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DNA-Datenbanken
US-Polizei bedient sich bei der Ahnenforschung

Mithilfe einer privaten Gen-Datenbank fasste die US-Polizei nach fast 40 Jahren den "Golden State Killer", einen mehrfachen Mörder. Rechtsexperten sehen das Anzapfen frei zugänglicher Gen-Datenbanken durch Polizei und Justiz allerdings kritisch.

Von Michael Stang |
    DNA-Speicheltest mit Wattestäbchen
    DNA-Speicheltest mit Wattestäbchen (dpa)
    Der 72-jährige Joseph De Angelo bereitet gerade einen Braten zu, als zwei Polizisten an seiner Tür klingeln. Es ist der 24. April. Der Vietnam-Veteran öffnet - und wird verhaftet. Er soll der lang gesuchte "Golden State Killer" sein. Natalie Ram, Juristin an der Universität von Baltimore in Maryland:
    "Der 'Golden State Killer' wurde mit mehr als einem Dutzend Morde in Verbindung gebracht, über 50 Fällen sexueller Gewalt und ich glaube über einhundert Einbrüchen. All das ereignete sich in den 1970er und 80er Jahren".
    Spektakulärer Fahndungserfolg, aber rechtliche Bedenken
    Ram beschäftigt sich mit ethischen Fragen in der Gesetzgebung. Mit zwei Kolleginnen hat sie im Fachmagazin SCIENCE den Fall kritisch begutachtet.
    "Dass dieser Verbrecher zur Rechenschaft gezogen wird, ist eine gute Sache für die Justiz. Meine Co-Autorinnen und ich haben jedoch Zweifel an der Methode, mit der der Mann als mutmaßlicher 'Golden State Killer' identifiziert wurde. In unserem Science-Artikel äußern wir vor allem Bedenken hinsichtlich der Verwendung genealogischer DNA-Datenbanken für polizeiliche Untersuchungen."
    Die Ermittler hatten in der öffentlich zugänglichen Datenbank GEDMatch gesucht, in der private Ahnenforscher genetisches Rohmaterial hochladen und damit nach Verwandten suchen. Dort stießen die Polizisten auf ein genetisches Profil, das der sichergestellten DNA von einem 37 Jahre alten Tatort ähnelte. Offenbar hatte ein weit entfernter Cousin des Täters seine Daten bei GEDMatch hochgeladen. Damit hatten die Ermittler zumindest einen Verwandten des "Golden State Killers". Der Rest war klassische Polizeiarbeit.
    Privatsphäre bei Gen-Datenbanken nicht ausreichend geschützt
    Während Kalifornien den Fall als spektakulären Erfolg feiert, stellen sich für Rechtsexperten ganz andere Fragen: Ob, wann und wie darf die Polizei öffentliche Gendatenbanken nutzen? Die Daten sind frei zugänglich. Dürfen sie per se bei Ermittlungen analysiert werden oder nur nach richterlicher Anordnung? Ist die Schwere des Verbrechens ausschlaggebend und wenn ja, wo verläuft die rote Linie? Bislang ist die Privatsphäre der Kunden solcher Datenbanken rechtlich nicht ausreichend geschützt, was vielen gar nicht bewusst sei, so Natalie Ram.
    "Die heutige Gesetzgebung reicht bei weitem nicht aus, um Individuen vor derartiger Suche durch eine Regierung zu schützen. Daher fordern wir am Ende unseres Artikels auch die Gesetzgeber der Bundesstaaten beziehungsweise des Landes auf, Minimalvorgaben zu verabschieden, wann diese Form der Ermittlungen angemessen ist."
    Zugriff auf Genprofile in Deutschland beschränkt
    Noch variiert der Umgang mit Gendaten stark. In den USA gilt Kalifornien als eher liberal. In Großbritannien ist das so genannte "Familiar searching", also eine Art Ähnlichkeitssuche immerhin in der nationalen Datenbank üblich. Deutschland dagegen sieht eine solche Fahndungsmethode bisher nicht vor. Genetische Profile können Ermittler nur in polizeilichen Datenbanken abgleichen, etwa die des Bundeskriminalamts. Dort sind aber keine genetischen Rohdaten gespeichert, sondern nur der genetische Fingerabdruck: ein kurzer Code und das Geschlecht. Aussagen über entfernte Verwandtschaftsverhältnisse, äußerliche Merkmale oder Herkunft sind damit nicht möglich.
    Das müsse kein Nachteil sein, denn die Suche in Gendaten berge Risiken, sagt Peter Schneider, Leiter der Forensischen Molekulargenetik der Uniklinik Köln.
    Forensik-Experte: "Recherche kann in die Irre führen"
    "Die pauschale Recherche über die gesamte Datenbank halte ich nicht unbedingt für sinnvoll, weil sie auch häufig in die Irre führen kann, weil es kann durchaus auch vorkommen, dass Leute genetisch ähnlich aussehen, obwohl sie gar nicht verwandt sind."
    Die öffentlich zugängliche Datenbank GEDmatch, mit deren Hilfe der "Golden State Killer" gefunden werden konnte, warnt wegen des mangelhaften Datenschutzes mittlerweile ihre Kunden. Wer absolute Privatsphäre und Sicherheit benötige, sollte keine Daten hochladen. Dem kann sich Juristin Natalie Ram nur anschließen.
    "Soweit ich weiß, habe ich kein Verbrechen begangen, aber ich schätze Privates. Solange der Rechtsschutz derart beschränkt ist, habe ich nicht vor, diese Art von Service zu nutzen."