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"Es wird einige Wochen dauern, bis der Rücktritt tatsächlich erfolgt"

Noch sei Silvio Berlusconi nicht zurückgetreten, zunächst müsse die amtierende Regierung noch das geplante Stabilitätsgesetz für Italien verabschieden, sagt Mario Barbi von der Partito Democratico. Alle Parteien müssten jetzt Opfer von der Bevölkerung verlangen.

Mario Barbi im Gespräch mit Bettina Klein |
    Jasper Barenberg: Abwärts geht es für Silvio Berlusconi schon eine ganze Weile. Die Umfragen seit Monaten im Keller, die Mehrheit für die Koalition seiner Partei Volk der Freiheit mit Umberto Bossis rechtspopulistischer Lega Nord immer weiter geschrumpft, seine Regierungsfähigkeit, seine Glaubwürdigkeit von den europäischen Partnern zuletzt öffentlich in Zweifel gezogen. Zur Falltür wurde dann gestern eine Routineabstimmung im Abgeordnetenhaus. Jetzt will Berlusconi noch die geplanten Reformen durchs Parlament bringen und dann abtreten, so jedenfalls die Ankündigung. Eine wichtige Rolle kommt also in den nächsten Tagen und Wochen auch auf die Opposition zu.
    Am Telefon begrüße ich Mario Barbi, Abgeordneter der Demokratischen Partei, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Einen schönen guten Morgen.

    Mario Barbi: Einen guten Morgen auch.

    Barenberg: Herr Barbi, die Regierung von Silvio Berlusconi ist ganz offenkundig am Ende. Warum aber ist bei den Menschen auch das Vertrauen in die Opposition verloren gegangen?

    Barbi: Sehen Sie, das Vertrauen in die Opposition, das zeigen die Umfragen, es ist ziemlich besser als das für die Regierungsparteien. Die Wirklichkeit ist, dass die Lage sehr schwierig ist für das Land, für Italien, und im Moment darf keine Partei einfache Rezepte vorschlagen und muss Opfer von der Bevölkerung verlangen. Deswegen, glaube ich, ist die Lage so schwierig und ist auch von den Oppositionsmitgliedern und von der Bevölkerung, die gegen Berlusconi ist, eine gewisse Ratlosigkeit und Unsicherheit, was die Opposition in der Lage wäre zu machen.

    Barenberg: Ihr Oppositionsführer, Pier Luigi Bersani, er hat ja gesagt – wir haben das gerade im O-Ton auch gehört -, wir werden unseren Beitrag leisten. Was kann dieser Beitrag in den nächsten Tagen und Wochen sein?

    Barbi: Sehen Sie, die Lage ist jetzt folgende: Berlusconi hat seinen Rücktritt angekündigt, aber er ist noch nicht zurückgetreten. Es wird einige Wochen dauern, bis der Rücktritt tatsächlich erfolgt, weil es ist so, dass Italien im Moment das Stabilitätsgesetz verabschieden soll, was von den europäischen Partnern verlangt wird und nötig ist, um die Märkte zu beruhigen, weil die Schuldenkrise sehr brisant ist und die Zinsen immer höher werden. Deswegen wir haben auf einer Seite die Rücktrittsankündigung und auf der anderen Seite werden wir noch einige Wochen haben, wo das Parlament weitergeht und die Regierung die Verantwortung trägt für die Verabschiedung dieses Stabilitätsgesetzes.

    Barenberg: Und Sie, Herr Barbi, werden zustimmen, wenn es in der nächsten Woche – mutmaßlich soll es ja dann geschehen – um die Reformprogramme, um die Sparpläne der Noch-Regierung geht?

    Barbi: Ich kann mir vorstellen, dass die Opposition keinen Obstruktionismus führt und keine Opposition führt, das die Verabschiedung unmöglich macht. Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir die direkte Verantwortung für Maßnahmen aufnehmen, die nicht von uns verarbeitet worden sind.

