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"Es ist ja nicht so, dass wir auf eine Nullrunde zusteuern"

Die Gewerkschaften sind unzufrieden mit dem Angebot für eine Lohnsteigerung im öffentlichen Dienst. Die Beschäftigten müssten sich aber klar machen, dass "schlichtweg nicht mehr Geld da" sei, sagt Manfred Hoffmann, der Hauptgeschäftsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände.

Manfred Hoffmann im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die zweite Welle der Warnstreiks im öffentlichen Dienst schwappt in diesen Tagen erneut durch das Bundesgebiet. Heute hat sie Berlin und Nordrhein-Westfalen erreicht. In ihrem Kampf um mehr Lohn legen die Beschäftigten den öffentlichen Nahverkehr, Kindertagesstätten und öffentliche Verwaltungen lahm.
    Die Arbeitgeber, sie bieten bislang 3,3 Prozent mehr Lohn, verteilt auf zwei Jahre, und wie die Arbeitnehmer dieses Angebot wahrnehmen, das rief vorgestern Detlef Athing von ver.di in Niedersachsen und Bremen den Streikenden zu.

    Detlef Athing: "Wenn man aber genau nachrechnet für die Laufzeit, Kolleginnen und Kollegen, 1,77 Prozent wäre dieses Angebot. Damit wäre die Preissteigerung von diesem Jahr noch nicht mal erreicht und vom nächsten Jahr schon gar nicht."

    Engels: Und am Telefon begrüße ich Manfred Hoffmann, er ist der Hauptgeschäftsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände. Er ist in die Verhandlungen involviert. guten Morgen, Herr Hoffmann.

    Manfred Hoffmann: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: 3,3 Prozent mehr Lohn, auf zwei Jahre verteilt, da sagen die Rechenkünstler der Gewerkschaft ver.di, nenne ich sie mal, wenn man das aufs Jahr runterrechnet, ist es noch nicht mal der Inflationsausgleich. Was sagen Sie dazu?

    Hoffmann: Frau Engels, Sie haben es ja schon angedeutet: Rechenkünste sind das. Wenn Sie sich anschauen, dass wir für die Monate März und April 200 Euro Einmalzahlung angeboten haben und danach 2,1 Prozent ab 1. Mai, dann kann man sofort sehen, das ist mehr als 1,7 Prozent. Das soll erhöht werden ab 1. März nächsten Jahres um weitere 1,2 Prozent, so dass die Erhöhung danach eine Größenordnung von 3,3 Prozent hat. Das ist Fakt.

    Engels: Auf der anderen Seite ist aber doch Fakt, dass die erste Steigerung in der Tat unter der Inflationsentwicklung bleiben könnte, oder?

    Hoffmann: Das sehe ich nicht so. 2,1 Prozent, wie gesagt ergänzt um 200 Euro Einmalzahlung, ist als erstes Angebot, glaube ich, eine gute Größenordnung.

    Engels: Als erstes Angebot… Das heißt, Sie gehen durchaus noch einen Schritt weiter?

    Hoffmann: Wir werden kein weiteres Angebot vorlegen, sondern wir wollen am 28., 29. März zu einem Ergebnis kommen, und da macht es keinen Sinn, immer weitere Angebote vorzulegen, sondern wir wollen einen Abschluss, damit die Warnstreiks beendet werden.

    Engels: 6,5 Prozent mehr Lohn verlangt aber ver.di und die Arbeitgeber liegen bei 3,3 Prozent. Wie es aufgeschlüsselt ist, inklusive Einmalzahlung, haben Sie gerade erläutert. Das liegt aber sehr weit auseinander. Was macht Sie so optimistisch, sich zu einigen?

    Hoffmann: Also ich glaube, dass beide Seiten wissen, dass sie eine Verantwortung haben, die auf eine Einigung ausgerichtet sein muss, und wir haben von Anfang an unseren Einigungswillen bekundet. Wir hätten gerne in der ersten Runde ein Verhandlungsangebot abgegeben, das ist an der Höhe der Forderung gescheitert. Wir haben dann signalisiert, dass wir bereit sind, wie gesagt mit diesem ersten Angebot auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuzugehen. Das ist geschehen und wir müssen in der dritten Runde dann schließlich ein Ergebnis suchen.

    Engels: Für den Fall, dass es in Potsdam aber keine Einigung gibt, hat ver.di-Chef Bsirske bereits angekündigt, es werde einen sehr viel größeren Arbeitskampf geben, den man auch lange durchhalten werde. Das klingt im Moment nicht danach, dass eine Einigung so nahe ist, es sei denn, die Arbeitgeber legen noch mal ordentlich drauf.

    Hoffmann: Also wir kennen ja diese Worte auch aus den vergangenen Tarifrunden. Wir nehmen das durchaus sehr ernst, sind aber trotzdem … Jedenfalls wir wollen alles dazu beitragen, dass es dazu nicht kommt.

    Engels: Wann sollen denn eigentlich die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst einmal von einem Aufschwung profitieren, wenn nicht in einer wirtschaftlich so guten Situation wie jetzt?

