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Diskussion bei EU-Ministertreffen
Weniger Geld für Rechtsstaatsünder?

Insbesondere die Bundesregierung betreibt auf EU-Ebene eine Debatte, wie man Mitgliedsstaaten auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln verpflichten kann. Am Mittwoch beim Kohäsions-Rat in Brüssel wird zur Sprache kommen, ob man dies an die Auszahlung von Fördergeldern knüpfen könnte.

Von Kai Küstner | 15.11.2017
    Vor der halbverglasten Frontfassade wehen drei Flaggen mit den europäischen Sternen.
    Die EU-Minister debattieren über Sanktionen für Rechtsstaatssünder (dpa / Daniel Kalker)
    Die Idee gehört zu den brisantesten, die derzeit auf EU-Ebene diskutiert werden: Wer die demokratischen Spielregeln nicht einhält, könnte das künftig dort zu spüren bekommen, wo es besonders wehtut - im Portemonnaie nämlich. Heißt konkret: Auf deutsches Betreiben hin beginnt jetzt gerade eine Debatte darüber, ob die EU in Zukunft Fördergelder an die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln knüpfen könnte.
    Sowohl Ungarn als auch Polen liefern sich mit der EU-Kommission eine Art Dauerfehde über von Brüssel beklagte Demokratie-Verstöße. Doch alle Instrumente, mit denen die EU das Problem anzugehen sucht, haben sich bislang als vergleichsweise stumpf erwiesen. Nun also wird über eine härtere Gangart nachgedacht.
    Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel fand Kanzlerin Merkel zwar, wie sie zugab, keine Gelegenheit, das Thema Rechtsstaat anzuschneiden, was eigentlich geplant war. Kündigte aber an: "Wir werden darauf zurückkommen."
    Der Vorschlag bietet jede Menge Sprengstoff
    Noch befindet sich die Diskussion in einem frühen Stadium. Doch die Bundesregierung steht mit ihrem Vorstoß, wie EU-Diplomaten bestätigen, keineswegs alleine da. Da im nächsten EU-Haushalt ab 2021, und um den geht es, die britischen Milliarden wegfallen, zeigen sich gerade die größten Einzahler Sparideen gegenüber durchaus aufgeschlossen.
    Der Vorschlag birgt jedenfalls jede Menge Sprengstoff. Nicht nur für den EU-Zusammenhalt. Auch müssten noch reihenweise juristische Fragen geklärt werden. Sind die Fördergelder doch einst ersonnen worden, um soziale und wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb der EU abzumildern.
    Parallel zur Debatte, die auf der Ebene der Einzelstaaten geführt wird, macht sich auch das EU-Parlament Gedanken darüber, wie man den Druck insbesondere auf Polen aufrechterhalten kann.
    "Die EU-Kommission hat sich viel Mühe gemacht, den Rechtsstaatsbruch und die Missachtung europäischer Werte in Polen rückgängig zu machen. Aber offensichtlich ist die Regierung in Warschau nicht willens, eine Lösung für diese Verstöße zu finden", beklagt der liberale EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt. Der allerdings zu jenen gehört, die gleichzeitig warnen, dass man beim Kürzen von Geldern nicht die falschen treffen dürfe, sprich: die Bevölkerung.
    Warschau ist der größte Empfänger von EU-Hilfen
    Im Parlament gibt es denn derzeit auch eher Bestrebungen, einen anderen Sanktionsweg einzuschlagen. Doch von einer Entscheidung, was das Ansinnen angeht, Geld als Hebel zu nutzen, ist man ohnehin noch weit entfernt: Zunächst geht es den Befürworten darum, die Diskussion voranzutreiben. Und damit auch das Drohpotential gegenüber Rechtsstaatssündern aufrecht zu erhalten.
    Dass Kürzungen bei Fördergeldern, den sogenannten Kohäsionsfonds, gerade Polen und Ungarn empfindlich treffen dürften, liegt auf der Hand: Warschau ist der größte Empfänger von EU-Hilfen, auch Ungarns Wirtschaftsleistung wird nicht unerheblich mit den umverteilten Geldern angekurbelt.