Montag, 29. April 2024

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Einschränkung bei Bargeldzahlungen
"Begrenzung von Freiheiten"

Der ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, hat sich gegen die Einführung von Obergrenzen für Bargeldzahlungen ausgesprochen. Es sei nicht nachgewiesen, ob eine solche Limitierung bei der Terrorismusbekämpfung helfe, sagte er im DLF. Er befürchtet, dass in einem nächsten Schritt die Grenze weiter herabgesenkt werden könnte.

Peter Schaar im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 04.02.2016
    Peter Schaar
    Peter Schaar (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Dirk-Oliver Heckmann: Bargeldzahlungen über 5.000 Euro sollen in Zukunft verboten werden - das jedenfalls hat die Bundesregierung angekündigt. Das Ziel soll es sein, Geldwäsche und Terrorfinanzierung zu unterbinden. In vielen europäischen Staaten gibt es bereits entsprechende Gesetze. Der Bund deutscher Kriminalbeamter hat entsprechende Pläne bereits begrüßt, ebenso die Antikorruptionsorganisation Transparency International, Datenschützer aber haben erhebliche Bedenken. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Peter Schaar, er ist ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Bundes, jetzt Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. Schönen guten Tag, Herr Schaar!
    Peter Schaar: Guten Tag!
    Heckmann: Was ist aus Ihrer Sicht dagegen einzuwenden, wenn Geldwäsche und Terrorfinanzierung bekämpft werden können?
    Schaar: Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, die Frage ist, ob die Mittel passen, ob sie wirklich funktionieren und was sozusagen zu erwarten ist als nächster Schritt, wenn es nicht richtig funktioniert. Und genau darum geht es aus meiner Sicht. Hier soll ja jetzt erst mal so eine Obergrenze von 5.000 Euro für Bargeldgeschäfte eingeführt werden. Das lässt die meisten Menschen kalt, weil kaum jemand oder nur relativ wenige Menschen wirklich über diese Grenze kommen bei ihren Bargeldgeschäften.
    Heckmann: Wie oft machen Sie das beispielsweise, Rechnungen über 5.000 Euro in bar zu begleichen?
    Schaar: Ja, das ist sehr selten. Wenn man ein Auto kauft, einen Gebrauchtwagen kauft, dann ist das zum Beispiel nach wie vor häufig so, dass da Bargeld verlangt wird. Aber im Grunde ist das noch eine relativ hohe Grenze. Aber das zentrale Problem besteht bei solchen Maßnahmen immer, dass man dann sehr schnell runtergeht, weil dann gesagt wird, na ja, 5.000 Euro, das ist zu hoch, also gehen wir im nächsten Schritt dann vielleicht auf 2.000 oder auf 1.000 Euro.
    "Die Regierung ist beweispflichtig"
    Heckmann: Es gibt ja auch andere Länder, Italien beispielsweise ist bei 2.000 Euro, glaube ich.
    Schaar: Richtig. Und jetzt wäre es ja zum Beispiel interessant zu erfahren, wie sich das denn in Italien ausgewirkt hat. Hat es denn tatsächlich diese versprochene Wirkung gegen Korruption, gegen Terrorismusfinanzierung, gegen Schwarzarbeit entwickelt? Also das wäre zum Beispiel mal ein interessanter Punkt, davon habe ich bisher überhaupt nichts gehört. Es werden immer wieder neue Maßnahmen eingeführt, die dann begründet werden mit kaum bestreitbaren gesellschaftlichen Zielen - wie gegen die Terrorismusfinanzierung, die man bekämpfen will -, und tatsächlich gibt es dann keinerlei Nachweis, dass das dann auch funktioniert ...
    Heckmann: Aber es gibt maßgebliche Kräfte und Stimmen, Herr Schaar, wenn ich da kurz einhaken darf, die sich da schwer dafür stark machen - der Bund deutscher Kriminalbeamter, das sind ja alles Praktiker, und auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International steht ja auch nicht gerade im Verdacht, eine rechtsextreme Organisation zu sein.
