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Ethik ohne Religion
Buddhismus 2.0

Säkulare Buddhisten lehnen fernöstliche Glaubensvorstellungen ab, aber sie nutzen Glaubenspraktiken wie Meditation und Achtsamkeitsübungen. Im Westen findet diese Bewegung zunehmend Anhänger, auch unter Atheisten und Christen.

Von Ursula Reinsch | 21.02.2018
    Wächter über Thymian und Schnittlauch - eine Buddhafigur in einem Hochbeet.
    Philosoph Thomas Metzinger: "Da werden Symbole verflacht, verkitscht, verramscht" (Deutschlandradio / Christian Röther)
    An den unterschiedlichsten Orten lächeln sie uns an. Buddhas mit Lotusblüten in Baumärkten und Blumenläden. Batteriegesteuerte, winkende Plastik-Buddhas von gold bis grasgrün. In Schaufenstern und Schönheitsfarmen. Rührselige Mantra-Gesänge und Räucherstäbchen zur Verkaufsförderung in Shoppingmeilen. Wellness- und Wohlfühlprodukte. Buddhismus als Modeerscheinung, als Popkultur. Verklärter und verkitschter Buddhismus. Sinnentleert, kommerzialisiert. Und einfach ein riesiger Markt: Etwa 25 Milliarden Euro setzt der Esoterik-Markt in Deutschland um pro Jahr. Gut einzig und allein für eine eigennützige Beliebigkeit und Bequemlichkeit.
    Der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger von der Universität Mainz: "Es gibt auf einmal Buddha-Lounges und die entsprechende Musik dazu. Es gibt völlig alberne, esoterische Formen von Buddhismus, die eigentlich nur der Sterblichkeitsverleugnung dienen, die einfach neue Produkte in diesem Esoterik-Supermarkt sind."
    Neuro-Philosoph Thomas Metzinger
    Neuro-Philosoph Thomas Metzinger (Thomas Metzinger/ Onassis Foundation)
    Und der Religionswissenschaftler Michael von Brück, bis vor Kurzem Professor an der Universität München: "Buddhismus ist schick, Buddhismus ist in, Buddhismus ist ein Hollywood-Phänomen. Es gibt natürlich Schicki-Micki-Buddhismus, dass man sich einen Buddha wie einen Gartenzwerg in den Garten stellt und dergleichen. Das ist meines Erachtens ein vorübergehendes Problem. Das kann man belächeln. Da werden Symbole verflacht, verkitscht, verramscht."
    Natürlich gibt es hierzulande auch den traditionellen Buddhismus, die Weisheitslehre, die Weltreligion. Repräsentiert durch hunderte asiatischer Tempel, buddhistischer Zentren und Freundeskreise. Hier meditieren Menschen, rezitieren Mantras in Pali oder Sanskrit, beschäftigen sich ernsthaft mit der Lehre des Buddhas – dem Dharma. Die meisten fühlen sich einer buddhistischen Tradition zugehörig. Viele glauben an "buddhistische Wahrheiten" über Leben und Tod. Zum Beispiel an Karma, das Gesetz von Ursache und Wirkung, an Wiedergeburt und Nirwana. Die meisten Buddhisten orientieren sich so:
    "Sie sagen sich, ich geh Theravada oder Mahajana oder Zen", sagt Manfred Folkers, Buchautor und Mitglied im Rat der Deutschen Buddhistischen Union, dem Dachverband deutscher Buddhisten.
    Buddhismus im Einklang mit moderner Forschung
    Zahl und Ziele, Vielfalt und Formen des traditionellen Buddhismus sind kaum überschaubar: Schätzungen reichen von 250.000 bis zu einer Million Buddhisten in Deutschland. Ohne die asiatischen Buddhisten, die bei uns leben. Neben dem Esoterik-Buddhismus und dem traditionellen Buddhismus gibt es eine zeitgemäße, eine moderne buddhistische Neuausrichtung. Sie existiert in Amerika seit gut 20 Jahren und findet in den letzten Jahren hierzulande zunehmend Anhänger.