    Hoffmann: Also ich glaube, dass wir sehen müssen, dass wir für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gute Arbeit leisten – das muss auch mal gesagt werden an dieser Stelle -, die gute Arbeit leisten, auch ordentlich bezahlen. Wir bieten Arbeitsplatzsicherheit, die in der Privatwirtschaft so nicht zu finden ist. Und wie gesagt, es ist ja nicht so, dass wir auf eine Nullrunde zusteuern, sondern wir wollen hier was tun. Wir müssen aber auf der anderen Seite die Finanzkraft der Kommunen, etwa auch der kommunalen Krankenhäuser und anderer kommunaler Arbeitgeber, berücksichtigen.

    Engels: Aber ein Angebot, das, wenn man Ihrer Rechnung folgt, zumindest knapp über dem Inflationsausgleich liegt, ist natürlich im Vergleich zu dem, was es für Zuwächse in der Wirtschaft insgesamt gab, recht wenig, oder?

    Hoffmann: Also ich habe ja gesagt, wir werden in der Verhandlung am 28., 29. März nach einer Lösung zu suchen haben, aber wir können auch nicht die Bäume in den Himmel wachsen lassen. Lassen Sie mich das Beispiel der kommunalen Krankenhäuser kurz nennen: Die haben staatlich festgesetzte Preise, wir haben eine Veränderungsrate von 1,48 Prozent, das ist das, was den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt wird, und da können Sie sich vorstellen, dass das nicht so ohne weiteres möglich ist, da weit drüber hinauszugehen. Und wir müssen uns ohnehin darüber im klaren sein, dass, egal was wir jetzt tun, schlichtweg nicht mehr Geld da ist, und dann muss das an anderer Stelle, entweder durch zusätzliche Einnahmen oder durch Reduzierung von Ausgaben refinanziert werden.

    Engels: Zusätzliche Einnahmen ist ein gutes Stichwort. Es gibt sehr arme Kommunen und dort auch neue Belastungen, Sie haben es gerade erläutert. Daneben gibt es aber auch sehr wohlhabende, beispielsweise mit sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen. Sollte man da vielleicht überlegen, stärker nach Regionen getrennt zu verhandeln?

    Hoffmann: Also wir glauben, dass der Flächentarifvertrag – und so hat sich ver.di ja bisher auch immer geäußert – der richtige Weg ist. Es ist ja auch nicht so, dass die Verhältnisse der einzelnen Kommunen immer gleich sind, sondern dies unterliegt Veränderungen, und der Flächentarifvertrag ist aus unserer Sicht eine wichtige Größenordnung, weil wir natürlich auch verhindern wollen, dass die Beschäftigten zwischen einzelnen Arbeitgebern pendeln beispielsweise.

    Engels: Gerade Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst haben ja immer eine starke politische Komponente, weil auf der einen Seite am Tisch eben immer auch Staatsvertreter selbst sitzen. Können Sie als Arbeitgebervertreter auf die Politiker nicht Einfluss nehmen, kommunale Einrichtungen einfach generell besser auszustatten?

    Hoffmann: Also die kommunalen Vertreter, gerade auch die kommunalen Spitzenverbände, setzen sich natürlich nachhaltig dafür ein, das ist gar keine Frage. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir hier Tarifpolitik machen, und die Frage der Finanzierung der kommunalen Dienstleistungen wird an anderer Stelle geklärt, wenngleich ich Ihnen recht gebe, die Finanzausstattung der Kommunen und kommunalen Unternehmen könnte an vielen Stellen und müsste an vielen Stellen deutlich besser sein.

    Engels: Gestern hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Urlaubsanspruch im öffentlichen Dienst nicht nach Alter gestaffelt werden soll. Gerade jüngere Angestellte können somit auf bis zu vier Tage mehr Urlaub im Jahr setzen. Das bedeutet für die Arbeitgeber höhere Kosten, sie haben in etwa 250 Millionen vorgerechnet. Ändert diese Entwicklung noch einmal etwas an Ihrem aktuellen Angebot?

    Hoffmann: Na ja, es ist jedenfalls so, dass sich daraus eine erhebliche zusätzliche finanzielle Belastung ergibt, und damit muss man sich auseinandersetzen. Da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist zu gucken, ob man tarifpolitisch da Veränderungen vornehmen kann, die sozusagen die Belastung reduziert. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Variante ist, dass das natürlich auch in den Tarifverhandlungen eine Rolle spielt als zusätzliche Belastung.

    Engels: Jetzt auch schon in der aktuellen Runde?

    Hoffmann: Na ja, also jedenfalls insofern, als dass wir für die kommunalen Haushalte und die der kommunalen Unternehmen mit weiteren 250 Millionen belastet sind.

    Engels: Herr Hoffmann, Sie kennen das Geschäft der Tarifpolitik schon lange. Rechnen Sie damit, dass ernsthaft und dauerhaft gestreikt wird noch in dieser Runde, oder ist es abwendbar?

    Hoffmann: Also wir werden jedenfalls alles dafür tun und fordern dazu die Gewerkschaften auch auf, das gleiche zu tun, um nach allem, was in den letzten Tagen passiert ist, Ende nächster Woche mit einem Ergebnis aus den Verhandlungen zu kommen.

    Engels: Manfred Hoffmann, der Hauptgeschäftsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände. Vielen Dank für das Gespräch.

    Hoffmann: Danke auch, Frau Engels.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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