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Ergebnisse des MH17-Ermittlungsberichts
Schicksalstag für Angehörige

Rund zwei Jahre nach dem Absturz der Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine stellen Ermittler heute den Bericht vor, der die Ursache des Unglücks klären soll. Für die Angehörigen, die noch vor der Presse über die Ergebnisse informiert werden, ist der Termin mit gemischten Gefühlen verbunden.

Von Ludger Kazmierczak | 28.09.2016
    Ein aus den Trümmerteilen zusammengesetztes Modell des abgestürzten Flugzeugs
    Um der Ursache des Unglücks auf die Spur zu kommen, hatten die Ermittler aus Trümmerteilen des abgestürzten Flugzeugs ein Modell der MH-17 nachgebaut. (picture alliance / dpa / Robin Van Lonkhuijsen)
    Die Erwartungen sind enorm hoch. Mehr als zwei Jahre nach der Katastrophe wächst vor allem bei den Hinterbliebenen der Opfer die Ungeduld. Zu denen, die endlich Resultate sehen wollen, gehört auch Thomas Schansman. Sein damals 18-jähriger Sohn Quinn Lucas kam an Bord der MH17 ums Leben: "Es kann doch nicht sein, dass wir einfach akzeptieren, dass 198 Niederländer, die alle nichts mit dem Krieg zu tun hatten, einfach so aus der Luft geschossen werden, und dass wir mehr als zwei Jahre danach noch immer Niemanden dafür zur Verantwortung ziehen können."
    Staatsanwalt Fred Westerbeke, der das Internationale Ermittler-Team leitet, hat schon vor Monaten versprochen, dass die Ergebnisse der strafrechtlichen Untersuchungen sehr konkret sein werden: "Wir gehen davon aus, präzise sagen zu können, von wo die Buk-Rakete abgefeuert wurde, dass wir also den exakten Standort bestimmen können. Bislang war das Gebiet im Durchmesser noch sehr groß, aber wir haben den Radius immer kleiner ziehen können. Und wir werden auch genau das Raketensystem benennen können, mit dem es passiert ist."
    Mühsame Ermittlungsarbeit
    Die Arbeit des Expertenteams wäre leichter gewesen, wenn Russland, die Ukraine und die USA, ihre Radar- und Satellitenbilder zur Verfügung gestellt hätten, haben sie aber nicht. Für den niederländischen Osteuropa-Korrespondenten Jeroen Akkermans mehr als befremdlich:"Wo stehen wir denn mit der Glaubwürdigkeit von den Russen, von den Amerikanern. Und wo stehen wir bei der Glaubwürdigkeit der Ukrainer, die sich verweigern, primäre Radardaten, die sie meines Erachtens haben müssen, zu veröffentlichen oder den Holländern zu übergeben. Also, die haben auch etwas zu verbergen."
    Dass Russland just am vergangenen Montag, angebliche Original-Radardaten veröffentlicht hat, die beweisen sollen, dass die Ukrainer für den Abschuss der Boeing verantwortlich sind, ist vom Timing her natürlich höchst interessant. Für Akkermans ein durchschaubares Ablenkungsmanöver. Der in Berlin lebende Fernsehjournalist ist selbst mehrfach ins Absturzgebiet gereist, um zu recherchieren und nach Spuren zu suchen. Im November 2014 ist er dabei fündig geworden: "Dann habe ich also ein Warhead-Teil, eine Art Munitionsteil, gefunden und auch ein Teil, wo ein C drauf gegossen ist, in kyrillischer Sprache. Und kyrillisch gehört in einer Boeing nicht zu den Materialien."
    Jahrelange Ungewissheit endet heute
    Thomas Schansman reist heute, wie viele andere Angehörige von MH17 Opfern auch, nach Nieuwegein in der Nähe von Utrecht, wo das Joint Investigation Team am Nachmittag über ihre Recherchen berichten wird. Die Angehörigen sollen noch vor der Presse über die Ergebnisse informiert werden. Und so ganz genau weiß der Vater von Quinn Lucas noch nicht, was er sich von diesem Termin erhofft: "Will ich letztlich wissen, wer auf den Knopf gedrückt hat? Das ist mir an sich nicht das Wichtigste. Aber ich würde schon gerne hören: das und das ist passiert. Vielleicht hat ja jemand gar nicht gewusst, dass er da eine Passagiermaschine im Visier hatte."