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Erneuerbare Energien
Stromhandel zwischen Nachbarn

Die EU-Kommission plant den Handel von Solarstrom zwischen Bürgern radikal zu vereinfachen. Das Bündnis Bürgerenergie begrüßt das und beklagt, die deutsche Regierung bremse. Nun hat es in einer Studie aufstellen lassen, wo es derzeit hakt.

Von Daniela Siebert | 13.12.2017
    Gerade fertig gestellte Einfamilienhäuser in einem Neubaugebiet am Ortsrand von Germaringen im Ostallgäu am 20.10.2005
    Bündnis Bürgerernergie: Stromhandel im Dorf (dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Das Bündnis Bürgerenergie hat sich auf die Fahnen geschrieben, Strom aus erneuerbaren dezentralen Quellen zu fördern.
    In puncto Nachbarschaftsstrom setzen sie auf die 2,5 Millionen Photovoltaik-Anlagen, die es hierzulande auf den Dächern gebe, mindestens eine Million davon auf Privathäusern. Und die produzieren oft Überschussstrom, den die Hausbewohner selbst nicht aufbrauchen und den man an Nachbarn verkaufen könnte.
    Umspannwerk definiert den Nachbarbegriff
    Nachbarn in diesem Sinne sind aber nicht nur die, die hinter dem Gartenzaun wohnen, sondern alle, die gemeinsam an die letzten Meter des Verteilnetzes hinter den Umspannwerken angeschlossen sind. Dazu René Mono, Vorstand vom Bündnis Bürgerenergie:
    "Theoretisch wären andere erneuerbare Energie-Technologien möglich für Bürgerstromhandel, tatsächlich, in der Praxis wird das hauptsächlich Photovoltaik sein, weil wir als Kriterium die gleiche Netzebene betrachten, und in der Regel ist der Endverbraucher auf einer Niedrigspannungsebene, und da speist vor allem die Photovoltaik ein."
    Rein theoretisch und rein rechtlich wäre so ein Stromverkauf von Nachbar zu Nachbar auch heute schon möglich. Aber: Das ist viel zu kompliziert organisiert für normale Menschen, weil das System auf Großunternehmen ausgelegt ist, sagen die Kritiker. Worin die Hürden genau bestehen hat Energy Brainpool jetzt im Auftrag vom Bündnis Bürgerenergie ausgearbeitet. Dazu Fabian Huneke.
    "Diese ganzen Regeln beinhalten zum Beispiel, dass man einen Bilanzkreisvertrag mit dem Übertragungsnetzbetreiber abschließen muss; dass man ganz viele Meldepflichten gegenüber der Bundesnetzagentur, gegenüber den Netzbetreibern hat, das heißt, wenn ich jetzt Ihnen Strom verkaufen würde, dann müsste ich schon mal mindestens fünf verschiedenen Meldepflichten nachkommen, ich müsste, wenn ich Ihnen dann eine Stromrechnung zeige, da ganz genau drauf schreiben, wo kommt der Strom her, also ganz viele Anforderungen aus dem Energiewirtschaftsgesetz, die da gelten würden."
    Reformvorschlag: Nur einmal melden
    Auch die EEG-Umlage und andere Nebenkosten müsste den Käufern berechnet werden, was das Ganze unrentabel mache.
    Hunekes Lösungsvorschlag lautet daher, die Regelungen für die Privatanbieter in der Nachbarschaft zu vereinfachen und den ganzen Aufwand auf eine einzelne Meldung an den Netzbetreiber oder die Bundesnetzagentur reduzieren. Die Netzbetreiber und die großen Energieversorgungsunternehmen spielen in seinem Modell auch eine wichtige Rolle, denn der Nachbarschaftsstrom soll über ihre Leitungen und ihre Abrechnungsinstanzen gemanagt werden.
    Am einfachsten wäre es, wenn man Bürger- beziehungsweise Nachbarschaftsstrom mit dem Eigenverbrauch rechtlich gleichstellen würde, ergänzt René Mono. Das könnte man mit einem einzigen Satz in der nationalen Gesetzgebung erledigen.
    Wirtschaftsministerium als Bremser?
    Rückenwind für das eigene Modell spürt man beim Bündnis Bürgerenergie aus Brüssel von der EU. Das Bundeswirtschaftsministerium trete hingegen als Bremser auf. Gerade auf der Fachebene gebe es in dem Haus erhebliche Widerstände gegen dezentrale Energieversorgung, sagt René Mono.
    "Die EU sagt jetzt schlichtweg: Es muss einfacher werden, es muss so gemacht werden, dass ganz normale Menschen das auch tun können. Und das ist ein wichtiges Signal aus Brüssel. Wir hoffen, dass Deutschland das auch versteht und den Widerstand, den die Bundesregierung momentan im Europäischen Rat gegen diesen Vorschlag leistet, aufgibt."
    Noch ist die neue EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien, auf die das Bündnis hofft, aber nicht beschlossen und sie würde ohnehin erst ab 2020 greifen. Und selbst wenn das so passiert, dürfte es eine Weile dauern, bis das Ganze in nationales Recht umgesetzt ist. Schnell dürfte es mit dem Strom von Nachbar zu Nachbar deshalb nicht gehen. Fabian Huneke erklärt:

    "Technisch müsste eigentlich gar nicht so viel passieren, politisch müsste einiges erstmal angestoßen werden und ein Willen da sein. Das Ganze würde im heutigen System eigentlich schon funktionieren, wenn man ein paar Gesetze, ein paar Verordnungen anpasst. Die Energieversorgungsunternehmen werden vielleicht ein Jahr brauchen, um die Geschäftsmodelle dazu zu entwickeln und die Prozesse. Technisch gesehen gibt es eigentlich keine Vorbedingungen, also ein Jahr – würde ich sagen."