. So hat er das formuliert. Wie werden denn die Hersteller reagieren?
    Dauensteiner: Die werden natürlich überlegen, und zum Teil gibt es das ja schon, attraktive Angebote.
    Kaess: Es gibt schon Prämien.
    Dauensteiner: Es gibt Prämien. Es gibt übrigens auch Leasing-Konzepte, wo einem bei neuester Technologie versprochen wird, wenn man irgendwo von ein Dieselfahrverbot betroffen wäre, kann man das Auto im Prinzip umtauschen. Das finde ich schon ein sehr attraktives Angebot. Da gehen die schon sehr, sehr stark ins Risiko, denn dann würden sie ein nagelneues Auto zurücknehmen und Ihnen ein neues geben, oder gar gar keins. Das heißt, Sie könnten den Hersteller auch wechseln und könnten vom Vertrag zurücktreten. Das gibt es alles schon und ich glaube, diese Äußerung von Herrn Scheuer ist im Moment auch dem geschuldet, dass er selber noch gar nicht genau weiß, wie soll denn das eigentlich gehen. Ich sage es mal ganz ehrlich: Es wäre gut beraten, wenn man die Experten jetzt mal endlich ernst nehmen würde, die ja auch schon zahlreich Stellung genommen haben. Die Lösungen liegen vor. Das ist zum Teil hoch komplex, aber die Expertise liegt vor und dem muss man sich jetzt bedienen. Da ist es auch wenig hilfreich, wenn Herr Scheuer jetzt neue Vorschläge macht. Ich bin sehr gespannt, wie die jetzt aussehen sollen. Großes Vertrauen, dass die jetzt wesentlich kreativer und besser sind, habe ich allerdings an der Stelle wenig.
    Kaess: Wie sehr belastet das finanziell denn die Hersteller, wenn sie tatsächlich mit ins Boot geholt werden und mit haftbar gemacht werden, oder jetzt auch diese Prämien und attraktiven Angebote machen sollen, denn das kommt ja auch immer als Argument, dass man die Autoindustrie da zu sehr belasten könnte?
    Dauensteiner: Wir haben es natürlich da schon, wenn man sich die Anzahl der Automobile anguckt, die nachgerüstet werden sollen, mit einem hohen finanziellen Beitrag zu tun. Das sind Milliarden-Beträge, über die wir reden. Und eins ist auch klar: Alle Hersteller stehen im internationalen Wettbewerb. Das heißt, man kann jetzt nicht eben mal das Ganze umlegen auf Preise. Man muss dann am Ende gucken, was kann man noch weitergeben an die Kunden. Letztlich muss ein Unternehmen immer auch in diesen Krisen versuchen zu überleben. Das ist ja logisch. Sie müssen wirtschaftlich arbeiten. Insofern wird es wahrscheinlich Richtung...
    "In eine Lösungsfindung eintreten"
    Kaess: Viele können sich das jetzt schlecht vorstellen, Herr Dauensteiner, dass das angesichts von Milliarden-Gewinnen tatsächlich so ein Problem sein sollte.
    Dauensteiner: Nee, das hatte ich eigentlich gesagt. Ich habe gesagt, dass ein jedes Unternehmen wirtschaftlich arbeiten muss. Ich gebe Ihnen recht, dass angesichts der Milliarden-Gewinne das leistbar ist. Das wird auch leistbar sein. Entscheidend an der Stelle ist aber gar nicht so sehr für mich, wie viele Milliarden wer jetzt zahlt. Das muss man jetzt gemeinsam regeln und da, glaube ich, kriegt man auch eine Lösung hin. An dem liegt es, glaube ich, nicht, sondern es liegt eher daran, dass wir endlich zu Lösungen kommen müssen, die wirklich funktionieren, wo die Städte wirklich sauberer werden, und nicht, so wie es auch das Verkehrsministerium jetzt ja monatelang gemacht hat, von der einen Position zur anderen geht - Mitte letzter Woche, wo Herr Scheuer noch gesagt hat, technische Nachrüstungen sieht er sehr skeptisch - das war die alte Linie-, und am Freitag sagt er, er überlege gerade, wie man technische Nachrüstungen realisieren kann. In eine Lösungsfindung eintreten, dann gucken, was macht wirklich Sinn, differenziert argumentieren, Expertisen heranziehen, und dann wird man eine Lösung finden.
    Kaess: Sagt Alexander Dauensteiner. Er ist Automobilexperte und Maschinenbauer und Autor und er gehört den "Kritischen Aktionären Daimler" an. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Dauensteiner: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.