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Entsenderichtlinie
Schwierige Zusammenarbeit an der Grenze

Deutsche Malerbetriebe arbeiten in Frankreich, französische Firmen erledigen Aufträge in Deutschland. Wer Dienstleistungen in einem anderen EU-Land erbringen möchte, hat mit vielen Regeln zu kämpfen. Das sorgt für Ärger im deutsch-französischen Grenzgebiet.

Von Tonia Koch | 24.10.2017
    Wegweiser nach deutschland und nach Frankreich , aufgenommen in Schengen in Luxemburg am 07.03.2016. Signs after Germany and after France Date in Schengen in Luxembourg at 07 03 2016
    Wegweiser nach Deutschland und nach Frankreich aufgenommen in Schengen in Luxemburg am 07 03 2016. (imago stock&people)
    Barbara Schmitt klebt Steckdosen ab. Nur die Farbe fehlt noch an den Wänden. Sie leitet einen Malerbetrieb mit 7 Gesellen und zwei Auszubildenden in Saarlouis nahe der deutsch-französischen Grenze. Vier bis fünf Aufträge im Jahr führt die Firma im nahen Frankreich aus, meistens bei deutschsprachigen Kunden, die dort wohnen. Aber sie werde es wohl nicht mehr tun, denn es sei nicht mehr attraktiv, sagt die Chefin.
    "Das ist ein unrentables Geschäft, wenn ich den ganzen Arbeitsaufwand sehe, weil es ist zu großer bürokratischer Aufwand und kostet auch noch Geld."
    Schuld daran sei die Entsenderichtlinie. Genauer gesagt, all jene Vorschriften, die die einzelnen Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der europäischen Gesetzgebung erlassen. Im Grenzgebiet spielen viele grundsätzliche Fragen etwa wie lange Arbeitnehmer ohne Unterbrechung ins Nachbarland entsendet werden dürfen, eine untergeordnete Rolle.
    Frankreich achtet penibel auf die Details
    Im kleinen Grenzverkehr geht es vielmehr ganz konkret um Details. Frankreich achte darauf, dass diese penibel eingehalten werden. Barbara Schmitt:
    "Die Schwierigkeiten sehe ich für uns in dem irrigen bürokratischen Aufwand dass ich, wenn ich meine Leute dort hin schicke, ihnen einen halben Ordner mit Material mitgeben muss. Ich muss meinen Gesellschaftervertrag in einer übersetzten, lesbaren Form mitschicken. Ich muss bei den Krankenkassen aktualisierte Mitgliedsbeiträge, also Bescheinigungen, mitschicken, ich muss einen Ansprechpartner in Frankreich nachweisen, der telefonisch zu erreichen ist. Der Kunde muss mir eine Auftragsbestätigung mitgeben, die original unterschrieben ist."
    Die Liste der Pflichten ist lang und wer dagegen verstößt, muss empfindliche Strafen hinnehmen. Fehlverhalten wird mit bis zu 2000 Euro geahndet. Und gerade im Krankheitsfall werde es nicht selten kritisch, so Schmitt.
    "Probleme sind übertrieben"
    "Es müssen exakt die Leute, die angemeldet sind in Frankreich arbeiten. Ich kann jetzt nicht morgens ad hoc entscheiden Frau X ist jetzt krank und Herr Y geht jetzt mit."
    Norbert Bieber ist französischer Wirtschaftsprüfer, er hat sich gemeinsam mit französischen Partnern darauf spezialisiert, deutsche Firmen zu betreuen, die Mitarbeiter nach Frankreich schicken. Er hält die geschilderten Probleme für übertrieben.
    "Das Problem wird überbewertet, weil das Lohngefälle zwischen Deutschland und Frankreich ist minimal, da kann nicht viel Missbrauch sein, die Missbrauchsfälle kommen aus Bulgarien, Rumänien, ehemaligen Ostblockländern."
    Valide Zahlen darüber, wie viele Bußgelder die französischen Behörden verhängt haben, liegen nicht vor. Aber der Unmut über die Ausführungsbestimmungen der Entsenderichtlinie wächst, weil Frankreich im Mai dieses Jahres verfügt hat, dass pro Entsendung eines Mitarbeiters spätestens ab 2018 40 Euro Anmeldegebühr fällig werden. Wird also ein Mitarbeiter in zwei Monaten zehn Mal entsendet, macht das 400 Euro.
    Auch französische Unternehmen sind enttäuscht
    Unternehmen wie die AB-Serve Gruppe aus Woippy in Lothringen, träfe das hart. Die Firma ist in mehreren Ländern aktiv und entsendet in alle Richtungen, denn die Bereitstellung von Experten gehört für den Dienstleister, der Industrieanlagen betreut, zum Geschäftsmodell. Nathalie Mousin.
    "Das wäre für uns problematisch und sehr teuer, weil das sind kurzfristige Dienstleistungen und auf eine kurze Dauer und dann käme da sehr oft vor, die 40 Euro auszahlen zu müssen."
    Hoffnungen verbindet das deutsch-französische Grenzgebiet mit einer Gesetzesänderung, die Paris im September verabschiedet hat. Darin heißt es, dass für die Grenzregion die Entsenderegeln an die besondere Situation vor Ort angepasst werden dürfen. Ob und was daraus wird, steht noch nicht fest. Sollte es jedoch bei den pro Person und Entsendung 40 Euro Verwaltungsgebühr bleiben, dann dürfte die Enttäuschung groß sein. Barbara Schmitt:
    "Ist nicht der europäische Gedanke in meinen Augen, absolut nicht."