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Erdogan-Besuch
"Gastfreundschaft nicht missbrauchen"

Der Auftritt des türkischen Regierungschefs Erdogan am Samstag in Köln wird begleitet von einer Gegenkundgebung der Aleviten - und auch die rechtsextreme Pro NRW will Wahlkampf machen. "Wir sind gut beraten, da keine Panik aufkommen zu lassen", sagte der Vize der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, im DLF.

Arnold Plickert im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Arnold Plickert, steht in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) am Stand der Gewerkschaft vor der Karikatur eines Einbrechers.
    Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Arnold Plickert (dpa picture alliance / Martin Gerten)
    Die beiden deutsch-türkischen Versammlungen mit jeweils 20.000 erwarteten Teilnehmern seien dennoch räumlich getrennt worden: Die Kundgebung der gemäßigt islamischen Aleviten finde links des Rheins statt, die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan rechts des Rheins. "Herr Erdogan ist ja schon bekannt dafür, dass er polarisiert, dass er Emotionen auslöst", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, im Deutschlandfunk. Er habe die Anhänger der alevitischen Gemeinde von vergangenen Veranstaltungen als laute und friedliche Mitbürger in Erinnerung. Vor einem Jahr hatten Zehntausende Aleviten in der Kölner Innenstadt gegen Erdogan und das gewaltsame Vorgehen der türkischen Regierung gegen Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park protestiert.
    Im Gegensatz zur Kundgebung der Aleviten habe die Veranstaltung mit Erdogan keiner Genehmigung bedurft, weil sie in einer Halle stattfinde, sagte Plickert. "In Deutschland entscheidet nicht Politik oder Polizei, wer reden darf, sondern das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit hat einen absolut hohen Stellenwert. Von daher sollten wir bei unseren Tugenden bleiben, weltoffen, tolerant, gastfreundlich. Ich hoffe nur, dass Herr Erdogan sich auch an diese Spielregeln hält."
    Proteste gegen Erdogan auf dem Heumarkt in Köln.
    Proteste gegen Erdogan auf dem Heumarkt in Köln. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft sagte, er "erwarte von Herrn Erdogan, dass er in seiner Rede unsere Gastfreundschaft nicht für seine eigenen partei- oder wahlpolitischen Zwecke missbraucht". Da in Deutschland 1,8 Millionen Wahlberechtigte für die Präsidentenwahl im August lebten, bestünde jedoch "die Gefahr, dass er versucht, diese Veranstaltung zu missbrauchen". Erdogan hatte 2008 in Köln für einen Eklat gesorgt. Er riet seinen Landsleuten, sich der deutschen Kultur nicht allzu sehr anzupassen.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Samstag wird hier in Köln bei uns einiges los sein. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hält eine Wahlkampfrede in der Lanxess Arena. Das ist eine große Arena im rechtsrheinischen Köln. Es werden 20.000 oder vielleicht mehr Anhänger in der Halle erwartet. Die Proteste gegen Erdogan schwappen aber auch von der Türkei nach Deutschland. Also gibt es eine Gegenveranstaltung, eine Gegendemonstration. Sie wird von den Alewiten organisiert. 30.000 Teilnehmer werden erwartet. Die Alewiten gelten ja als eine gemäßigte islamische Religionsgemeinschaft. Und dann kann es sein, dass die rechtsextreme Partei Pro NRW auch noch mitmischen will. Sie hat eine Wahlkampfkundgebung in der Stadt angemeldet.
    Arnold Plickert ist Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen und stellvertretender GDP-Bundesvorsitzender. Guten Morgen, Herr Plickert!
    Arnold Plickert: Schönen guten Morgen, Herr Meurer!
    Meurer: Ist Ihnen da etwas mulmig zumute, wenn Sie an den Samstag hier in Köln denken?
    Plickert: Nein. Nach der jetzigen Lage, so wie ich sie kenne, nicht. Ich denke mir, wir sind gut beraten, da keine Panik aufkommen zu lassen und die Sache in Ruhe anzugehen.
    "Alewiten waren immer friedliche Mitbürger"
    Meurer: Die Polizei in Köln will die Demonstration der Alewiten und die Wahlkampfveranstaltung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan räumlich trennen: die einen rechts des Rheins, die Alewiten links des Rheins. Wie viel Sicherheit versprechen Sie sich davon?
    Plickert: Wir haben ja zwei Veranstaltungen, einmal eben dieses zehnjährige Jubiläum der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, die in der Lanxess Arena ihre Veranstaltung mit zirka 20.000 Besuchern haben, und dann getrennt auf der anderen Rheinseite die Demonstration der Alewitischen Gemeinde Deutschland. Wir gehen im Moment nicht von 30.000 Besuchern aus; wir gehen eher von einer Größenordnung von 15.000 Teilnehmern aus. Ich habe in der Vergangenheit an einigen Demonstrationen auch der alewitischen Gemeinde teilgenommen. Ich kann sagen, dass es immer friedliche Mitbürger waren, wo überhaupt gar keine Gewaltbereitschaft bestand. Die waren laut, haben gesungen, aber Gewalt ist nicht davon ausgegangen, und das ist auch das Prinzip, was ich am Samstag erwarte.
    Meurer: Ist ein Problem, dass beide Seiten, die Alewiten und die Erdogan-Anhänger, sich dann doch irgendwie bei der An- oder Abreise nach Köln, von Köln begegnen können?
