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Ergebnisse des Milchgipfels
"Nur der Tropfen auf den heißen Stein"

Das auf dem Milchgipfel beschlossene Maßnahmenpaket gieße mehr Öl ins Feuer, als dass es nütze, sagte Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, im DLF. Es seien "fromme Wünsche" des Landwirtschaftsministers zu glauben, die Milchbauern könnten untereinander regeln, wie viel Milch produziert werde, wenn sie dafür Geld bekämen.

Romuald Schaber im Gespräch mit Sandra Schulz | 30.05.2016
    Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter.
    Bundesverband Deutscher Milchviehhalter: "Es ist ja nicht so, dass man hier den freien Markt arbeiten lässt, sondern man greift ein, verzerrt, aber löst das Problem nicht." (Imago / Belga)
    Sandra Schulz: Vor der Sendung habe ich darüber mit Romuald Schaber gesprochen. Er ist der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben etwa ein Drittel der insgesamt rund 73.000 Milchbauern in Deutschland und war heute in Berlin übrigens bei den Gesprächen nicht dabei, sondern mit Protesten davor.
    100 Millionen Euro plus X verspricht der Landwirtschaftsminister. Ich habe Romuald Schaber gefragt, ob das ein guter Tag für die Milchbauern ist.
    Romuald Schaber: Na ja, man soll jetzt über 100 Millionen nicht lästern, weil es doch eine ganz ordentliche Summe ist. Aber im Vergleich zu den Verlusten, die die deutschen Milchbauern zurzeit hinnehmen müssen, ist es nur der Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben allein in diesem Jahr Verluste von etwa vier Milliarden Euro, im letzten Jahr drei Milliarden Euro, und dann relativiert sich die Summe natürlich schon deutlich. Es ist bei Weitem nicht ausreichend, um die Krise zu überwinden.
    Schulz: Warum produzieren Sie denn so viel Milch, dass der Preis so in den Keller geht? Diese Steuerung nach Angebot und Nachfrage, die ist doch in der sozialen Marktwirtschaft eigentlich normal.
    Schaber: Die ist theoretisch normal. Wir haben als Milchbauern wirklich das Problem, dass wir sehr viele kleine Erzeuger sind, allein in Deutschland etwa 70.000, in Europa einige Hunderttausend, und es dem Einzelnen deshalb nicht möglich ist, wirksam im gesamten Markt zu steuern. Er ist einer von vielen, seine Reaktion hat im gesamten Markt letztendlich keine Auswirkung. Und das führt dazu, dass nur betriebswirtschaftlich einzelbetrieblich gedacht wird, aber nicht volkswirtschaftlich.
    Das ist der Hintergrund und durch die Abschaffung der Mengenbegrenzung, endgültig letztes Jahr im März, und die vielen Versprechungen vonseiten der Marktforscher, des Bauernverbands, auch der Molkereien, dass die Märkte alles aufnehmen, haben die Bauern kräftiger Gas gegeben und die Produktion erhöht.
    Schulz: Da sagt der Landwirtschaftsminister jetzt, im Grunde müssen sich die Milchbauern zusammensetzen und das untereinander klären. Was ist daran falsch?
    Schaber: Das sind fromme Wünsche, aber mehr nicht. Wenn man ein bisschen genauer hinschaut und es wissen will, dann weiß man, dass es auf rein freiwilliger Basis gar nicht geht. Da muss zumindest Geld von außen kommen, damit ein finanzieller Anreiz da ist, die Produktion tatsächlich zu verringern. Denn ansonsten - und so ist es ja bisher - ist es so, dass der, der freiwillig weniger macht, der Dumme ist. Er hat noch mal einen finanziellen Verlust hinzunehmen, und deshalb macht es momentan niemand.
    "Das ist ein klassisches Dilemma"
    Schulz: Aber im Moment ist es ja so, dass die Milchbetriebe, wenn man auf die letzten Jahre schaut, im Schnitt deutlich mehr Kühe haben als noch vor einigen Jahren, weil man so billiger mehr Milch produzieren kann. Drücken Sie oder die Betriebe da nicht selbst die Preise und begeben sich eigentlich selbst in die Falle?
    Schaber: Ja, das ist ein klassisches Dilemma. Der Einzelne ist ja gezwungen, durch den Preisdruck mehr Tiere zu halten, um sich über Wasser zu halten.
