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Doping
Die Athleten sind aufgewacht

Mehr als 100 Skilangläufer der Top-Nationen hatten zu Weihnachten einen offenen Brief unterschrieben. Sie verlangten von Internationalem Olympischen Komitee und Welt-Skiverband FIS einen stärkeren Einsatz für den sauberen Sport. Der Verband reagierte prompt. Auch, um womöglich Schlimmeres zu verhindern.

Von Andrea Schültke | 07.01.2017
    Die Langläufer haben sich im Anti-Doping-Kampf klar gegen ihren Weltverband positioniert.
    Die Langläufer haben sich im Anti-Doping-Kampf klar gegen ihren Weltverband positioniert. (picture alliance / dpa / Peter Klaunzer)
    Alles begann am 9. Dezember 2016, mit dem jüngsten Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur. Darin hatte Sonderermittler Richard McLaren geschrieben, mehr als 1000 Sportler aus Russland seien verwickelt gewesen in ein "institutionalisiertes, zentralisiertes Schema um Dopingproben zu manipulieren und zu vertuschen".
    Das war ein Weckruf, sagt US-Athletin Kikkan Randall. Die Ex-Weltmeisterin ist Sprecherin der Langlauf-Athleten und Mitglied der Athletenkommission im Weltskiverband. "Die Athleten haben begriffen ok, wow, wir müssen unbedingt zusammenkommen und an Lösungen arbeiten, damit unser Sport sauber wird. Wir müssen Vorbilder sein für die nächste Generation und zeigen dass es möglich ist, sauber Sport zu treiben. Es brauchte eine große Sache, damit die Athleten aufwachen.
    "Es war Zeit etwas zu tun"
    Stoff für Diskussionen unter den Langläufern zum Saisonbeginn: "Ich habe von vielen Athleten aus vielen Nationen gehört, dass sie ziemlich frustriert waren nach den ganzen Dopingnachrichten. Wir haben das in dem offenen Brief formuliert. Wir wollen eine starke Führung von FIS und IOC, wir unterstützen eine unabhängige WADA und wir alle stehen für sauberen Sport. Da kam viel zusammen und es war Zeit etwas zu tun."
    So erschien ihr offener Brief an den Welt-Skiverband FIS und das Internationale Olympische Komitee IOC Heiligabend auf einem kanadischen Langlaufportal im Internet. Es sei gar nicht so schwer gewesen, die mehr als 100 Kollegen zu finden, die den offenen Brief unterschreiben.
    Sogar vier Russen unterschrieben
    Sogar vier russische Langläuferinnen seien darunter, erzählt Athletensprecherin Kikkan Randall. Auf dem Weg alle russischen Athleten zu erreichen sei die Sprachbarriere das größte Hindernis gewesen: "Ich weiß, dass der Russische Skiverband Druck gemacht hat, den Brief nicht zu unterschreiben. Und manche Athleten, die unterschrieben haben, bekamen Druck von russischen Medien. Es war sehr mutig von ihnen zu unterschreiben."
    Der Brief der Athleten war noch an den Weltverband unterwegs, als der schon handelte: Am Tag vor Weihnachten suspendierte die FIS sechs russische Skilangläufer provisorisch. Ihre Namen waren im McLaren-Bericht aufgetaucht. Schneller habe sein Verband gar nicht agieren können, sagte FIS-Präsident Gian Franco Kasper. Auch auf den offenen Brief seiner Athleten habe er bereits geantwortet, erklärt der Schweizer auf Deutschlandfunkanfrage:
    "Ich begreife die Athleten und ich werde sie treffen in Lahti selbstverständlich bei den Weltmeisterschaften. Und mit ihnen die Sache diskutieren und ihnen erklären, was wir bereits gemacht haben und was nicht und weshalb".
    "Der Fehler liegt im System"
    Athletensprecherin Kikkan Randall bestätigt eine entsprechende Nachricht von Kasper. Bei dem Treffen im Februar soll es nach ihrem Wunsch eher um Dopingprävention in der Zukunft gehen, als um die Frage welcher russische Langläufer wie lange gesperrt werden sollte: "Zum Thema Suspendierung der russischen Athleten kann ich nicht wirklich etwas sagen. Sie tun mir leid. Der Fehler liegt im System".
    Es ist der Fehler im System sagt auch Silke Kassner. Die Kanutin ist Mitglied der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund und findet die Aktion mit dem offenen Brief der Langläufer gut.
    "Alle Athleten profitieren von dem System"
    Die deutschen Athleten fordern aber wie schon vor den Olympischen Sommerspielen den Ausschluss der kompletten russischen Mannschaft: "Es ist sicherlich naiv zu glauben, dass ein russischer Sportler, der leider in dem Land geboren ist und nichts dafür kann, sich sicher nicht dem System entziehen kann, wenn er den Sport treiben möchte. Von daher muss man sicher davon ausgehen, dass alle Athleten die in irgendeiner Form von dem System profitieren auf jeden Fall irgendwie auch in das staatlich koordinierte Dopingsystem involviert sind".
    Der Ausschluss russischer Athleten - ein Thema auch im Biathlon. Denn dort sollen 31 Russen in den Dopingskandal verwickelt sein. Ihre Namen tauchen im McLaren-Bericht auf. Daraufhin hatte Olympiasieger Martin Fourcade laut nachgedacht über einen Boykott von Weltcuprennen.
    Ein Boykott scheint vom Tisch
    Am Rande des Biathlon-Weltcups in Oberhof hat er seine Athletenkollegen zu einem Gespräch zusammengetrommelt. "Das ist kein Konflikt zwischen den Biathleten und dem Weltverband, das muss man klarstellen. Es ist nur so: Wir möchten, dass die IBU noch härter im Kampf gegen Doping vorgeht als sie es bisher tut."
    Danach war ein Boykott - zunächst vom Tisch, aber in Zukunft wohl nicht mehr ausgeschlossen - auch im Langlauf.

    Athletensprecherin Kikkan Randall beschreibt den Gedanken an diesen letzten Schritt allerdings als beängstigend: "Wir hoffen, dass wir die Situation vermeiden können in der es zum letzten Mittel kommt nämlich Rennen oder Meisterschaften zu boykottieren. Aber letztendlich müssen wir manchmal aufstehen, wenn wir Dinge positiv verändern wollen."