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Einkommensmobilität in Deutschland
Rund 60 Prozent schaffen den sozialen Aufstieg

Hält das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland? Immerhin verdienen rund 63 Prozent der Söhne mehr als ihre Väter, so eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Doch Kritiker warnen vor einer zu positiven Bewertung der Studie.

Von Manfred Götzke | 15.01.2018
    Ein Stapel Geldmünzen, steigende Kurve
    Der Lebensstandard in Deutschland steigt, gilt das auch für die Aufstiegschancen? (imago / Erwin Wodicka)
    Das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft habe Bestand, so das IW Köln. Rund 90 Prozent der Söhne von Vätern aus dem niedrigsten Einkommensviertel erreichen hierzulande ein höheres Einkommen als ihre Väter. Auf alle Einkommensgruppen gerechnet verbessern sich immerhin 63 Prozent. Damit liegt Deutschland zwar hinter den nordischen Ländern, jedoch immer noch weit vor den USA.
    Dass es in Deutschland zurzeit ökonomisch sehr gut läuft, steht außer Frage: Die Arbeitslosenquote liegt mit 6,8 Prozent auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang der 90er Jahre. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt kontinuierlich und auch die Reallöhne bei den Geringverdienern haben zugelegt.
    Die Schere zwischen Arm und Reich
    Dennoch sind nicht nur SPD und Linkspartei davon überzeugt: Deutschland hat ein Problem beim Thema soziale Gerechtigkeit. Schließlich öffne sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter.
    Stimmt so nicht, sagt das Institut der Deutschen Wirtschaft, das heute eine Studie zur intergenerationellen Einkommensmobilität vorgestellt hat. IW-Chef Michael Hüther:
    "Es gibt keine empirisch überzeugende Studie für Deutschland, die das Auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich belegt."
    Konkret hat das arbeitgebernahe Wirtschaftsinstitut untersucht, wie viel Söhne im Vergleich zu ihren Vätern verdienen. Verglichen wurden Vätergenerationen der Jahrgänge 1928 bis 1954 mit Söhnen der Jahrgänge 55 bis 75. Das zentrale Ergebnis scheint der These von der wachsenden sozialen Ungleichheit zu widersprechen.
    Studie belegt starke Aufwärtsmobilität
    "Die durchschnittlichen und die mittleren Einkommen der Söhne liegen deutlich über denen der Väter. Hatten die Väter ein reales durchschnittliches Arbeitseinkommen von 41.000 Euro im Jahr, so sind es bei den Söhnen knapp 45.000 Euro. Das entspricht einer Steigerung von 9,4 Prozent. Über alle Paare hinweg erreichen etwa 63 Prozent der Söhne ein höheres Einkommen als die Väter."
    Vor allem am unteren Rand, also bei den Geringverdienern, gelinge der soziale Aufstieg sehr häufig, so Michael Hüther.
    "90 Prozent der Söhne erreichen ein höheres Einkommen, wenn der Vater aus dem untersten Viertel der Einkommensverteilung stand. Fast jeder zweite Sohn aus diesem untersten Einkommensviertel schafft es sogar, ein um mindestens 50 Prozent höheres Arbeitseinkommen zu erzielen. Das heißt, wir haben hier eine starke Aufwärtsmobilität."
    Man könnte einwenden, dass der Lebensstandard in der Gesellschaft insgesamt gestiegen ist. Deshalb haben die Forscher sich auch mit der relativen Einkommensmobilität beschäftigt: also, ob Kinder im gesellschaftlichen Einkommensgefüge besser oder schlechter dastehen als ihre Eltern. Hier schneiden die Geringverdiener nicht mehr so gut ab: Gehört der Vater zum untersten Einkommensviertel, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es der Sohn in ein höheres Einkommensviertel schafft, nur noch bei 60 Prozent. Heißt im Gegenzug, 40 Prozent schaffen den sozialen Aufstieg nicht.
    Dass sich die Forscher nur auf Männer und auch lediglich auf Westdeutsche konzentriert haben, hat methodische Gründe.
    "Denn wir haben in diesem Zeitraum von Mitte der 80er Jahre bis heute erhebliche Veränderungen in der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Wenn wir dann Töchter mit Müttern vergleichen, ist nicht die eine Frage nur, wie haben die sich verändert, sondern sie haben eine ganz andere Erwerbsbiografie. Sie haben eine andere Integration in die Erwerbswelt und bilden eine andere Fragestellung ab."
    Lebensstandard steigt - aber auch Aufstiegschancen?
    Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld: In den skandinavischen Ländern wie Schweden oder Dänemark hängt der soziale Aufstieg deutlich weniger vom Elternhaus ab, in den USA und Großbritannien, aber auch in Frankreich ist diese Abhängigkeit deutlich höher.
    Ist Deutschland also doch ein Hort von sozialer Gerechtigkeit und Chancengerechtigkeit? Katja Urbatsch, Leiterin von Arbeiterkind, einer Organisation, die sich für den Bildungsaufstieg von Kindern aus Arbeiterfamilien stark macht, widerspricht.
    "Da wird ein Zusammenhang hergestellt, zwischen Einkommensentwicklung und Aufstiegschancen und ich sehe diesen Zusammenhang überhaupt nicht. Denn der Lebensstandard ist natürlich gestiegen und der steigt auch weiter. Natürlich ist es so, dass wir immer reicher werden, dass wir grundsätzlich besser ausgebildet sind und das der Lebensstandard steigt, aber das sagt meiner Meinung nach nichts darüber aus, wie es mit den Aufstiegschancen aussieht."
    Zudem nehme die Studie nur Söhne bis zum Jahrgang 1975 in den Blick. Über die aktuelle Situation sage die Untersuchung wenig aus.