    Sie nennt sich "säkularer Buddhismus" oder auch "Buddhismus 2.0." Säkularer Buddhismus will dabei eine Dimension des Religiösen, das Ethische, nicht aufgeben, hält sie für essenziell. Den Vertretern geht es um einen authentischen, kritischen und aufgeklärten Buddhismus. Sie verstehen ihn als rational, mit den modernen Wissenschaften im Einklang.
    Buddha auf einem weißen Elefanten. Statue im buddhistischen Vạn Hạnh Zen Tempel in Vietnam.
    Buddha auf einem weißen Elefanten. Statue im buddhistischen Vạn Hạnh Zen Tempel in Vietnam. (imago / Leemage)
    Vertreter des säkularen Buddhismus übersetzen Originaltexte neu. Sie extrahieren aus diesen Texten zeitgemäße ethische Werte. Wie beispielsweise Empathie, Selbstverantwortung, Verbundenheit mit und Achtung vor allen Lebewesen sowie soziale und ökologische Verantwortung. Auch der Dalai Lama hält diese religionsunabhängigen oder religionsübergreifenden globalen Werte heute für wichtiger als traditionelles Beten. Als Hauptvertreter des säkularen Buddhismus gilt bei uns der Schotte Stephen Batchelor.
    "Ich mache einen Unterschied zwischen Buddhismus 1.0 und 2.0. Der Buddhismus 1.0 ist ein System, das auf den Glaubensvorstellungen des antiken Indiens beruht. Er hegt die Betrachtungsweise, dass die buddhistische Praxis dazu dient, aus dem Zyklus von Geburt und Tod befreit zu werden und ein endgültiges Nirwana zu erlangen. Buddhismus 2.0 ist für mich eine Art buddhistischer Praxis, die nicht auf den klassischen indischen Vorstellungen beruht, sondern die auf den Lehren des Buddha selbst beruht. Und dazu gehören für mich die Bedingtheit, die vier edlen Wahrheiten, die Praxis der Achtsamkeit und Selbstverantwortung. Die Praxis auf solche Prinzipien zu gründen, befreit den Einzelnen beispielsweise von der Begründungen wie Reinkarnation", erklärt der 64-jährige.
    "Ich verstehe Buddhismus als buddhistische Praxis und Ethik"
    Batchelor hat mehrere Bücher zum säkularen Buddhismus geschrieben, gilt als Quer- oder Weiterdenker. Seine Bücher handeln von der Arbeit mit dem eigenen Geist, der Arbeit mit den eigenen Emotionen, von Meditationstechniken.
    Es gibt aber auch Christen darunter, die mithilfe buddhistischer Methoden - insbesondere der Meditation - ihre christlichen Werte festigen wollen. Es sind Menschen, die auf eine traditionell fundierte Lebensphilosophie nicht verzichten wollen, die ihnen Sinn und Halt gibt, wenn es hart kommt im Leben. Viele suchen eine ethische Richtschnur und einen Übungsweg, der menschliche Qualitäten stärkt, beispielsweise Liebe und Mitgefühl. Und der unser überwiegend auf Intellektuelles ausgerichtetes kognitives Lernen um wichtige Fähigkeiten ergänzen kann, letztlich um Herzensqualitäten.
    Fünf Symbole stehen auf dem Friedhof Gerliswil, Gemeinde Emmen, für die Weltreligionen Judentum, Christentum, Hinduismus, Islam und Buddhismus, von links
    Metzinger beschreibt den Buddhismus als die interessanteste der Großreligionen (picture alliance/dpa/Keystone/Urs Fueller)
    Außerdem, sagt der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger: "Natürlich ist der Buddhismus ganz klar die philosophisch interessanteste Religion der fünf Großreligionen."
    "Eher eine Lehre als eine Religion"
    Zu den Menschen, deren Leben "diese Großreligion" prägt, gehören Gisela und Willi. Sie Protestantin, er Katholik. Darin sehen sie keinen Widerspruch. Sie, 57, Sozialarbeiterin in der Familienhilfe und Tanzlehrerin; er, 61, selbstständiger Betriebswirt. Vor sieben Jahren haben sie sich kennen gelernt, lieben gelernt. Nach gescheiterten Beziehungen.