    Barenberg: Was heißt das genau? Sie stellen Bedingungen bei bestimmten Punkten? Welche wären das?

    Barbi: Wir werden Bedingungen stellen können, aber das müssen wir im Nachhinein sehen, weil es ist im Moment ziemlich unklar. Wir kennen noch nicht so genau die Punkte. Wir wissen, dass es Punkte gibt, die sehr kompliziert sind, die Arbeitsmarktreformen, Rentensystemreformen, Wettbewerbsregelungen, alle Liberalisierungsfelder, alle Elemente, die eine Zusammenarbeit verfolgen sollten, aber im Moment bin ich nicht in der Lage zu sagen, dies sind die Punkte, wo wir ganz genau eine Bedingung stellen. Wir wissen, dass das Gesetz verabschiedet werden soll, und das wird der letzte Akt von der noch bestehenden Regierung.

    Barenberg: Und wenn das so geschehen wird, Mario Barbi, dann geht es um die Frage, wie es danach weitergeht?

    Barbi: Ja.

    Barenberg: Sollte es dann einen klaren Schnitt geben und Neuwahlen, sagen wir Anfang des Jahres?

    Barbi: Ich glaube, das wird der wahrscheinlichste Ausgang der Situation. Aber das ist auch schwierig, dies jetzt mit Sicherheit zu sagen. Es fängt eine Phase an, in der die wichtigste Rolle dem Präsidenten der Republik zufällt, und er ist in dieser Situation ein sehr wichtiger Faktor. Der hat eine hohe moralische Autorität, was ihm ermöglicht, Einfluss zu nehmen und Orientierung auf die politischen Kräfte auszuüben, die weit über seine institutionellen Befugnisse gehen. Das heißt, man muss wirklich ganz genau abwarten, was Giorgio Napolitano tut, um zu sehen, ob da diese Krise durch eine neue Regierung gelöst wird, oder durch Neuwahlen.

    Barenberg: Das heißt, Sie lassen noch offen, ob Sie eher für eine Übergangsregierung sind, oder doch am Ende für Neuwahlen?

    Barbi: Die offizielle Position der Demokratischen Partei ist, dass wir bereit sind, eine Übergangsregierung zu unterstützen. Es gibt auch eine wichtige Frage, und das ist das Wahlgesetz, das sehr kritisiert ist, und eine unmittelbare Auflösung des Parlaments würde bedeuten, dass wir mit dem jetzt in Kraft befindlichen Wahlgesetz wieder zu Wahlen gehen würden, und das ist wirklich eine sehr negative Sache. Deswegen: Märkte, Stabilitätsgesetz, Wahlgesetzreform, das sind alles Elemente, die, wie ich denke, den Staatschef dazu bringen werden, ganz genau zu schauen, ob es eine Alternative zu dieser Regierung gibt. Ob ich dann aber so eine Art Provision machen kann, da bin ich sehr skeptisch, dass eine solche Alternative auch so kommt, weil die Positionen der Parteien untereinander sich blockieren und ich sehe nicht, welche Regierung, welche neue Regierung aus dieser Lage neu entstehen könnte.

    Barenberg: Zum Schluss und mit der Bitte um eine kurze Antwort, Herr Barbi. Können Sie sich auch vorstellen, einen Premier des jetzigen Regierungslagers für eine solche Übergangsregierung zu akzeptieren?

    Barbi: Ich würde sagen, dass dies sicher eine Möglichkeit ist. Wir werden es sehen im Laufe der Krise. Es gibt Namen, die genannt werden, und das würde bedeuten eine Regenerierung der aktuellen Mehrheit. Es ist nicht einfach, ich sehe das als eine sehr schwierige Sache, aber das kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

    Barenberg: Mario Barbi heute Morgen im Deutschlandfunk, Abgeordneter der oppositionellen Demokratischen Partei und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss im Abgeordnetenhaus. Herr Barbi, danke für das Gespräch.

    Barbi: Auf Wiedersehen, vielen Dank.

    Barenberg: Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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