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"Ein furchtbar schwieriger Fall"

Nach der Umwandlung der Todesstrafen in lebenslängliche Haftstrafen für die bulgarischen Krankenschwestern in Libyen hat EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner den Vorwurf der Erpressbarkeit zurückgewiesen. Nicht die EU habe das sogenannte Blutgeld an die Eltern der infizierten Kinder gezahlt, sondern die libysche Regierung. Die EU habe lediglich humanitäre Hilfe geleistet, sagte Ferrero-Waldner.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Nach acht Jahren endlich Licht am Ende des Tunnels für fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensisch-stämmigen Arzt. Die sechs waren in Libyen wegen angeblicher Infizierung libyscher Kinder mit AIDS zum Tode verurteilt worden. Nun hat der Oberste Richterrat die Todesstrafen in lebenslange Haft umgewandelt. Vorangegangen waren schwierigste Verhandlungen und die Zahlung von einer Million Dollar Blutgeld an jede Familie der AIDS-infizierten Kinder. Am Telefon ist nun EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. Guten Morgen.

    Benita Ferrero-Waldner: Einen schönen guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Frau Ferrero-Waldner, Viele hatten ja eine Begnadigung der sechs durch den Richterrat erwartet. Sind Sie enttäuscht?

    Ferrero-Waldner: Sie können sich vorstellen, nach den vielen Jahren der Arbeit im Hintergrund, um hier eine umfassende Lösung zu erreichen, bin ich natürlich nicht zufrieden. Aber gleichzeitig ist es eine erste Erleichterung und damit doch ein Schritt in die richtige Richtung. Und unser Ziel muss jetzt darauf ausgerichtet sein, dass möglichst schnell sowohl die bulgarischen Schwestern, als auch der palästinensische Arzt in einem Transfer nach Bulgarien geschafft werden.

    Simon: Möglichst schnell, in was rechnen Sie da? In Tagen, Wochen, Monaten?

    Ferrero-Waldner: Gut, wissen Sie, das ist sehr, sehr schwer zu sagen. Ich hoffe, es sind Tage. Wir hatten schon so viel hier getan und verhandelt. Und man muss sich denken den Zustand der Schwestern und dieses Arztes. Ich habe wirklich sehr viel an sie gedacht in diesen Tagen, denn das Hoch und Tief, das muss ja psychologisch wahnsinnig anstrengend sein. Daher geht es darum, so schnell als möglich jetzt das zu machen. Aber es ist ein kompliziertes Verfahren. Aber wir hoffen doch auf sehr zügige Abwicklung.

    Simon: Das heißt aber, wenn ich Sie richtig verstehe, Sie sind da nach wie vor in der Hand der Libyer?

    Ferrero-Waldner: Ach, in dem Fall muss ich sagen, gibt es zwar dieses Abkommen zwischen Bulgarien und Libyen, aber es hängt ja, wie Sie wissen, auch in Rechtssachen immer an der Interpretation.

    Simon: Die EU hat Millionen von Euro bereitgestellt, damit das sogenannte Blutgeld, das ist eine islamische Tradition, an die Eltern der infizierten Kinder bezahlt werden konnte. Das ist geschehen, das war die wichtige Bedingung für die Umwandlung der Todesstrafe. Frau Ferrero-Waldner, macht sich die EU damit nicht erpressbar? Denn es ist ja bewiesen von Experten, dass die sechs keinerlei Schuld hatten an den Infektionen.

    Ferrero-Waldner: Also zum ersten möchte ich noch einmal klarstellen, dass das nicht EU-Geld ist, das hier geflossen ist, sondern die Kompensationszahlungen wurden von der libyschen Regierung an die Familien bezahlt. Das ist eine Sache. Was wir als Europäische Union gemacht haben und ich auch von Anfang an betrieben habe, ist, dieses Bengasi-Spital aufzurüsten. Und zwar es zurückzubringen zu einem europäischen Standard und das ist reine Projekthilfe. Das nennt sich einen Aktionsplan, um rein humanitäre Hilfe zu leisten, um zu ermöglichen, dass die Kinder in diesem Spital dann auch weiterbehandelt werden können und dass dieses Spital wirklich europäische Standards erreicht. Ich war ja vor kurzem mit Außenminister Steinmeier dort und ich kann Ihnen sagen, es ist in diesen zwei Jahren, seit ich dieses Projekt begonnen habe, tatsächlich viel erreicht worden und das findet auch und fand auch bei den Familien und bei der libyschen Regierung Anerkennung und hat sozusagen mit aufbereitet, dass wir zu einer umfassenden Lösung kommen können.

