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Einheitsdenkmal
Das Zünglein an der Wippe

Irgendwann mal wollte man mit einem Denkmal an die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR erinnern. Mit einer Wippe. Dann wurde alles wieder vom Tisch gefegt. Eine „Kostenexplosion“ wurde befürchtet. Das Brandenburger Tor war kurzzeitig als Alternative im Gespräch. Nun könnten die Karten neu gemischt werden.

Von Christiane Habermalz | 18.01.2017
    Modellbild des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin
    Modellbild des ursprünglich geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin. (dpa / BBR)
    Johannes Milla, Stuttgarter Architekt und Gewinner des Siegerentwurfs für die sogenannte Einheitswippe, wollte seinen Ohren nicht trauen. Im November letzten Jahres verkündete der Haushaltsausschuss im Bundestag nach seiner Bereinigungssitzung, man habe 18.5 Millionen Euro für die Wiederrichtung der historischen Kolonnaden auf dem Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Reiterstandbildes bereitgestellt. Sieben Monate zuvor hatten dieselben Haushälter - die für Kultur zuständigen Abgeordneten im Haushaltsausschuss, Rüdiger Kruse von der CDU und sein Pendant von der SPD, Johannes Kahrs - das Freiheits- und Einheitsdenkmal an dieser Stelle gekippt, wegen einer angeblichen "Kostenexplosion" auf 15 Millionen Euro. Johannes Milla:
    "Dieselben Antragsteller im Haushaltsausschuss, die im April 2015 ein paar Millionen Euro angeblicher Mehrkosten für das Freiheits- und Einheitsdenkmal zu viel waren, haben jetzt den Antrag gestellt, 18,5 Millionen für die Rekonstruktion eines Kaiser-Denkmals auszugeben. Hier wird das Budget-Argument, was zum Stopp des Einheitsdenkmals führte, tatsächlich diskreditiert."
    Die Großzügigkeit der Haushälter ist auch insofern erstaunlich, als offenbar weder Kulturstaatsministerin Monika Grütters, in deren Etat das Geld fließen soll, noch das Land Berlin von ihrem Glück wussten. Angeblich seien die Millionen in Einvernehmen mit Grütters und dem Intendanten des Humboldtforums, Neil MacGregor, bereitgestellt worden. Doch beide dementieren das. Der neue linke Berliner Kultursenator Klaus Lederer hat ebenso wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller nicht viel übrig für historisierende preußische Kolonnaden an der Spree – allerdings auch nicht unbedingt für den Entwurf des Stuttgarter Büros Milla und Partner, einer riesigen begehbaren Schale, die sich wie eine Waage langsam bewegt, wenn viele Menschen auf ihr in eine Richtung laufen.
    Abwehrkräfte der Denkmal-Befürworter neu belebt
    Doch fast scheint es, als habe der eigenmächtige Vorstoß der Haushälter die Abwehrkräfte der Denkmal-Befürworter neu belebt. Am kommenden Mittwoch wird sich der Kulturausschuss des Bundestages erneut mit dem Thema befassen. Dessen Vorsitzender Siegmund Ehrmann, SPD, hatte sich schon früher echauffiert: Es könne nicht angehen, dass zwei Haushaltsabgeordnete ein Projekt stoppen, dem immerhin zwei Bundestagsbeschlüsse und eine öffentlich ausgelobter Wettbewerb zugrunde lagen:
    "Es ist das Parlament, wir sind der Souverän. Das reklamiere ich. Und deshalb sollten wir nicht einfach das wie so einen Rohrkrepierer, das in sich zusammenfallen lassen, sondern letztendlich da noch mal drüber gucken."
    Ähnlich hatte sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert geäußert. Der Beschluss eines Ausschusses könne selbstverständlich nicht einen Plenarbeschluss des Deutschen Bundestages ersetzen, ließ er nach einer Sitzung des Ältestenrates mitteilen. Wolle man dem Haushaltsausschuss folgen, müsse erst das Parlament neu entscheiden. Will sagen: Vorerst steht der Beschluss des Bundestages, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal an genau der Stelle, nämlich auf dem alten Sockel vor dem Schloss, zu errichten. Wolfgang Thierse hatte bereits zuvor gewettert:
    "Wenn das Ganze scheitert, dann sage ich, die Deutschen sind nicht in der Lage, sich an ein außerordentlich positives Ereignis in ihrer Geschichte sich geradezu demonstrativ zu erinnern."
    Zwischenzeitig sah es düster aus für das Projekt. Grütters macht keinen Hehl daraus, dass sie das ungeliebte Denkmal nicht groß vermissen würde. Ihre Lieblingsidee: Das Brandenburger Tor einfach zum neuen Freiheits- und Einheitsdenkmal umwidmen. Das wäre jedenfalls kostengünstig, denn es steht ohnehin schon da. Jetzt aber könnten die Karten neu gemischt werden. Johannes Milla macht sich Hoffnung, dass sein Entwurf vielleicht doch noch gebaut werden könnte.
    Denkmal gehört nach Ostberlin
    Wenn der Kulturausschuss sich kommenden Mittwoch mit dem Thema befasst, ist er eingeladen – ebenso wie Wolfgang Thierse und Andreas Apelt von der Deutschen Gesellschaft, die einer der wichtigsten Initiatoren für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal war. Im Gespräch war auch schon ein anderer Standort für die Einheitswaage – etwa auf der Wiese vor dem Reichstag. Milla hält das für keine gute Idee: Das Denkmal stehe für die friedliche Revolution in der DDR und gehöre daher nach Ostberlin, dahin, wo diese auch stattgefunden habe. Und: Sein Entwurf beziehe sich ausdrücklich auf den alten Sockel vor dem Schloss.
    "Das Denkmal bewegt sich nur, wenn Menschen aus aller Welt miteinander reden, gemeinsam eine Entscheidung treffen und dann gemeinsam in eine Richtung gehen. Das ist ein Denkmal der Verständigung. Und das gehört einfach in die Mitte Berlins. Dort wo früher der Kaiser im Mittelpunkt war, sind jetzt die friedlichen Bürger. Dieser Standort ist genau der Richtige."