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"Eine Alibiveranstaltung unter dem Druck der deutschen Öffentlichkeit"

Joachim Poß, SPD-Fraktionsvize, hält die angekündigte Beteiligung der deutschen Banken bei der Griechenland-Rettung für "offenkundig nicht ausreichend". Man hätte von Anfang an eine verpflichtende Mithaftung vorsehen müssen.

01.07.2011
    Tobias Armbrüster: Die Banken in Deutschland stehen seit Wochen im Mittelpunkt des politischen Interesses, denn sie halten Griechenland-Anleihen im Wert von zehn Milliarden Euro etwa und die Gefahr besteht, dass sie Griechenland mit in den Abgrund reißen, wenn sie diese Anleihen nach Ablauf wieder gegen bares Geld eintauschen wollen. Die Frage der Politiker lautete deshalb: Wie kriegt man die Banken dazu, dass sie die Anleihen freiwillig länger laufen lassen. Gestern hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Bankenvertretern getroffen, um eine Lösung zu finden.
    Mitgehört hat Joachim Poß, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, dort zuständig für die Finanzpolitik. Schönen guten Morgen, Herr Poß.

    Joachim Poß: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Poß, 3,2 Milliarden Euro will die deutsche Finanzwirtschaft beisteuern zum Hilfspaket für Griechenland. Wie gut ist dieses Ergebnis, das Wolfgang Schäuble da mit den Banken ausgehandelt hat?

    Poß: Nun, es ist offenkundig nicht ausreichend. Es haben sich ja Banken und andere Investoren doch schon massiv zurückgezogen im letzten Jahr. Das ist das, was jetzt übrig geblieben ist, und man könnte das Ganze auch als eine Alibiveranstaltung unter dem Druck der deutschen Öffentlichkeit bezeichnen. Aber wenn man es positiv sehen will, so könnte es auch ein erstes Signal sein, dass bei den sogenannten Rettungsmaßnahmen nicht nur die Steuerzahler, sondern zu einem gewissen Teil auch die privaten Investoren, die in der Vergangenheit gutes Geld verdient haben mit diesen Anleihen, zur Verantwortung gezogen werden.

    Armbrüster: Aber zunächst mal, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie es ja, glaube ich, eher negativ. Was würden Sie denn von den Banken erwarten?

    Poß: Wir hätten von vornherein, was wir nicht haben, eine Lösung haben müssen, die die Mitverantwortung privater Investoren, auch sogenannter institutioneller Anleger, die ja bei den Konferenzen im Frühjahr des letzten Jahres wohl ausgeschlossen wurden, hätte anders regeln müssen. Das ist das Unbefriedigende, was wir an dieser Stelle haben. Und jetzt kommt es natürlich auch noch ein bisschen auf die Ausgestaltung der sogenannten Details an, und das soll ja in diesem Teil erfolgen.

    Armbrüster: Aber, Herr Poß, was genau hätte man anders regeln sollen?

    Poß: Ja, man hätte eine verpflichtende sozusagen Mithaftung auch vorsehen können von institutionellen Anlegern, und jetzt sieht man wohl nur die Möglichkeit, das auf dieser freiwilligen Basis zu machen, nachdem der Druck da war, denn es ist ganz klar: Die Bundesregierung hat bisher wenig Entschlossenheit gezeigt, die Mitverursacher und Profiteure der Krise angemessen an den Kosten zu beteiligen, weil sie auch nie Handelnde war, immer nur Getriebene, und da gab es ja dann auch Auffassungsunterschiede. Der Finanzminister hat ja schon eher an eine solche Lösung gedacht, während die Kanzlerin immer noch strikt dagegen war, und das hat eben eine solche Situation mit herbeigeführt. Wie gesagt, wenn man es positiv bewertet, kann es ein erstes Signal sein gegenüber der Öffentlichkeit und auch gegenüber den Märkten und auch gegenüber den Akteuren, die ja bei der Lösung in Europa insgesamt mithelfen müssen.

    Armbrüster: Aber Herr Schäuble hat sich ja auch deshalb gegen eine Verpflichtung der Banken gewehrt, weil alle Finanzexperten sagen, wenn sie Banken dazu verpflichten, sich an diesen Hilfen zu beteiligen, dass sie dann automatisch Griechenland-Anleihen auf Ramsch-Status herabstufen und sozusagen dann Griechenland mit in den Abgrund reißen. Versteht die SPD das nicht?