    Schaar: Nein, darum geht es auch gar nicht, aber die Frage ist ja, wirkt es wirklich. Und derjenige, der solche Begrenzungen einführt, der jetzt letztlich eigentlich will, dass das Bargeld verschwindet, damit der Staat im Prinzip alles überwachen kann, was elektronisch überwiesen wird oder bezahlt wird, derjenige ist beweispflichtig. Und das ist wieder eine sehr ähnliche Konstellation wie bei der sogenannten Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, wie bei der jetzt geplanten Einführung der Speicherung von Flugpassagierdaten, alles sozusagen mit der Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt. Und wenn man dieses Raster immer enger macht, dann wird die Freiheit eben doch sehr stark eingeschränkt, und zwar nicht die Freiheit von Terroristen, weil die sich an bestimmte Regeln sowieso nicht halten. Sie können ja niemanden, der der Mafia angehört, daran hindern, dass er bestimmte Summen dann vielleicht im Ausland - in Russland, wo auch immer - dann doch weiterhin in den Geldkreislauf einspeist.
    Heckmann: Aber das ist ja ein wichtiger Punkt, Herr Schaar, Sie sagen, die Freiheit wird eingeschränkt. Jetzt frage ich mich, inwieweit wird die Freiheit der Menschen eingeschränkt, wenn Bargeldzahlungen über 5.000 Euro verboten werden. Wo ist da Einschränkung der Freiheit?
    Schaar: Weil jede Transaktion, die elektronisch abgewickelt wird, prinzipiell Spuren hinterlässt.
    Parallelen zur elektronischen Kontodatenabfrage
    Heckmann: Das ist ja auch beabsichtigt.
    Schaar: Genau. Und diese Spuren werden systematisch aufgesammelt. Das ist ja im Zusammenhang zu sehen mit Vorschlägen in Europa, wie man das jetzt schon mit den USA vereinbart hat bei internationalen Geldtransfers, so etwas wie ein lückenloses Kontrollsystem zu schaffen für Überweisungen, wieder auch zur Kriminalitätsbekämpfung, und zwar bezogen auf uns alle. Das sind Vorschläge, die zum Beispiel vom französischen Finanzminister kürzlich vorgelegt worden sind und die relativ gute Chancen haben, in Europa auch beschlossen zu werden. Das heißt, das Verbot des Bargeldes, was letztlich angestrebt wird, das Verschwinden des Bargeldes, das Ausweichen auf rein elektronische Zahlungswege ist in Verbindung zu sehen mit dem lückenlosen Zugriff auf solche Daten. Und deshalb ist das auch eine Begrenzung von Freiheiten.
    Heckmann: Das ist die Frage, ob dieser Zugriff dann lückenlos ist. Ich hab's ja gerade schon gesagt, das ist ja gerade die Absicht dieses Vorhabens, dass eben Spuren gelegt werden bei auffälligen Bewegungen, die Frage ist ja nur, wer darf auf diese Daten zugreifen. Wenn man das anständig regelt, ist dann das Problem nicht gelöst?
    Schaar: Na ja, das haben wir ja in ganz vielen anderen Bereichen auch. Denken Sie zum Beispiel an einen Parallelfall: Nach den Terroranschlägen von 2001 hat man die sogenannte automatisierte elektronische Kontodatenabfrage eingeführt mit der Behauptung und Begründung, man wolle damit nur die Terrorismusfinanzierung verhindern und die terroristischen Geldströme aufspüren. Und heute hat jedes Jobcenter, jedes Finanzamt genau diese Zugriffsmöglichkeiten. Erst mal wird es eingeführt, vielleicht auch mit restriktiven Zugriffsmöglichkeiten, und im zweiten Schritt werden dann diese Zugriffsmöglichkeiten erweitert. Es wäre naiv anzunehmen, dass das hier nicht stattfinden würde.
    Heckmann: Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Schaar, ich danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Schaar: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.