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Digitales Logbuch
Baby II - Ein Tagebuch der zweiten sechs Monate

Von Tobias Bungter |
    Monat 7: Einen Monat ist es nun her, dass unser Baby die wichtigsten Komponenten meines Smartphones verschluckt hat. Seit gestern verbindet es sich selbsttätig mit dem Internet, mit eigener IP-Adresse, und kümmert sich rührend um seine Firewall.
    Monat 8: Sehr praktisch ist neuerdings, dass die Kleine ihrer Nanny Siri per WLAN mitteilt, wann sie gewickelt werden muss. Siri informiert uns Eltern dann via Push-Notification.
    Monat 9: Ich habe gelesen, dass es um die Zukunft schlecht bestellt ist. Angeblich wächst eine Generation überversorgter Egomanen heran, für die Selbstdarstellung alles ist und sich pathologisch-narzisstisch um ihre Profilbilder in sozialen Netzwerken kümmert. Wenn unsere Kleine Zukunftschancen haben will, muss sie ihre Generationsgenossen in allen Bereichen übertrumpfen: Multitasking, Selbstverliebtheit, Eigendarstellung. Wir arbeiten daran. Noch ist sie viel zu sozial.
    Monat 10: Der erste Zahn! Es ist ein Bluetooth!
    Monat 11: Endlich können wir Apps auf dem Baby selbst installieren. Auf unserer Kleinen läuft schon Babyfone 3G, Doodle Jump und das Online Banking. Wir können abends entspannt ausgehen, denn Siri erledigt das Babysitten. Nur ein gewisser Hang zum Cyber-Crime macht uns Sorgen. Seit das Baby sich um’s Online Banking kümmert, ist der Kontostand merkwürdig hoch.
    Der erste Geburtstag! Der erste Schritt! Die erste Therapiestunde wegen Online-Sucht. Nicht für die Kleine, sondern für uns. Unser Baby ist jetzt als Endgerät eingestuft worden. Wir sind immer bei ihr eingeloggt. Die Kleine hat direkten Zugang zum Darknet. Über die Post kommt heute besonders guter Stoff. Moment: Eigentlich wollte ich vom Geburtstagskuchen berichten. Aber es stapfen so merkwürdige Gestalten in schwarzen Polizeimonturen durch unsere Blumenbeete. Jetzt treten sie die Tür ein. Wo ist eigentlich das Baby?