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Doping
Antikörper als neue Bedrohung

Doping mit Antikörpern kann das Muskelwachstum oder die Bildung von roten Blutkörperchen fördern. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat die ersten dieser Substanzen auf die Verbotsliste 2017 gesetzt. Antikörper-Doping ist einfacher als Gendoping - doch die Gefahr für den Organismus ist groß.

Von Heinz Peter Kreuzer | 13.11.2016
    Reagenzgläser in einem Labor.
    Reagenzgläser in einem Labor. (imago - Felix Jason)
    In den einschlägigen Foren im Internet wird schon seit Jahren kontrovers über so genannte Myostatin-Blocker in Pulverform diskutiert. Denn: Das Myostatin im Körper hemmt das Muskelwachstum. Wenn man es ausschaltet, ist enormes Muskelwachstum die Folge – der Traum jedes Dopers. Die Phantasie der Konsumenten wird dabei unter anderem von der Rinderrasse "Belgian Blue" angeregt.
    Auf Grund eines Myostatin-Gendefektes wird das Muskelwachstum nicht gehemmt, die Tiere verfügen über überdurchschnittliche Muskelberge. Professor Mario Thevis vom Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung glaubt zwar nicht an die Wirkung dieser Pülverchen, er sieht aber durchaus die Bedrohung in therapeutisch genutzten Antikörpern.
    "Wenn wir Myostatin mit Hilfe von Antikörpern ausschalten können, dann haben wir ein deutlich effizienteres Muskelwachstum zu erwarten, als es unter anderen Umständen der Fall ist."
    Gegen Muskelschwund entwickelt, Missbrauchspotential hoch
    Diese Substanzen werden zur Behandlung von Krankheiten entwickelt, die mit Muskelschwund einhergehen. Dopingforscher Thevis schätzt das Missbrauchspotential als sehr hoch ein.
    "Die Effekte, die im Tiermodell gezeigt wurden, sind tatsächlich sehr groß. Muskelzuwachs in sehr großem Umfang und Ausmaß. Klinische Studien dieser Substanzen sind auch sehr weit fortgeschritten, aber es gibt noch keines dieser Präparate tatsächlich als Medikament zu kaufen."
    EPO könnte ersetzt werden
    Was die Sportbetrüger nicht hindern wird, sich dieser Substanzen zu bedienen. Aber es geht nicht nur um Muskelwachstum, auch das oft von Dopern zweckentfremdete Medikament Erythropoietin, kurz EPO, könnte ersetzt werden. Der Mediziner Stefan Franz, der früher in der EPO-Forschung gearbeitet hat, erläutert:
    "Im Endeffekt sind es ähnliche Prinzipien. Sie haben eine Substanz, von der sie wissen, dass sie hemmend wirkt auf den Stoffwechselweg. Im Fall vom Myostatin wirkt es hemmend auf den Muskelaufbau und beim Sotatercept wirkt es hemmend auf die Blutbildung."
    Antikörper vermeintlich besser, aber doch höchstriskant
    Wenn man die körpereigenen Regulatoren Myostatin und Sotatercept mit Hilfe von Medikamenten ausschaltet und so die verstärkte Produktion von Dopingsubstanzen erreicht, kann das gesteuert werden. Deshalb ist der Einsatz von Antikörpern im Vergleich zum Gendoping die vermeintlich bessere Variante. Denn mit dem Absetzen der Medikamente lässt nach einer gewissen Zeit die Wirkung nach. Beim Gendoping ist das Abschalten der Manipulation dagegen unkalkulierbar.
    Trotzdem ist der Einsatz der Antikörper höchstriskant. Denn sie schalten nicht nur den gewünschten Effekt aus, sondern auch viele andere Körperfunktionen. Das kann bei gesunden Menschen zu schweren Nebenwirkungen führen, die nicht zu verantworten sind, sagt Mediziner Franz:
    Doper würden Schädigung der Organe riskieren
    "Wenn Sie da eingreifen, wissen sie ja nie, was sie da noch an Nebenwirkungen anrichten oder an negativen Aspekten anrichten. Und ich denke, das kann man bei einem Kranken, wenn sie wissen, der hat einen starken Muskelschwund oder sie haben jemand, der hat ein Riesenproblem mit seiner Blutbildung. Da sind sie ja bereit, negative Aspekte in Kauf zu nehmen, weil sie wissen, sie haben einen extrem positiven Effekt."
    Ein Doper würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Herzens oder anderer Organe riskieren. Und nicht nur das: Das Risiko der Entdeckung ist ebenfalls sehr hoch. Da die Antikörper körperfremd sind, sind sie mit konventionellen Analysemethoden im Blut leicht nachweisbar.