    Man versucht, auch effizienter zu arbeiten, um die Kosten zu senken, auch mehr Milch pro Kuh zu produzieren, und das führt letztendlich dazu, dass bei gleichbleibender Kuhzahl in Deutschland trotzdem die Milchmenge, die Produktion insgesamt deutlicher angestiegen ist, etwa um 15 Prozent die letzten Jahre. Das ist natürlich schon eine Hausnummer. In anderen Ländern Europas gibt es die gleiche Entwicklung und das führt zu einer Überproduktion, die derzeit überhaupt nicht am Markt absetzbar ist.
    "Da wird es keine Überlebenden geben"
    Schulz: Aber das ist ja ein Prozess, für den die Politik eigentlich nicht wirklich Verantwortung trägt. Was erwarten Sie von der Politik denn jetzt?
    Schaber: Wir fordern letztendlich keine öffentlichen Gelder. Wir haben Vorschläge gemacht, dass die Branche sich selber finanziert, auch in der Krise. Das ist von der Politik immer abgelehnt worden mit genau dem Argument, wir sind jetzt in der freien Marktwirtschaft, da muss der Markt das regeln.
    Nur in der jetzigen Krise gibt es keine Betriebe, die damit zurechtkommen. Da wird es keine Überlebenden geben, es sei denn, sie sind massiv finanziell geschädigt. Und selbst das, was wir jetzt fordern, Unterstützung des Staates, dazu wollen wir Gelder verwenden, die die Bauern die letzten beiden Jahre, als die Quote noch da war, selber als Superabgabe bezahlt haben. Das Geld ist in den europäischen Haushalt geflossen und wird dort verbraten. Das sind immerhin 1,3 Milliarden Euro. Die könnten jetzt gezielt eingesetzt werden, um den Markt zu bereinigen und den Leuten wieder eine Perspektive zu geben.
    Schulz: Wie soll das gehen, dass der Markt bereinigt wird, wie Sie sagen?
    Schaber: Indem den Bauern ein finanzieller Anreiz gegeben wird, damit sie nicht produzieren, damit sie weniger produzieren. So muss man es sagen. Wir haben dazu detaillierte Vorschläge gemacht. Wir wollen nicht ganze Betriebe herauskaufen und Kühe abschlachten, sondern einen Anreiz schaffen, dass einzelne Betriebe, die das machen wollen, zwischen fünf Prozent und 25 Prozent weniger produzieren und damit den Markt entlasten. Pro Kilogramm, was sie nicht produzieren, schlagen wir vor, dass 30 Cent bezahlt werden, damit der, der diese Reduktionsmaßnahmen durchführt, nicht der Dumme ist gegenüber anderen, die nicht reduzieren.
    "Minister Schmidt muss endlich Lösungen suchen"
    Schulz: Aber ist das nicht paradox in einer Situation, in der ohnehin diese Regulierung von Angebot und Nachfrage so schlecht funktioniert oder so deutlich zum Nachteil der Produzenten funktioniert, nur jetzt diese paradoxe Situation zu schaffen, dass der, der gar nichts produziert, dafür Geld bekommt?
    Schaber: Ja, es gibt noch eine Alternative. Wenn man diesen finanziellen Anreiz nicht setzen will, dann müsste man beschließen, dass obligatorisch, also verbindlich alle Erzeuger in Europa für eine zeitliche Befristung zwei oder drei oder vier Prozent weniger machen. Auch das wäre möglich, kostet kein Geld, braucht natürlich europäische Beschlüsse, und unserer Erfahrung oder unserer Einschätzung nach sind die natürlich sehr, sehr schwer herzukriegen.
    Die Mengenbegrenzung ist gerade erst abgeschafft worden und es wird jetzt schwer sein, solch drastische Beschlüsse auf europäischer Ebene herbeiführen zu können.
    Minister Schmidt muss sich endlich in Brüssel auf den Weg machen und Lösungen suchen. Er hat ja bisher nichts unternommen und das ist das, was wir ihm vorwerfen, dass jetzt in der Krise noch mal etwas Geld aufgewendet wird, den Leuten als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt wird, und letztendlich wird damit Öl ins Feuer gegossen. Es wird dafür gesorgt, dass die Betriebe weiter produzieren können. Es ist ja nicht so, dass man hier den freien Markt arbeiten lässt, sondern man greift ein, verzerrt, aber löst das Problem nicht. Das ist völlig verrückt.
    Schulz: Welche Milch sollten Verbraucher kaufen, die den Milchbauern unter die Arme greifen wollen?
    Schaber: Wir empfehlen, faire Milch zu kaufen. Die ist ausgezeichnet, gibt es nicht in allen Geschäften, aber doch in einigen, wo 45 Cent, also ein kostendeckender Anteil an den Bauern geht.
    Schulz: Romuald Schaber, der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, heute hier bei uns im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.