    Plickert: Ja, das ist durchaus eine Option. Herr Erdogan ist ja schon dafür bekannt, dass er polarisiert, dass er Emotionen auslöst. Die Stimmung in der Türkei ist ja auch gespalten. Ich erinnere da an Korruptionsvorwürfe, Vorgehen gegen Demonstranten, Sperren von Internet-Plattformen. Ich erwarte von Erdogan, dass er in seiner Rede unsere Gastfreundschaft nicht für seine eigenen partei- oder wahlpolitischen Zwecke missbraucht.
    "Abolut hohen Stellenwert der Meinungs- und Versammlungsfreiheit"
    Meurer: In der Politik, Herr Plickert, gab es ja Überlegungen, den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten ganz zu verhindern. Hätte es dafür irgendeine zum Beispiel polizeiliche Handhabe gegeben?
    Plickert: Nein. In Deutschland – und das ist auch gut so, das will ich ausdrücklich sagen – entscheidet nicht Politik oder Polizei, wer reden darf, sondern das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit hat einen absolut hohen Stellenwert, und von daher sollten wir bei unseren Tugenden bleiben: weltoffen, tolerant, gastfreundlich. Ich hoffe nur, dass Herr Erdogan sich auch an diese Spielregeln hält.
    Meurer: Warum müssen die Alewiten ihre Demonstration genehmigen lassen von der Polizei, Erdogan die Wahlkampfveranstaltung aber nicht?
    Plickert: Ja, weil das im Prinzip eine private Veranstaltung ist, die eben keinen politischen Hintergrund hat. Die ist in einer Halle, die unterliegt nicht dem Versammlungsgesetz. Das was die Alewiten angemeldet haben, unterliegt dem Versammlungsgesetz, und das ist ein ganz normaler rechtlicher Ablauf.
    Meurer: Ist das der entscheidende Unterschied, die Frage, ob es im öffentlichen Raum stattfindet, oder in einer privaten Halle?
    Plickert: Ja, im Prinzip ist das so. Der private Charakter der Halle ist eben so zu bewerten. Von da ausgehend können ja auch von so einer Veranstaltung wesentlich weniger Störungen ausgehen. Man ist in einem umschlossenen Bereich, ist alleine für die Sicherheit verantwortlich. Das ist ja nichts anderes wie im Prinzip ein Konzert, was da stattfinden würde, und das unterliegt auch nicht dem Versammlungsgesetz.
    Meurer: Es hat Überlegungen gegeben, um die Halle herum Public Viewing anzubieten, dass noch mehr Erdogan-Anhänger die Rede verfolgen können. Ist das daran gescheitert, dass dann öffentlicher Raum betreten wird und die Auflagen vielleicht zu hoch sind?
    Plickert: Nein. Ich denke mir, da sind auch Sicherheitsaspekte, die da eine Rolle spielen, auch für den Veranstalter. Wenn er so ein Public Viewing macht, braucht er auch mehr Sicherheitskräfte. Die Polizei hätte es auch nicht zu entscheiden gehabt. So eine Public Viewing Veranstaltung, muss man auch wissen, kostet etwas mehr wie tausend Euro. Ich glaube, das wird auch ein Grund gewesen sein, dass der Veranstalter das nicht gemacht hat.
    Erfahrungen des Erdogan-Besuchs 2008
    Meurer: Jetzt war der türkische Ministerpräsident Erdogan ja schon mal in Köln. Das war 2008 im Februar. Da hat er schon einmal eine Rede gehalten. Wie waren damals die Erfahrungen?
    Plickert: Ja, die waren auch nicht ganz so positiv. Er hat sich ja da so geäußert, Integration ja, Assimilation nein. Darunter versteht man ja das Aufzwingen einer anderen Sprache oder Gewohnheiten und Bräuche des Aufnahmelandes, und das ist auch eher negativ hier angekommen, weil es wird ja keiner zur Integration gezwungen, aber es ist eben so, dass man sich auch angleichen muss. Er sprach ja dann von meinen Staatsbürgern, und das ist sowohl hier bei der deutschen Bevölkerung und der Politik, aber auch bei den türkischen Mitbürgern eher negativ gesehen worden und das ist die Gefahr, dass er doch sehr polarisiert. Er ist bei den Kommunalwahlen nicht so gut herausgekommen. Die Präsidentenwahlen sind im August. Er braucht quasi nur so fünf Prozent, hier in Deutschland sind 1,8 Millionen Wahlberechtigte und das ist die Gefahr, dass er versucht, jetzt diese Veranstaltung dazu zu missbrauchen.
    Meurer: Es sollen ja, Herr Plickert, jetzt in einem Polizeiwagen von einer dritten Person Neonazi-Sticker gefunden worden sein. Glauben Sie, dass in den Köpfen mancher Polizisten da so eine Anti-Türkei-Haltung mitschwingt?
    Plickert: Nein. Das ist Tagesgeschäft für meine Kollegen. Ich kann das jetzt nicht bestätigen. Mag sein, dass bei Veranstaltungen - - Die Neonazis sind jetzt auf Wahlkampftour in Nordrhein-Westfalen. Wir haben an jedem Wochenende in fast allen Städten irgendwelche Informationsstände. Da werden auch Gegenstände sichergestellt. Vielleicht hat man mal so was gesehen. Aber ich glaube, meine Kolleginnen und Kollegen der Einsatzhundertschaften sind da absolut professionell.
    Meurer: Arnold Plickert ist der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen und er erwartet eigentlich keine größeren Zwischenfälle, wenn wir ihn richtig verstanden haben, für die Wahlkampfveranstaltung am Samstag mit Ministerpräsident Erdogan und die Gegendemonstration. Herr Plickert, danke und auf Wiederhören.
    Plickert: Ich danke auch. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.