    Simon: Frau Ferrero-Waldner, ich hab Sie richtig verstanden. Das Geld auf jeden Fall, Sie sprachen jetzt gerade über das Krankenhaus, das Geld auf jeden Fall, was die Familien erhalten haben der AIDS-infizierten Kinder, kommt nicht aus EU-Quellen?

    Ferrero-Waldner: So ist es. Das ist libysches Geld.

    Simon: Frau Ferrero-Waldner, über diese Aufrüstung des Krankenhauses nach neustem Standard hinaus, hat es weitere Zusagen an Libyen gegeben für den Fall, dass man sich im Fall der Krankenschwestern kooperativ verhält?

    Ferrero-Waldner: Nun, das Wichtigste ist, dass das ja immer ein großer, ein großes Hindernis auch für unsere Zusammenarbeit war. In der Zukunft ist eine Zusammenarbeit möglich, Beziehungen EU - Libyen können sich wieder normalisieren, wenn tatsächlich dieser Fall zu unserer Zufriedenheit abgeschlossen ist. Wir hätten uns, und ich hätte mich auch, wirklich so dafür eingesetzt, doch einen Gnadenakt erwartet, aber wir müssen jetzt mit dieser zweitbesten Lösung leben und wir hoffen eben auf einen schnell Transfer.

    Simon: Frau Ferrero-Waldner, ist in dem Zusammenhang, in den Gesprächen mit der libyschen Regierung auch über denjenigen gesprochen worden, der wegen des Flugzeugattentats von Lockerbie vor 19 Jahren in Schottland sitzt, dass der möglicherweise früher aus der Haft freikommt?

    Ferrero-Waldner: In keiner Weise, in keiner Weise. Das Eine hat mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun.

    Simon: Wie werden Sie für künftige Fälle, es muss ja nicht wieder Libyen sein, aber es kann ja andere Staaten geben, die sich ein Beispiel nehmen, wie werden Sie da verfahren?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, das war eine rein humanitäre Aktion von Anfang an. Ich hatte schon lange bevor ich Kommissarin wurde, von diesem Fall gehört und habe immer gefunden, das ist ein furchtbar schwieriger Fall, wie muss es diesen armen Menschen gehen. Und zwar auf beiden Seiten. Sowohl natürlich den Kindern, die ja in einer tragischen Weise hier auch AIDS bekommen haben und den Familien, aber auch andererseits diesen Krankenschwestern und dem palästinensischen Arzt. Deshalb hab ich mich um diesen Fall angenommen und freue mich, dass wir doch zumindest große Schritte weitergekommen sind, aber bin eben leider auch noch nicht zufrieden. Aber jeder Fall ist natürlich singulär und man kann nicht irgendetwas, was in diesem Fall schließlich zu einer umfassenden Lösung geführt hat, auf einen anderen Fall, der vielleicht irgendwann in der Zukunft liegt, anwenden.

    Simon: Sie sprachen es an, der Fall ist viel älter. Er liegt lange zurück. Wenn die EU sich nicht dahinter, hinter Bulgarien, das neue Mitglied, gestellt hätte, wäre es überhaupt zu dieser Lösung gekommen?

    Ferrero-Waldner: Es wäre wahrscheinlich nicht so einfach gewesen. Das muss ich sagen. Weil Sie ja sehen, wir haben es als Europäische Kommission auf uns genommen, einen Aktionsplan zu starten, um den Libyern zu zeigen, wir wollen helfen, dass eben sowohl dieses Spital, als auch überhaupt die Kinder ernstgenommen werden und die Familien, die natürlich auch sehr viel gelitten haben, wo es ja auch Todesfälle gegeben hat.

    Simon: Benita Ferrero-Waldner, EU-Kommissarin zu dem Urteil des Obersten Richterrats in Libyen, die Todesstrafe für die fünf Krankenschwestern und den palästinensisch-stämmigen Arzt in lebenslange Haft umzuwandeln. Vielen Dank, Frau Ferrero-Waldner.