    Willi: "Am Buddhismus hat mich immer fasziniert, dass es überhaupt keine Götter oder Bilder von Göttern gab, die es zu verehren galt, sondern dass es eher ein Weg war, der aufgezeigt wurde und Anleitungen gab, wie man diesen Weg zu Erkenntnissen beschreiten kann. Also eher eine Lehre als wie eine Religion."
    Gisela: "Mich hat dieses sehr Bodenständige, ganz Pragmatische für den Alltag sehr angesprochen. So als Handwerkszeug im Umgang von Mitgefühl, Mitmenschlichkeit - und nicht 'der liebe Gott sitzt im Himmel und sieht alles' – sondern in dem Sinne von – 'das Göttliche ist in jedem Menschen'. Es geht nicht um was Abgehobenes, sondern es geht um eine Bewusstseinsentwicklung in mir. Das Handwerkszeug, ist diese Achtsamkeit, Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Augenblick. Das Wahrnehmen und das Loslassen von Gewohnheitsmustern. Zu erleben, dass das Muster sind, dass ich sie erkenne, als einen Teil von mir, und dass ich ein Bewusstsein habe, eine Freiheit habe, mein Muster wieder neu zu definieren."
    'Erleben, dass ich ein Bewusstsein, eine Freiheit habe.' Das gehört zu den wichtigsten Erkenntnissen im säkularen Buddhismus. Der Philosoph Thomas Metzinger aus Mainz:
    "Das eigentlich Interessante ist dieses ausgefeilte und eben auch über Jahrhunderte von hunderttausenden von Praktizierenden empirisch ausgetestete Praxis, die nicht so stark gebunden ist an metaphysische Glaubenssysteme oder Hintergrundannahmen, die wir nicht mitvollziehen können in der modernen westlichen Gesellschaft. Das heißt die Praxis ist etwas, von der wir alle profitieren können."
    "Vier edle Wahrheiten"
    Jeder Mensch könnte profitieren - zumindest wenn er die "vier edlen Wahrheiten" kennt, die bekanntesten buddhistischen Prinzipien. Diese kann man so zusammenfassen:
    Erstens: Das Leben ist letztlich leidvoll.
    Zweitens: Das Leiden hat Ursachen wie Gier, Hass und Verblendung.
    Drittens: Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden.
    Viertens: Es gibt einen Weg zum Erlöschen des Leids.
    Stephen Batchelor charakterisiert die vier edlen Wahrheiten nicht als starre Glaubenssätze, sondern als Empfehlungen:
    "Die erste Handlungsempfehlung bedeutet: das Leiden des Lebens anzunehmen. Die zweite: das persönliche Anhaften, die Gier und die Selbstsucht angesichts des Leidens aufzugeben. Die dritte bedeutet, Meditation, Stille und geistige Offenheit zu kultivieren, um uns von dem instinkthaften Denken und Handeln zu befreien. Dies führt zur vierten Aufgabe: diese Fähigkeiten als eine Art Lebenskunst in unserem alltäglichen Leben zu verwirklichen."
    Der große Buddha von Kamakura: Die buddhistische Skulptur und insbesondere der Daibutsu, der Große Buddha, ist eines der beliebtesten Motive der japanischen Reisefotografie. Schon die Größe der Statue muss den Reisenden aus dem Westen beeindruckt haben: 13,35 Meter misst die Bronze-Skulptur, die der damalige Herrscher Hojo Yasutoki im 13. Jahrhundert für das 50 Kilometer südlich von Tokyo gelegene Kamakura hat anfertigen lassen. (Aya Fujita)
    Der große Buddha von Kamakura (Sammlung MKG Hamburg)
    Doch wie kann man diese "buddhistische Lebenskunst" verwirklichen, sie in unser hektisches, schnelllebiges Leben integrieren? Wie kann man sein Bewusstsein erkennen, schulen? Das sei nur mit konsequentem Üben möglich, kein schneller Weg, sagt Ulrich Schnabel. Er meditiert seit Jahren und ist Wissenschaftsredakteur bei DIE ZEIT:
    "Viele Menschen würden sich den Buddhismus gerne wie so eine App auf ihr Betriebssystem laden, und dabei geht es aber ja darum, das Betriebssystem selbst zu hinterfragen und zu durchleuchten und vielleicht auch anders damit umzugehen. Das ist natürlich eine anspruchsvolle Aufgabe, die Sie auch nicht mal so schnell in Wochenendseminaren lernen, sondern das ist eigentlich eine lebenslange Aufgabe."