    Poß: Ach, die SPD versteht das wohl. Trotzdem hätte es Alternativen gegeben. Das heißt ja nicht, dass man in der jetzigen Situation sozusagen eine andere Karte ziehen muss, das wird dann vielleicht nicht gehen, aber vom Grundsatz her hätte die Krisenlösung eine andere sein müssen. Und die Bedenken der Experten? Wenn man das genau nachliest, stellt man ja fest, dass manche von den Bedenken, die geäußert werden, natürlich auch aus Interessen gespeist sind, und da sind eben viele Fragen ungeklärt, der Status zum Beispiel der Rating-Agenturen und anderes mehr. Es ist, auch wenn Sie das mal sehen, und zwar unabhängig von Opposition und SPD beobachten, wie man sich regelrecht gezofft hat zwischen der Euro-Zone und den einzelnen Partnern in der Euro-Zone über die Beteiligung privater Gläubiger, dann die Franzosen vollkommen dagegen, Schäuble hat sich dem ein wenig geöffnet, aber in der deutschen Bundesregierung gab es auch keine Verständigung dazu. Das ist eben insgesamt ein katastrophales Krisenmanagement und dann kann man nicht erwarten, dass auch bessere Lösungen herauskommen.

    Armbrüster: Das heißt, Herr Poß, wir können heute Morgen hier im Deutschlandfunk festhalten, die SPD würde eine verpflichtende Hilfe der Banken in der Griechenland-Krise, beim Griechenland-Rettungspaket bevorzugen?

    Poß: Dem Grundsatz nach ja, was, wie gesagt, auch Zeitpunkte angeht und so. Es gibt gewisse Maßnahmen, die macht man dann, die sind dann vorbereitet, dazu muss dann zum Beispiel das europäische Bankensystem auch ausreichend aufgestellt sein. Das ist richtig, das hat alles Bedingungen, die wo möglich derzeit noch nicht erfüllt sind. Aber es geht ja um den grundsätzlichen Weg zu Bewältigung der Krise. Und das Zweite ist, das sollte jetzt nicht unter den Tisch fallen: Wir brauchen überzeugende Lösungen in Griechenland und für Griechenland. Wir brauchen da den Akzent Wirtschaftsförderung. Es muss ja eine Perspektive entwickelt werden, und das ist bisher sicherlich auch noch nicht ausreichend geschehen, im Zusammenwirken der Griechen und derjenigen, die da helfen wollen und im eigenen Interesse auch müssen.

    Armbrüster: Herr Poß, Sie haben vorhin schon gesagt, man könnte dieses Ergebnis gestern auch positiv sehen, die Einigung mit den Banken. Könnte sich hier andeuten, dass die Griechenland-Krise langsam an Schärfe verliert, wenn dieses Rettungspaket jetzt an Form gewinnt?

    Poß: Ja, das sollten wir doch alle hoffen, weil ich glaube doch, dass die große Mehrheit der Deutschen das ja auch versteht und es für richtig findet, wenn man eine Lösung findet, die zum Ergebnis hat, dass hier nicht eine Krise, und eine Ansteckungsgefahr für andere sich daraus ergibt, sondern wir unsere Währungsunion, so schwierig es sein mag, in den nächsten Jahren stabilisieren und sie eine gute Zukunft hat insgesamt.

    Armbrüster: Herr Poß, ich würde gerne zum Schluss noch kurz auf ein anderes Thema kommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat noch mal einen Vorstoß gemacht, Steuern zu senken. Das meldet heute die Berliner Zeitung. Er plant offenbar, die Steuern für kleine und mittlere Unternehmen herabzusenken. Was halten Sie davon?

    Poß: Also wir kriegen jeden Tag so viele unterschiedliche Meldungen über Steuersenkungen – wir haben das Theater ja in den letzten Wochen erlebt mit dem Ergebnis, dass man gar nicht mehr zum Schluss wusste, was denn welcher Koalitionspartner jetzt tatsächlich will, und jetzt hat man das ganze auf September vertagt. Diese Meldung habe ich bisher nicht zur Kenntnis nehmen können. Das muss man sich anschauen, was das im einzelnen heißt. Wenn damit gemeint ist, große Verlustverrechnungsmöglichkeiten, die bisher nicht gegeben waren, dann wäre das mit großer Skepsis zu sehen. Es gab Andeutungen, dass im Herbst entsprechende Pläne auf den Tisch kommen sollen im Zusammenhang mit der Unternehmensbesteuerung. Die Beschränkung, die Sie jetzt genannt haben, für kleine und mittlere Unternehmen, wie gesagt, das sagt mir nichts. Das hat keinen Zweck, wenn ich jetzt im einzelnen Stellung nehme zu Dingen, die man noch gar nicht in der Sache beurteilen kann.

    Armbrüster: Besten Dank!

    Poß: Bitte schön.

    Armbrüster: Joachim Poß war das, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für dieses Gespräch.

    Poß: Bitte schön!

    Deutschlandradio aktuell vom 30. Juni 2011: Deutsche Finanzwirtschaft beteiligt sich an Griechenland-Hilfe