    Gelassenheit durch Meditation
    Gisela und Willi üben geduldig seit Jahren. Sie stehen morgens eine halbe Stunde früher auf, um gemeinsam zu meditieren, den Tag in Ruhe und Gelassenheit zu beginnen. Willi beschreibt seine durch den modernen Buddhismus angeregten Auseinandersetzungen so:
    "Ich habe mich besonders mit der menschlichen Habgier auseinandergesetzt und da wurde sehr schnell klar, dass die treibende Kraft des Kapitalismus die Habgier des Menschen ist. Und im Buddhismus wird dies auch als einer der Gründe genannt, warum wir Menschen leiden, oder ein Hauptgrund dafür, dass so viel Leiden entstehen kann."
    Meditieren, um zu innerer Ruhe zu finden, innere Freiheit zu entwickeln, beispielsweise von Massenmedien und Massenkonsum. Laotse hat einmal gesagt:
    "Wer innehält, erhält innen Halt."
    Hier sei Einsichtsmeditiation eine hilfreiche Meditationstechnik, sagt der Buddhismuslehrer Manfred Folkers:
    "Die besteht aus zwei Schritten: In der Kurzfassung – Shamata heißt 'Anhalten' und Vipassana heißt 'genau hinschauen'. Und dieses Genau-Hinschauen heißt auch analysieren, erkennen, durchdringen, verstehen wollen, erforschen, nachprüfen: Immer nachfragen: Warum mache ich das? Ich will es auch verstehen, ich will mein Handeln, ich will meine Motive verstehen. Und ich möchte eben halt auch einigermaßen wissen, worauf es hinausläuft"
    Buddhafigur
    Im Diesseits geht es darum Leidenschaften und Gier loszulassen ( Unsplash / Igor Ovsyannykov )
    Also: Was ist meine Absicht? Was tue ich? Was verursache ich damit? Was wird die Folge meines Handelns sein? Ganz konkret geht es dabei um das Prinzip von "Ursache und Wirkung", und zwar im Hier und Jetzt. Es ist das, was Buddhisten "Karma" nennen, was sich - traditionell ausgelegt - jedoch aufs Jenseits bezieht. Im Diesseits, also jetzt, geht es oft darum, Leidenschaften und Gier loszulassen, störende Gefühle, egoistische Einstellungen - so wie der Buddha das vor 2500 Jahren gelehrt hat. Heute vielleicht so:
    Willi: "Ich wollte unbedingt mal einen schönen Oldtimer fahren und habe mir diesen Wunsch auch dann erfüllt und irgendwann mal dann auch über die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus auch gemerkt, dass diese Erfüllung von diesem Wunsch nur eine sehr kurzfristige Freude gibt. Und das auch eine Freude ist, die bei weitem nicht damit zu vergleichen ist, wie die Freude, die man aus menschlichen Beziehungen oder dem Lächeln eines Kindes erfahren kann. Und erst durch die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus und dem Fallenlassen oder Loslassen von Wünschen hat mir dann tatsächlich geholfen, mir irgendwann mal zu sagen, dass ich mich von diesem materiellen Wunsch oder von dieser Leidenschaft ganz leicht trennen kann."
    Weisheiten treffen auf Forschung
    In der wissenschaftlichen Forschung, wie Meditation sich auswirkt, treffen die alten buddhistischen Weisheiten auf moderne Forschung.
    Denn, wenn auch anders als der Buddha vor 2500 Jahren, sagt die Hirnforscherin Tanja Singer in einem Interview in 3 Sat: Ja, man könne durch regelmäßige mehrmonatige Achtsamkeitstrainings und Meditation erkennbare Veränderungen im Gehirn erreichen. Das zeigten ihre Forschungen ganz deutlich.
    Singer: "Dieses differenzierte Bild von einem Menschen, der verschiedene Motive hat, und die können sozusagen sowohl kontextuell aktiviert werden oder über mentales Training intern trainiert und verändert werden. Das heißt ich kann selbst mich in die Hand nehmen und mich von einem Egoisten zu einem mehr altruistischen Menschen machen."
    Das funktioniert ohne Religion, aber nicht ohne Ethik. Denn ohne sie können Achtsamkeitstrainings und Meditationen leicht missbraucht werden. So wie man ein Messer zum Schneiden eines Apfels benutzen kann oder zum Töten eines Menschen, können Achtsamkeit und Meditation ebenfalls kontextabhängig genutzt werden: zur Leistungssteigerung beispielsweise.
    Der Dalai Lama sagte dazu vor Kurzem:
    "Nach meiner Überzeugung können Menschen zwar ohne Religion auskommen, aber nicht ohne innere Werte, nicht ohne Ethik. Und genau so werden wir zwar ohne Religion geboren, aber nicht ohne das Grundbedürfnis nach Mitgefühl. Unabhängig davon, ob wir einer Religion angehören oder nicht, haben wir alle eine elementare und menschliche ethische Urquelle in uns. Die Ethik, nicht Religion, ist in der menschlichen Natur verankert. Und so können wir auch daran arbeiten, die Schöpfung zu bewahren. Das ist praktizierte Religion und praktizierte Ethik."
    Eine Frau meditiert vor einem Sonnenuntergang.
    Die Meditation ist ein Teil praktizierter Ethik (imago/stock&people/UIG)
    Ethik ohne Religion – das ist nicht neu, das ist der Kern der philosophischen Ethik, die den Verweis auf "Gott" oder "die Natur" als Begründung nicht akzeptiert. Neu ist, dass ein Religionsführer eine solche Ethik fordert.
    "Konsummäßig bin ich nicht mehr relevant für diese Wirtschaft"
    Manfred Folkers, der seit Jahrzehnten meditiert, erklärt, wie bei ihm diese praktizierte Ethik wirkt. Das klappt auch ohne Räucherstäbchen und Rituale, ohne Mystik und Mantras; notfalls sogar an der Supermarktkasse:
    "Wenn ich überlege, was die Praxis bei mir bewirkt hat, dann kann ich über lange Zeiträume klar sagen, mein Fleischkonsum ist fast auf null gesunken, mein Alkoholkonsum ist fast auf null gesunken, Zigaretten und so weiter, ist überhaupt gar kein Thema mehr. Vor allen Dingen aber auch konsummäßig bin ich nicht mehr relevant für diese Wirtschaft, weil ich halt lieber Sachen auftrage, lieber das, was gebraucht ist, weiternehme, weil ich muss nicht auf dem modernsten Stand sein. Wobei es natürlich die Ausnahme gibt, was so Computer und so angeht, bin ich nun nicht hinter dem Mond. Wobei ich mich dagegen sträube, überall mitzumachen."
    Auch Thomas Metzinger reflektiert im Kontext von Meditation über die im Buddhismus "Geistesgift" genannte Gier:
    "Wir entdecken jetzt im Moment gerade, dass unsere durch Gier und Maßlosigkeit angetriebenen Finanzsysteme hochgradig instabil sind. Gier und Verblendung kann man in sich beobachten – und es ist ein klassisches Thema worüber die buddhistischen Philosophen viel gesagt haben, aber die jungen Männer in den Computertürmen in Frankfurt, London und Berlin, die interessiert das einfach nicht."
    Dass der säkulare Buddhismus Menschen wachrütteln könne, Bewusstsein für das wirklich Wichtige im Leben wecken oder stärken könne, davon ist Stephen Batchelor überzeugt.
    "Man braucht nicht dauernd Wünsche zu haben und versuchen noch höhere Ebenen der materiellen Befriedigung zu erlangen, die uns am Ende nicht wirklich Glück und Wohlbefinden verschaffen. So hoffe ich, dass die augenblickliche Krise die Menschen zum Nachdenken darüber führt, was in ihrem Leben wirklich zählt und worauf es ankommt. Aber weder der Buddhismus noch irgendeine andere Tradition werden eine einfache Antwort darauf finden, was den globalen Kapitalismus ersetzen könnte."
    Redaktion: Christiane Florin
    Regie: Rainer Delventhal